zum Hauptinhalt
243739_0_6cd6ff72.jpeg

© Doris Spiekermann-Klaas

BMW-Deutschlandchef: „Wir befinden uns nicht in einer Krise“

BMW-Deutschlandchef Philipp von Sahr ist sich sicher darüber, dass sein Unternehmen nicht "unter die Räder" kommt. Über den heftigen Absatzeinbruch der Branche, große Autos und Baupläne in Berlin spricht er im Interview.

Herr von Sahr, kommt BMW in der Finanz- und Autokrise "unter die Räder", wie ein Analyst kürzlich schrieb?



Davon kann keine Rede sein, auch wenn wir wie die gesamte Branche vor großen Herausforderungen stehen. Das Wachstum des ersten Halbjahres ist Vergangenheit – der Wind bläst von vorne. Aber die BMW Group ist gut aufgestellt. Unser Marktanteil liegt in Deutschland bei hohen 9,1 Prozent. Wir kommen also keineswegs unter die Räder.

Absatzkrisen gab es in der Autoindustrie immer. Was ist diesmal anders?

Diesmal befinden wir uns in der bislang wohl größten Krise der Automobilindustrie. 1982 gab es einen Produktionsstopp von vier Monaten. So schlimm ist es bei uns noch nicht. Aber unsere Branche erlebt diesmal einen weltweiten Strukturumbruch, der sich durch die Finanzkrise noch verschärft hat. Die Nachfrage geht zurück, Märkte und Regionen sind viel stärker vernetzt. Daher kann man den deutschen Markt nicht isoliert betrachten. Alle Industrien sind betroffen.

Inwiefern ist die Krise von den Autoherstellern hausgemacht?


Um es klar zu sagen: Die BMW Group befindet sich nicht in einer Krise. Von einigen Seiten steht ja der Vorwurf im Raum, die Hersteller hätten zu spät den Trend zu sparsamen Fahrzeugen erkannt. Für BMW gilt dies nicht. So haben wir bislang 1,2 Milliarden Euro in unsere verbrauchs- und abgasarmen Efficient- Dynamics-Motoren investiert und inzwischen 23 BMW- und fünf Mini-Modelle, die weniger als 140 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Unsere Kunden sparen bei uns im Durchschnitt einen Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer im Vergleich zu den Fahrzeugen unserer Wettbewerber.

General Motors, Ford und Chrysler wird womöglich bald mit vielen Milliarden Dollar geholfen. Haben die deutschen Hersteller dann einen Wettbewerbsnachteil?

Es darf keinen Subventionswettlauf zwischen den USA und Europa geben. Wir haben über Jahre viel Geld in die Forschung gesteckt und verbrauchs- und emissionsarme Fahrzeuge entwickelt. Andere Hersteller haben dies nicht getan, kommen in der Krise jetzt womöglich in den Genuss staatlicher Hilfen. Aber es hätte auch gravierende Folgen für die Zulieferindustrie und damit für die gesamte Branche, wenn ein großer Hersteller verschwinden würde. Den deutschen Herstellern wäre mit stabilen und klaren Rahmenbedingungen beispielsweise bei der künftigen Kfz-Steuer weit mehr geholfen als mit Subventionen.

Der weltweite Absatz der BMW-Group ist massiv eingebrochen: Im September um 14,6 Prozent, im Oktober um 8,3 Prozent, im November um 25,4 Prozent. Verfehlen Sie das Ziel, den Vorjahresabsatz von 1,5 Millionen Fahrzeugen 2008 zu toppen?


Das Ziel haben wir uns gegeben, als noch niemand absehen konnte, wie schlimm die Finanzkrise werden würde. In Deutschland liegen wir aktuell noch über dem Vorjahresabsatz. Ende des Jahres werden wir wohl annähernd auf dem Niveau von 2007 landen. Weltweit werden wir 2008 angesichts der schwierigen Situation in den Märkten das hohe Absatzniveau des Vorjahres nicht erreichen.

2007 wurden von 3,2 Millionen Neuzulassungen rund zwei Millionen nicht privat, sondern von Gewerbekunden angemeldet. Rächt sich jetzt, dass in diesem margeschwachen Segment die Absatzzahlen nach oben getrieben wurden?

Wir ziehen uns bewusst aus dem Geschäft mit Vorführwagen, Autovermietern und Mitarbeiterdienstwagen zurück – die Wettbewerber aus Ingolstadt, Wolfsburg und Stuttgart stehen hier noch voll auf dem Gaspedal. Bis Ende Oktober haben wir über diesen Absatzweg 18 213 weniger Autos als im Vorjahreszeitraum verkauft, aber 23 339 mehr an Privat- und Großkunden. Die Haltezeiten der Dienstwagen im BMW-Fuhrpark haben wir verlängert, um den Druck auf die Händler zu reduzieren. Uns geht es um Profitabilität. Was bringt es, wenn wir zum Beispiel mit Autovermietergeschäften unseren Marktanteil hochtreiben, aber die zurückkommenden Gebrauchtfahrzeuge dann nicht mehr loswerden?

Genau das macht BMW zu schaffen. Eine Milliarde Euro musste der Konzern zurücklegen, weil die Restwerte von Leasingfahrzeugen zu hoch angesetzt wurden. Wie werden Sie die vielen Gebrauchten los?


Als wir vor drei Jahren Leasingverträge geschlossen haben, haben wir nicht mit einer solchen Krise gerechnet. Um unsere Händler heute von hohen Gebrauchtwagenbeständen zu entlasten, vermarkten wir rund 500 Fahrzeuge pro Woche über internationale Auktionen. Davon gehen bis zu 50 Prozent ins europäische Ausland. Erstmalig verkaufen wir in diesem Jahr über 15 000 junge Gebrauchte ergebnisoptimiert und gesteuert ins europäische Ausland – etwa nach Polen oder Portugal, wo es keinen derart entwickelten Premiumgebrauchtwagenmarkt gibt.

Sie verschieben das Problem ins Ausland.

Nein, wir bauen eine zweite Marke mit jungen Gebrauchtwagen auf. „Premium Selection“ nennen wir das. Die Fahrzeuge stehen im Wettbewerb auf dem Massenmarkt: Statt einen neuen Golf oder Toyota Corolla bekommt man zum gleichen Preis einen drei Jahre alten BMW 3er. Damit binden wir die BMW-Neuwagenkäufer von morgen.

BMW hat 18 Niederlassungen mit 47 Standorten, 602 Händlerbetriebe und rund 120 Servicewerkstätten. Müssen Sie hier sparen?


Wir sind hier deutlich schlanker und effizienter als die Konkurrenz. Einer unserer Wettbewerber hat mehr als 1000 Betriebe und strebt unsere Struktur an. Wir sind zufrieden mit dieser Struktur.

Ein Viertel aller Händler steht nach Expertenmeinung vor der Pleite.


Ich kann nicht für jeden BMW-Händler sprechen. Aber unsere Händler hatten 2007 eine Umsatzrendite von 0,8 Prozent – der Branchenschnitt lag bei 0,1 Prozent. Bis Oktober waren wir auf Vorjahresniveau, auch die Zahl der Insolvenzen lag unter dem Branchenschnitt. Ich weiß natürlich nicht, was nächstes Jahr passiert. Aber klar ist: Wir werden bei unseren Händlern keine Rendite subventionieren.

Werden Sie Händlern, die in Schwierigkeiten geraten, unter die Arme greifen – ähnlich wie einigen Zulieferfirmen?

Das hängt vom Einzelfall und der strategischen Bedeutung des Händlers ab. Wir werden aber niemanden am Tropf durch die Krise führen.

In Berlin hat BMW den Bau einer neuen Niederlassung für 80 Millionen Euro angekündigt. Bleibt es dabei?

Wir stehen dazu. Aber wir prüfen den Architektenentwurf noch einmal, heben Potenziale und nutzen Synergien im Rahmen eines Standortkonzepts für Berlin.

Wann geht es los? Anfang 2010 wollten Sie einziehen.

Wir haben den Termin verschoben. Das tut uns weh, aber in der aktuellen Lage müssen wir uns auf das Wesentliche konzentrieren. Aber das Projekt kommt.

In der Krise wird häufig zuerst bei den Budgets für Werbung und Marketing gestrichen. Auch bei BMW?


In diesen Zeiten werden wir sicher nicht alle Sponsoring- und Marketingaktivitäten beibehalten. Unser Augenmerk liegt aber auf der Effizienz der Werbung. Hier sind wir gerade in Berlin erfolgreich. Obwohl unsere Premiummitbewerber das Doppelte für Werbung in der Stadt ausgeben, haben wir unseren Marktanteil in einem Jahr deutlich gesteigert: im Premiumsegment sind wir heute mit einem Anteil von 13,2 Prozent Marktführer. Übrigens: bei "Staatsoper für alle" bleiben wir weiterhin Partner.

Bewerben können Sie nur, was Sie haben. Die neuen 3er- und 5er-Modelle kommen erst 2010. Nach dem neuen 7er, der seit zwei Wochen ausgeliefert wird, fehlen 2009 die großen BMW-Neuheiten. Schrumpft Ihr Wettbewerbsvorsprung?


Der neue BMW 7er wird 2009 auf die anderen Modellreihen abstrahlen. Aber wir werden darüber hinaus auch einige andere Neuheiten auf den Markt bringen: das Mini Cabrio, den BMW X1, einen Z4- Nachfolger und den PAS (Progressiv Active Sedan). Wir sind gut gewappnet.

Wie gut verkauft sich der 7er?

Sehr gut. Wir haben im Einführungsmonat November ein Plus von 143 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Mit einem Verbrauch von 7,2 Litern auf 100 Kilometern setzt das Fahrzeug in der Luxusklasse neue Maßstäbe und passt damit in die Zeit.



DER MANAGER


Philipp von Sahr (50) ist seit April 2008 bei BMW verantwortlich für den Vertrieb in Deutschland, dem nach den USA wichtigsten Markt für den bayerischen Autohersteller. Von Sahr arbeitet seit 1987 bei BMW. Zuletzt als Leiter der BMW-Niederlassung Frankfurt. Davor war er Leiter der BMW-Vertriebsgesellschaft in Norwegen.


DER KONZERN


2007 setzte die BMW- Group mit den Marken BMW, Mini und Rolls- Royce in Deutschland 285 000 Fahrzeuge ab. 2008 sollen es etwa ebenso viele werden. Weltweit wird der Konzern den Rekordabsatz des Vorjahres (1,5 Millionen) aber verfehlen. Im November lieferte BMW 25 Prozent weniger Autos und Motorräder aus.

Interview von Henrik Mortsiefer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false