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Wirtschaft: Börse: Um 15.35 Uhr löst sich in Frankfurt die Spannung

Irgendjemand auf der Galerie stellt um kurz nach halb vier den Lautsprecher auf. Auch in Frankfurt erklingt God bless America, live eingespielt von der Wall Street.

Irgendjemand auf der Galerie stellt um kurz nach halb vier den Lautsprecher auf. Auch in Frankfurt erklingt God bless America, live eingespielt von der Wall Street. Mit einem Mal verstummt das Stimmengewirr von Maklern und Journalisten auf dem Parkett. Nur das Rattern der Anzeigetafel ist zu hören. Manch einem der Börsianer läuft es kalt über den Rücken. Um kurz vor halb vier sind die Mienen hinter den Maklerschranken angespannt, überall rote Gesichter, gebannte Blicke auf die Monitore. Was macht die Wall Street? Wegen der langen Pause gibt es dort keine Future-Indizes, die zumindest den Trend erkennen lassen. Natürlich, die deutliche Zinssenkung der US-Notenbank noch vor der Eröffnung der Börsensitzung an der Wall Street nach vier Tagen "Terror"-Pause war ein gutes Zeichen. "Auch dass sie in Amerika die alten Bellheims wieder hervorgeholt haben. Und dass auch Milliardär Warren Buffett oder George Soros Aktien kaufen wollen", sagt Börsenmakler Bruno Kling. Aber trotzdem weiß niemand was passieren wird. Zum ersten Mal seit Oktober 1998 war der Dax am Vormittag unter die Marke von 4000 Punkten gefallen. 3893,56 genau, um 10 Uhr 09. Ein Minus von 132 Punkten gegenüber Freitag. Aber um 15.30 Uhr steht er schon wieder mit 62 Punkten im Plus. Warren Buffett und US-Notenbank-Chef Alan Greenspan sei Dank.

Noch müssen die Makler und Händler warten. Doch dann, nach zwei Schweigeminuten und Gesangeinlage, lässt der Jubel, das Geklatsche an der Wall Street auch die Mienen der Börsianer in Frankfurt wieder etwas freundlicher aussehen. In New York fallen die Kurse, um zwei, drei, dann um sechs Prozent. In Frankfurt löst sich die Spannung. Die Aktien bleiben im Plus, dann schießt der Dax um bis zu 115 Punkte nach oben. "Aber die Umsätze sind gering", wundert sich Kursmakler Rainer Roubal. Die Börse ist doch immer für Überraschungen gut. Ein Händler vor der Schranke sieht den Grund für das Plus in der abwartenden Haltung der US-Regierung. "Wenn es mit dem Gegenschlag noch länger dauert und wenn Bush moderat reagiert, sehen wir bald wieder 5000 Punkte". Allianz legt um 13 Euro oder fast sieben Prozent zu. Porsche saust in den Keller, um über 20 Euro oder sieben Prozent. Es gibt jetzt Wichtigeres als einen neuen Carrera.

Noch wird der Dow Jones auf der Basis von nur wenigen Aktien berechnet und der umfassendere S&P 500-Index fehlt noch ganz. Wieder macht sich etwas Unsicherheit breit. Das Plus im Dax schmilzt auf 44 Punkte zusammen. Aber die Händler werden lockerer. "Schließlich sagt einer, haben wir der Wall Street einiges voraus. Wir sind schon 15 bis 20 Prozent runter gegangen." Auch das gibt Raum nach oben. Die Wall Street liegt nur noch fünf Prozent im Minus. Und in Frankfurt schöpfen die Börsianer neuen Mut. Der Dax steht auf einmal mit 132 Punkten im Plus. Die alten, erfahrenen Börsianer warnen. "Wir haben noch Stunden, Tage, Wochen vor uns. Wer weiß was kommt." Und Alf Herforth, der als Kursmakler für die Lufthansa besonders viel zu tun hat, blickt über den Rand seiner Brille. "Ich schaue wie in eine Glaskugel. Es ist nichts zu sehen."

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