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Wirtschaft: Bodo Hamprecht

Geb. 1940

Egal ist, was man glaubt. Wichtig ist, zu wissen, dass man wenig weiß. Es gibt ein Weiterleben nach dem Tod.“ „Ach ja?“, fragt der Abgeklärte und lächelt ironisch, „Erzählen Sie mehr!“ – „Schauen Sie einfach in die Augen Ihres Kindes.“

Ein Beispieldialog aus dem noch ungeschriebenen Handbuch für angewandte Metaphysik. Bodo Hamprecht hätte viele Dialoge dazu beitragen können. Denn er war ein Genie. Ein Genie, das vor die Hunde gegangen wäre, hätte ihn sein Vater nicht von der öffentlichen Schule genommen. Schulsport der anderen Art: Hochbegabte mobben.

Der Mathematiklehrer an der Waldorfschule erkannte sein Talent und drückte ihm den Schlüssel für den Physikraum in die Hand: „Nutze deine Zeit!“

Er bekam ein Stipendium für Cambridge, Spezialgebiet Elementarteilchenforschung, und wurde Professor in Berlin. Alles lief auf den Nobelpreis hinaus, den dann 1979 Steven Weinberg erhielt – der sich ausdrücklich für die Vorarbeiten Hamprechts bedankte.

Pech oder doch Glück? „Bedürfnisse sind die geistige Visitenkarte des Menschen“, so seine Losung, und ihr gemäß definierte er fortan Erfolg anders.

Zu erforschen, was die Welt im Innersten zusammenhält, das war, im durchaus pathetischen Sinn, noch immer sein Anliegen, aber mit dem Ehrgeiz, die Physik jedermann erfahrbar zu machen.

Faust III, Heimkehr ins Bürgerliche. Erster Akt: Schöpfung der Homunculi. Denn dass hier zu Lande engagierter über die künstliche Erzeugung von Menschen als über den Mangel natürlich gezeugter Kinder diskutiert wird, reizte Bodo Hamprecht zum Widerspruch der sehr praktischen Art. Auf fünf Kinder wuchs die Familie an, was durchaus seinen Sinn hat, wenn man gemeinsam mit ihnen ein Haus bauen will.

Bodo Hamprecht arbeitete gern mit den Händen, und pflegte eine sehr zupackende Art zu denken – gerade in Fragen, die andere bevorzugt nebulös erörtern. Ganz obenan die von den Wissenschaften ad acta gelegte Sinnfrage.

These: Wenn in Esoterikkreisen Metaphysik auf denkbar niedrigstem Niveau betrieben wird, liegt es nicht an der Dummheit der Menschen, sondern am mangelnden Angebot. Also hielt Bodo Hamprecht Vorträge, wo und wann immer er konnte. Der vernünftige Umgang mit Religionen war ihm als Wissenschaftler und Anthroposoph wichtig; weniger, um zu erfahren, was man glauben soll, vielmehr um sich und andere daran zu erinnern, wie wenig man weiß.

Keine Denkvariante ächten, sich an Schmerzgrenzen herantasten, mit dem Kopf, dem Herzen und den Wanderschuhen. – Bodo Hamprecht suchte beim Bergsteigen durchaus das Risiko, das beherrschbare. Hinter sich die Kinder, nicht angeseilt, und die durchaus nicht schwindelfreie Frau am Ende.

Willenskraft kann viel, aber nicht alles. Auch Bodo Hamprecht stieß gelegentlich an seine Grenzen, insbesondere in der Beherrschung der Querflöte.

Nicht alles, was man will, ist machbar. Was folgt daraus? Gibt es überhaupt Willensfreiheit? Selbstversuch Hamprechts: Man versuche einmal sich selbst zu beleidigen. Das gelingt nicht.

Was folgt daraus? Der Mensch ist mehr als ein biomechanisches Konstrukt. Jedes Ego will Respekt für sich selbst, und verdient Respekt und Förderung.

These: Wenn in einem Land mehr Geld für Hunde- und Katzenfutter als für Schulbücher ausgegeben wird, dann klafft eine Lücke zwischen Sinn und Verwendung des Wohlstandes.

Das gilt auch für die Universität. Drittmittel sind wichtig, aber wichtiger noch ist die Werbung für das Fach, das man vertritt. Denn Wissenschaft ist nicht langweilig. Es sei denn, sie wird von Langweilern betrieben. Und so brachte Bodo Hamprecht die Kinder an die Uni – was nicht nur den Kindern gut tat.

Er organisierte Stippvisiten für Schüler, um sie mit der modernen Physik vertraut zu machen, und er stand seinen Studenten bei. Während der Proteste im Herbst 2003 brachte er an der Kuppel des Reichstags ein Transparent an: „Bildung ist gut“. Er hielt nächtelang Vorlesungen, und löffelte mit den Protestierenden die Suppe aus dem Topf, den er zuvor mit seiner Frau auf dem Flohmarkt erstanden hatte. Mehr Reputation hätte auch der Nobelpreis nicht gebracht.

Was man hinterlässt, ist zählbar bei jenen, die es auf Erfolg angelegt haben, und unschätzbar bei jenen, die etwas anderes gesucht haben. Denn was heißt das: Gut leben? Ein Mercedesstern auf dem Grabstein? These: Gut gelebt hat, wer die Menschen seiner Umgebung einsam zurücklässt, aber auch glücklich.

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