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BÖRSEN Ausblick: Nach der Talfahrt

Wie Börsianer auf den Nikkei-Einbruch reagieren.

Kaum ist sie da, schreien Skeptiker schon wieder Krise. Faktisch aber ist normal, was sich in den letzten beiden Börsentagen ereignet hat: Börsianer und Anleger haben nach zwölf Handelstagen mit täglich neuen Rekorden im Deutschen Aktienindex Dax Luft geholt – ausgelöst durch den Rückgang der Kurse an der Börse in Tokio, wo es am Donnerstag um satte sieben Prozent, mehr als 1000 Punkte, nach unten ging.

Es war der größte Kursverlust seit der Atomkatastrophe in Fukushima im März vergangenen Jahres und das Ende des seit Monaten andauernden Höhenfluges. Seit Jahresanfang hat das japanische Börsenbarometer Nikkei fast 50 Prozent zugelegt. Damit stiegen Risiko und Nervosität. Und die Meldung, dass es in China mit der Wirtschaft langsamer vorangehen könnte, sorgte für zittrige Hände.

Die Börsen rund um den Globus wurden von der Talfahrt in Tokio mitgerissen. Der deutsche Leitindex fiel um mehr als 200 Punkte. Auf Wochensicht hat der Dax damit rund 1,1 Prozent verloren. Zuvor hatte er vier Wochen in Folge gewonnen und war in der Spitze bis auf ein Rekordhoch von 8558 Punkten gestiegen. Am Freitag verabschiedete er sich mit einem Minus von 0,6 Prozent bei 8305 Punkten ins Wochenende.

Auch dem EuroStoxx50 und dem US-Leitindex Dow Jones hat der Rutsch am Donnerstag die Wochenbilanz verhagelt. Beide Indizes waren bis dahin ebenfalls vier Wochen in Folge auf Rekordjagd. Der Dow-Jones hatte noch am Mittwoch ein Allzeithoch von 15 542 Punkten markiert. Am Freitag konnte der Dow anfängliche Verluste wieder gutmachen und schloss mit einem hauchdünnen Plus von 0,1 Prozent bei 15 303 Zählern.

Die Börse kennt, was manche Anleger in guten Zeiten gerne vergessen, eben nicht nur eine Richtung. Es geht nach oben, aber auch nach unten. Wer langfristig denkt, für den sind solche Entwicklungen freilich normal. „Letzten Endes war der Einbruch ein Schuss vor den Bug zur richtigen Zeit“, sagt Marktstratege Tobias Basse von der NordLB. „Er hat gezeigt, dass der Aktienmarkt keine Einbahnstraße ist.“

Dennoch müssen sich die Anleger erst einmal von dem herben Einbruch an den weltweiten Börsen erholen. Und das dürfte noch einige Tage dauern, sagen Analysten. „Der Schock muss erst einmal verarbeitet werden“, sagt Basse. „Ich erwarte keinen neuerlichen Absturz der Märkte, aber neue Höchststände werden wohl nicht mehr so zackig aufeinanderfolgen.“ Solange die globalen Notenbanken die Märkte weiter mit Geld fluten, sei allerdings kein allzu starkes Verlustrisiko auszumachen. Alternativen zu Aktien seien schwer zu finden. Schwierig wird es nach Einschätzung von Marktstratege Carsten Klude von MM Warburg für die Börsen erst, wenn die Notenbanken den Fuß vom Gaspedal nehmen.

Börsianer und Volkswirte schauen sich die Wirtschaftsdaten derzeit sehr genau an. Eines fällt auf, wie Oliver Roth von Close Brothers Seydler betont: Börsen- und aktuelle Konjunkturdaten klaffen auseinander. Der Dax hat seit Jahresanfang fast zehn Prozent zugelegt, das Wirtschaftswachstum aber nur um 0,1 Prozent. So gesehen habe bereits eine „starke Übertreibung an den Börsen eingesetzt“.

Allerdings wird am Aktienmarkt die Zukunft gehandelt und die sieht allen Konjunktur-Prognosen zufolge besser aus. Zudem haben am Freitag der wichtige Ifo-Index und der nicht weniger relevante GfK-Konsumklimaindex zugelegt: Wirtschaft und Verbraucher verbreiten Zuversicht.

Skeptiker wie Eugen Keller vom Bankhaus Metzler verweisen dagegen darauf, dass der Börsenaufschwung allein „am Tropf der Notenbanken hängt“, die Unmengen billiges Geld in Umlauf bringen. Markus Reinwand von der Helaba spricht von einer „überfälligen Korrektur“. Die fundamentale Untermauerung der Kurse durch Unternehmenszahlen und Konjunkturdaten fehle. „Aktien sind nicht mehr gerade preiswert“.

Das Gegenteil behaupten die Experten der DZ Bank. „Aktien sind, insbesondere im Vergleich zu allen verzinslichen Anlagen, noch immer günstig bewertet.“ Dies glaubt auch Jan Gengel von der Weberbank. In den Dax seien im Gegensatz zu Indizes an wichtigen Börsen die Dividenden eingerechnet. Ohne die Ausschüttungen aber liege der Index immer noch 30 Prozent unter seinem Hoch aus dem Jahr 2000. Mit anderen Worten: Das deutsche Börsenbarometer hat immer noch einiges aufzuholen. Trotzdem zeigt die Vielfalt der Meinungen, dass die Vorsicht wieder größer geworden ist. mit rtr

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