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Wirtschaft: Börsen rechnen mit der Ölkrise

Der Ölpreis steigt weiter – doch Ökonomen erwarten bisher kaum negative Folgen für die Konjunktur

Berlin - Gesunkene Benzin- und Ölvorräte in den USA haben die Spekulationen über eine mögliche Ölkrise am Mittwoch erneut angefacht. In New York kostete ein Barrel (159 Liter) Leichtöl zum Handelsschluss 72,17 Dollar – ein neuer Rekord. Die europäische Leitsorte Brent notierte auf historischem Höchststand bei 73,34 Dollar. An den Börsen wird auch wegen des schwelenden Atomstreits mit dem Iran nicht mit einer schnellen Entspannung gerechnet. Bei Lieferverträgen für die kommenden Monate geht der Barrelpreis bis auf fast 75 Dollar. Nimmt man die heute gehandelten Kontrakte für die nächsten Jahre ernst, dann fällt der Ölpreis erst im Sommer 2009 wieder unter 70 Dollar.

Die meisten Ökonomen machen sich trotzdem noch keine großen Sorgen. Ein hoher Ölpreis schade der deutschen Wirtschaft auf Dauer nicht, sagte Gustav Horn, Wissenschaftlicher Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). „Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die deutsche Wirtschaft anders als noch in den 70er und 80er Jahren, in denen eine Rezession aus dem Ölpreisschock entstand, relativ gut mit den Folgen höherer Ölpreise umgehen kann.“

Außerdem liegt der aktuelle reale Preis für Öl – also wenn man die Inflation, die auch andere Produkte des täglichen Lebens verteuert hat, herausrechnet – noch unter den Rekordständen Anfang der 80er Jahre (siehe Grafik).

Und ob die Preise, die derzeit an den Börsen nur auf dem Papier stehen, Realität werden, ist auch fraglich. Klaus Matthies, Ölexperte am Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA), sieht hier eine gewisse Übertreibung. Er halte noch an der jüngsten Prognose fest, wonach der Ölpreis im Jahresverlauf wieder in Richtung 60 Dollar geht. Doch der Unsicherheitsfaktor bleibt Iran. „Wenn man sich die Äußerungen des iranischen Präsidenten anhört, dann schwinden die Chancen auf eine Entspannung“, sagte Matthies dem Tagesspiegel.

Der Iran kontrolliert mit der Straße von Hormus, dem Ausgang des Persischen Golfs, ein für den internationalen Ölhandel wichtiges Nadelöhr. Etwa 17 Millionen Barrel werden hierdurch täglich per Tanker transportiert – mit Öl aus diversen Golfanrainern vom Irak über Kuwait bis zum Iran selber. Die Menge entspricht in etwa einem Fünftel der weltweiten Ölförderung.

„Wenn die Straße von Hormus blockiert wird, dann hätten wir ein großes Versorgungsproblem“, sagte HWWA-Experte Matthies. Physisch werde es zwar dank der angelegten Reserven zunächst keine Engpässe geben, psychologisch wäre die Wirkung aber verheerend. „Die Marke von 70 Dollar werden wir dann weit hinter uns lassen.“ Öl werde 80 Dollar und mehr kosten. Eine genaue Prognose sei aber nicht zu machen. „Extreme Preise würden sich jedoch nicht lange halten“, sagte Matthies. „Schließlich muss die ja auch jemand bezahlen.“ Er erwarte in dem Fall einen starken Nachfragerückgang und in der Folge wieder sinkende Preise.

Trotz der Unruhe an den Ölmärkten blieben die Benzinpreise an deutschen Tankstellen am Mittwoch stabil. Ein Liter Super kostete im bundesweiten Schnitt am Mittag 1,33 Euro – so viel wie am Dienstag und etwa drei Cent weniger als vergangene Woche. Den Grund sehen Experten in dem hohen Wettbewerbsdruck. Nach Erhebungen des Fachblatts Energieinformationsdienst (EID) liegen die deutschen Nettopreise nur auf Platz 18 in einem Vergleich von 25 europäischen Ländern. Der Zapfsäulenpreis liegt jedoch wegen der relativ hohen Steuern auf Platz fünf.

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