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Wirtschaft: Börse spekuliert auf die Insolvenz von Mobilcom

France Télécom entscheidet an diesem Donnerstag über einen Ausstieg

Berlin/Paris (sah/vis). Die Aktie von Mobilcom ist am Mittwoch erneut dramatisch abgestürzt. Das sei eine Reaktion auf die drohende Insolvenz des deutschen Mobilfunkanbieters, hieß es an der Börse. Für den Fall, dass France Télécom sich aus dem Unternehmen zurückziehe, werde Mobilcom umgehend Insolvenz beantragen, kündigte ein Unternehmenssprecher an. Es sei dann absehbar, „dass wir unsere finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllen können“. Mobilcom rechne allerdings mit einem Fortbestehen der Partnerschaft, sagte er weiter. Die Entscheidung über die Zukunft von Mobilcom fällt an diesem Donnerstag auf der Aufsichtsratssitzung von France Télécom.

Am Mittwochmorgen verlor die Mobilcom-Aktie zunächst mehr als 60 Prozent auf 1,78 Euro. Die französische Zeitung „Le Figaro“ hatte berichtet, der Aufsichtsrat von France Télécom werde sich gegen ein weiteres Engagement bei Mobilcom entscheiden. Andere Quellen meldeten jedoch, die Regierung sei dagegen, Mobilcom fallen zu lassen. Im Handelsverlauf konnte sich die Aktie etwas erholen. Bei Börsenschluss notierte sie bei 2,00 Euro – immer noch mit einem Minus von mehr als 55 Prozent.

Bereits seit einem halben Jahr streitet sich Mobilcom-Gründer und Ex-Vorstandschef Gerhard Schmid mit France Télécom öffentlich über die Strategie und die Finanzierung des Unternehmens. Die Franzosen halten 28,5 Prozent an Mobilcom. Schmid kontrolliert knapp 50 Prozent der Anteile. Gestritten wurde über den Ausbau des neuen UMTS- Mobilfunknetzes. Während Schmid hochfliegende Pläne hatte, wollten die Franzosen die Investitionen drosseln. Denn France Télécom drückt ein Schuldenberg von knapp 70 Milliarden Euro. Im Juni musste Schmid seinen Vorstandsposten räumen.

Seit Tagen spekulieren die französischen Medien nun, ob France-Télécom-Chef Michel Bon dasselbe Schicksal ereilen könnte wie Telekom-Chef Ron Sommer: ein mehr oder weniger erzwungener Rücktritt. Seit Mittwoch aber scheint sicher: Der 59-Jährige, der die französische Telefongesellschaft seit sieben Jahren führt, bleibt.

Bei der entscheidenden Aufsichtsratssitzung an diesem Donnerstag in Paris wird Bon zwei „heiße“ Themen präsentieren: Die Halbjahresbilanz des Konzerns, die ein Rekordminus von rund 15 Milliarden Euro aufweist, sowie ein Lösungsmodell für Mobilcom. Unter den Zuhörern der Sitzung werden nicht nur Vertreter der 1,7 Millionen verärgerten Kleinaktionäre von France Télécom sein, deren Papiere statt rund 200 Euro, wie vor zweieinhalb Jahren, nicht mal mehr elf Euro wert sind, sondern auch politische Schwergewichte. France Télécom ist noch zu 55,4 Prozent in Staatsbesitz, die Regierung hat also das letzte Wort.

Pariser Regierung diskutiert mit

In der Pariser Regierung werden derzeit sechs Wege aus dem finanziellen Desaster diskutiert: Eine Kapitalerhöhung um rund zehn Milliarden Euro, ein Regierungskredit an France Télécom, eine Bürgschaft für Bankenkredite in etwa gleicher Höhe, ein Teilverkauf der Mobilfunksparte Orange, der Kauf der übrigen 71,5 Prozent der deutschen Mobilcom oder der Verkauf der bisherigen Mobilcom-Anteile. Keines der Modelle ist unumstritten, keines verspricht die ideale Lösung, auch nicht die Kapitalerhöhung, die nach langem Hin und Her im Pariser Wirtschaftsministerium wahrscheinlich das Rennen machen wird. Sie zöge erneute Kursverluste der Télécom-Aktie nach sich und eine deutliche Verringerung der Dividenden-Ausschüttung an die Kleinanleger.

Offenbar will die Regierung von Jean- Pierre Raffarin den Weg des geringsten Widerstands gehen, berichten Berater. Das heißt: Bloß nicht bei der EU anecken, die sowohl einen staatlichen Kredit an das Unternehmen als auch eine Bürgschaft aus Wettbewerbsgründen ablehnen könnte. Zumal Experten eine solche Unternehmung als „Fass ohne Boden“ beurteilen. Offenbar reichen zehn Milliarden Euro nicht aus, France Télécom auf solide Beine zu stellen.

Aber auch mit Deutschland will man es sich nicht verderben: Ein Ausstieg der Franzosen bei Mobilcom würde zur Pleite des Unternehmens und zum Verlust von 5000 Arbeitsplätzen führen – und das kurz vor der Bundestagswahl. Frankreich, so verlautete im Umfeld von Raffarin, will die deutsch- französische Freundschaft pflegen. In Frage käme deshalb allenfalls der Kauf der restlichen Mobilcom-Anteile zu einem Kaufpreis von derzeit geschätzten 215 Millionen Euro.

Nicht zuletzt, weil kein Lösungsmodell ideal ist, scheint die französiche Regierung zunächst an Bon festhalten zu wollen. Zudem kann sie keinen passenden Nachfolger präsentieren und Raffarin hat eine „deutsche Lösung“ – nämlich einen Übergangschef – ausgeschlossen. Offen ist, ob Bon bereit ist zu bleiben. Er favorisiert inzwischen den Verkauf der Mobilcom-Anteile.

Allerdings streitet sich Großaktionär Schmid mit France Télécom noch über den Preis für die Aktien. Schmid hat den Franzosen wiederholt vorgeworfen, den Kurs zu manipulieren, um den Preis zu drücken. Bisher hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht keine Anhaltspunkte dafür gefunden. Es werde jedoch voraussichtlich eine formelle Untersuchung wegen Marktmanipulation geben, sagte eine Sprecherin des Amtes am Mittwoch. Dabei gehe es um eine Falschmeldung im Internet vom 22. August. Damals hatte die Nachricht, France Télécom habe ein Übernahmeangebot unterbreitet, einen Kurssprung ausgelöst.

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