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Wirtschaft: Boeing-Chef Condit fliegt

Zahlreiche Skandale beschädigen die Führungsspitze / Ehemaliger Hewlett-Packard-Chef als Nachfolger benannt

New York/Berlin (pf/fw). Eine Woche nach der Entlassung seines Finanzdirektors hat der amerikanische Flugzeughersteller und Rüstungskonzern Boeing auch Vorstandschef Phil Condit den Laufpass gegeben. Das Direktorium habe nach reiflichen Überlegungen entschieden, dass der Konzern eine neue Führungsstruktur benötige, teilte Boeing am Montag mit. Boeing war im vergangenen Jahr in etliche Skandale hineingerutscht. Zu Condits Nachfolgern wurden mit sofortiger Wirkung Lewis E. Platt als Vorsitzender des Verwaltungsrates und Harry C. Stonecipher als Unternehmensführer berufen. Stonecipher war 2002 in den Ruhestand getreten, nachdem er bei Boeing mehrere führende Positionen bekleidet hatte. Platt, früherer Chef des Computerherstellers HewlettPackard, sitzt seit vier Jahren in Boeings Verwaltungsrat. Bei beiden dürfte es sich um Übergangslösungen handeln.

Finanzchef Michael Sears war schon vorige Woche entlassen worden, wegen „unethischen Verhaltens“. So hat er die Rüstungsexpertin Darleen Druyun als Beraterin eingestellt, obwohl diese zu der Zeit noch für das Pentagon gearbeitet hatte und damit Einfluss auf Vertragsverhandlungen nehmen konnte. Im Zentrum des Falles steht ein bislang noch nicht endgültig vergebener Auftrag der US-Luftwaffe über Kauf und Leasing von Boeing-767-Tankflugzeugen im Wert von 22,4 Milliarden Dollar. Das US-Verteidigungsministerium hatte schon vor Monaten eine Untersuchung darüber eingeleitet, ob sich Boeing über Druyun Zugang zu Details der Airbus-Gegenofferte beschafft habe. Am Montag hatte Boeing auch Druyun entlassen, sie war im Januar in das Unternehmen gekommen. Vor dem Hintergrund der Entlassungen und auf Anordnung von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erwägt das Ministerium derzeit, die Unterzeichnung des Tankergeschäfts zu verschieben.

Im Frühjahr hatte der Konzern bereits einen Auftrag der US-Luftwaffe im Volumen von einer Milliarde Dollar verloren, nachdem herauskam, dass Boeing-Mitarbeiter im Besitz vertraulicher Dokumente des Rivalen Lockheed Martin Corp waren. Gegen zwei frühere Boeing-Mitarbeiter wird zurzeit strafrechtlich ermittelt. Nach dem Skandal hat die Air Force Boeing von weiteren Vertragsausschreibungen ausgeschlossen.

Aber nicht nur wegen der Skandale steht der Chef des ehemaligen US-Vorzeigeunternehmen Boeing in der Kritik. Dem Unternehmen geht es allgemein nicht besonders gut. Nach dem 11. September 2001 bekam Boeing noch größere Probleme als Airbus, weil vor allem die US-Luftfahrtgesellschaften in eine tiefe Krise gestürzt waren und viel weniger Flugzeuge bestellten. Im letzten Jahr verloren 30 000 Angestellte in der Zivilluftfahrtsparte ihre Jobs.

Aber manche Experten geben der allgemeinen Luftfahrtkrise nicht die alleinige Schuld am schwachen Geschäft, sondern auch der mangelnden Innovationspolitik von Boeing. Während Airbus schon fleißig am Großraumflugzeug A380 arbeitete, gab es bei Boeing lange kein Vorzeigeprojekt mehr wie einst den 747-Jumbo. Jetzt soll es zwar bald den 7E7 geben, der kleiner als der A380 ist, aber sehr sparsam fliegen soll. Allerdings wird die Entscheidung über den Bau des Flugzeugs erst nächsten Monat fallen.

Zudem hat Airbus seit diesem Jahr zumindest in der Zivilluftfahrt die Nase vorn: Das europäische Unternehmen wird den Konkurrenten Boeing in diesem Jahr das erste Mal bei der Auslieferung von Flugzeugen überholen – und bei Boeing befürchtet man, dass sich dies auf lange Sicht so bleiben könnte.

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