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Wirtschaft: Boeing bleibt am Boden

Die US-Firma wird vom europäischen Konkurrenten Airbus überholt – doch der deutschen Luftfahrt hilft das nicht

Berlin (fw). Im Wettkampf um die Aufteilung des weltweiten Flugzeugmarkts wird der europäische Hersteller Airbus den großen USKonkurrenten Boeing laut Prognosen 2003 erstmals überholen. Airbus plant, im nächsten Jahr „mindestens 300 Flugzeuge“ auszuliefern, sagte Rainer Hertrich, Geschäftsführer der Muttergesellschaft European Aeronautic Defence and Space Company (EADS), am Mittwoch in Berlin. Der langjährige Marktführer Boeing erwartet 2003 nur noch die Auslieferung von 275 bis 285 Jets, wie das Unternehmen am Mittwoch bekannt gab. In diesem Jahr geht Boeing noch von der Lieferung von 380 Flugzeugen aus.

Erst diese Woche hat Airbus einen Kampf gegen Boeing gewonnen: Die größte Billig-Fluggesellschaft Europas, Easyjet, gab den Europäern den Zuschlag beim Kauf von 120 Kurzstreckenfliegern des Typs A 319, eine Option für weitere 120 Maschinen wurde unterzeichnet. Seit Monaten hatten Boeing und Airbus um den Großkunden gekämpft. Der Auftrag von Easyjet ist auch strategisch für Airbus wichtig – denn das ist der erste Schritt, um bei den Billigfliegern die dominierende Boeing 737 abzulösen.

Boeing verkündete auch enttäuschende Quartalszahlen: Der Gewinn des Konzerns fiel im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahrszeitraum um 43 Prozent auf 372 Millionen US-Dollar, von 650 Millionen Dollar im Vorjahresquartal. Der Gesamtumsatz des Unternehmens fiel um eine Milliarde Dollar auf 12,7 Milliarden Dollar.

Delta storniert Aufträge

Boeing leidet wie die gesamte Luftfahrtindustrie darunter, dass die Nachfrage nach zivilen Flugzeugen infolge der Konjunkturflaute stark zurückgegangen ist. Die Anschläge vom 11. September haben die Krise verschärft: Allein in den USA sind die Passagierzahlen seitdem um 30 Prozent gesunken. Eine US-Fluggesellschaft nach der anderen meldet ihre Pleite – also werden auch weniger Flugzeuge bei der Industrie bestellt. Davon ist Boeing wegen ihrer Fokussierung auf den US-Markt noch weitaus mehr als die europäische Airbus betroffen. Am Mittwoch stornierte Delta Airlines, die drittgrößte US-Fluggesellschaft, einen Boeing-Auftrag von 29 Maschinen im Wert von 1,3 Milliarden Dollar.

Boeing hat im vergangenen Jahr bereits 30 000 Stellen abgebaut. Und die Aussichten sind weiter schlecht: Im Gesamtjahr soll der Umsatz auf 54 Milliarden Dollar von 58,2 Milliarden Dollar 2001 zurückgehen. Für das kommende Jahr rechnet Boeing nun nur noch mit einem Umsatz von 50 Milliarden Dollar. Bisher war der in Chicago ansässige Konzern von 52 Milliarden Dollar Umsatz für das Jahr 2003 ausgegangen.

Personalabbau in Deutschland

Die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie steckt ebenfalls in der Krise. Nach den Entlassungen bei Cargolifter und dem Regionalflugzeugbauer Fairchild Dornier steht ein weiterer Arbeitsplatzabbau bevor. „In den vergangenen zwölf Monaten haben wir rund 3000 Arbeitsplätze verloren“, sagte Hertrich, der auch Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) ist, am Mittwoch. „Wenn sich das Wirtschaftswachstum nicht bessert, wird es einen weiteren Beschäftigungsabbau geben“, kündigte Hertrich an.

Das Stimmungsbild in der Branche bestätige die schlechte Lage. Bei 63 Prozent der befragten BDLI-Unternehmen habe sich die Stimmung gegenüber dem Vorjahr verschlechtert, 50 Prozent erwarten niedrigere Umsätze. Weniger Arbeitsplätze plane fast jedes dritte Unternehmen, nur jedes fünfte gehe von Neueinstellungen aus, berichtete Hertrich. Trotz der aktuell schwierigen Lage rechnet Hertrich mittelfristig wieder mit einem Anstieg der Passagierzahlen in der Luftfahrt um jährlich fünf Prozent. Die deutsche Luft- und Raumfahrtbranche ist extrem von der zivilen Luftfahrt abhängig. Rund 80 Prozent des Umsatzes werden dort erwirtschaftet, lediglich 20 Prozent kommen aus dem militärischen Sektor.

Von der rot-grünen Koalition forderte Hertrich, die Zusagen zum geplanten Militärtransporter A400M „endlich zu erfüllen“. Der BDLI erwarte in den nächsten Wochen den Startschuss. Der Kauf von 73 Transportflugzeugen dieses Typs ist derzeit in der Regierung noch umstritten.

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