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Wenn Dein starker Arm es will, stehen alle Räder still. Das Streikmotto gilt auch für die Berliner Flughäfen. Für die kommende Woche wird jetzt ein Kompromiss erwartet. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Bodenpersonal der Berliner Flughäfen: Annäherung im Tarifkonflikt in Tegel und Schönefeld

Vermittler Körting kommt voran: Ein Tarifabschluss in der kommenden Woche ist möglich. Ab Sonntag gibt es einen neuen Abfertiger für Air Berlin.

Von einer „kitzligen Phase“ war die Rede in Verhandlungkreisen, doch alles in allem ist Ehrhart Körting ein ordentliches Stück vorangekommen. Der ehemalige Berliner Innensenator (2001 bis 2011) bemüht sich seit einer Woche um die Lösung des festgefahrenen Tarifkonflikts an den Berliner Flughäfen. Die Vorstellungen von Verdi (Erhöhung des durchschnittlichen Stundenlohns um rund zehn Prozent auf zwölf Euro bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von einem Jahr) waren so weit entfernt vom Angebot der Arbeitgeber (acht Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von drei Jahren), dass der Streit eskalierte und die Flughäfen in der vorvergangenen Woche für zwei Tage fast komplett stillgelegt worden waren. Mit Körtings Hilfe gab es in den vergangenen Tagen einen Annäherung, über die am Freitag die Tarifkommission von Verdi beriet. Ergebnis: Am Montag werden die Verhandlungen fortgesetzt, ein Tarifabschluss in der kommenden Woche ist möglich.

Es gibt diverse Verteilungskonflikte

Die Auseinandersetzung ist deshalb so schwer zu lösen, weil es die Tarifparteien mit Verteilungskonflikten auf mehreren Ebenen zu tun haben. Der beinharte Wettbewerb der Fluggesellschaften, der von den Billigfliegern in den vergangenen zehn Jahren beschleunigt wurde, erfreut auf der einen Seite die Passagiere und drückt auf der anderen Seite die Einkommen der Beschäftigten der Airlines und ihrer Dienstleister. In Berlin ist eine Handvoll Unternehmen mit gut 2000 Mitarbeitern für die Abfertigung und für Vorfeldtätigkeiten in Tegel und Schönefeld vertreten. Etwa 1500 davon arbeiten für die Wisag, die an den Flughäfen unter ganz besonderen Problemen leidet.

Die Wisag hat Globe Ground übernommen

Der in Frankfurt am Main ansässige Konzern, der mit rund 45 000 Mitarbeitern alle möglichen Dienstleistungen in und ums Gebäude erledigt, war 2008 groß in das Geschäft eingestiegen, indem er den Berliner Bodendienstleister Globe Ground übernahm. Globe Ground gehörte der Lufthansa und der landeseigenen Berliner Flughafengesellschaft. In dem Unternehmen galt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst und die Beschäftigten verdienten gutes Geld - bis sich vor rund zwölf Jahren die Billigflieger in Schönefeld breitmachten. Von da an ging es bergab mit den Löhnen. Doch viele Mitarbeiter standen und stehen unter dem Schutz von Besitzstandsklauseln, unter die nach Angaben der Wisag eine große Zahl ihrer Beschäftigten fällt. Auch deshalb habe die Wisag an den Berliner Flughäfen nur Verluste gemacht - und könne sich keineswegs eine Lohnerhöhung leisten, wie sie die Beschäftigten derzeit im Arbeitskampf durchzusetzen versuchten, argumentiert Konzernchef Michael Wisser.

Air Berlin wechselt zu Aeroground

Der Marktführer Wisag steckt dazu noch in einem Verteilungskampf mit den Wettbewerbern: Die Aeroground Berlin, eine Tochter des Münchener Flughafens, hat der Wisag den größten Kunden abgenommen: Air Berlin. Von diesem Sonntag an werden die Maschinen und Passagiere der Air Berlin nicht mehr von der Wisag, sondern von Aeroground abgefertigt. Angeblich war Air Berlin mit der Qualität der Wisag nicht mehr zufrieden, aber der Preis wird für den Wechsel auch eine Rolle gespielt haben. Bei der Wisag waren rund 300 Personen für Air Berlin tätig, ein großer Teil von ihnen wechselt nun zu Aeroground, vor allem Leiharbeiter und Beschäftigte mit befristeten Verträgen. Die relativ teuren Wisag-Mitarbeiter mit Besitzstandsklauseln und langer Betriebszugehörigkeit bleiben bei der Wisag – und verschlechtern die Kostenposition des Konzerns. Das Personal macht rund drei Viertel des Aufwands eines Flughafendienstleisters aus, bei dem wiederum nur ein Bruchteil des Ticket-Preises ankommt.

Zu wenig Langstreckenflüge von Berlin

Nach Angaben von Verdi hat es wegen des Unterbietungswettbewerbs der Airlines in den vergangenen Jahren einen Preisverfall bei den Bodendienstleistungen um 30 Prozent gegeben. In der Folge verdienen die Beschäftigten weniger – und arbeiten gleichzeitig mehr. Vor allem auf den vollgestopften Flughäfen Tegel und Schönefeld, wo viel mehr händisch erledigt werden muss als etwa in Frankfurt oder München. Gleichzeitig reduziert die Digitalisierung den Wert der Dienstleistung: Die Hälfte der Fluggäste in Tegel hat den Boarding Pass auf dem Handy und geht mit dem Handgepäck gleich durch. Komplexere und werthaltigere Abfertigungsarbeiten gibt es bei Langstreckenflügen – von denen es in Berlin relativ wenige gibt. Das wird anders, wenn der BER den Betrieb aufnimmt: Mit moderner Technik zum Beispiel für das Gepäck und mit mehr Interkontinentalflügen, von deren Betreuung sich die Wisag und die anderen Firmen auskömmliche Geschäfte erhoffen. Und die Beschäftigten bessere Arbeitsbedingungen.

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