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Wirtschaft: Börsenfieber: Jugendliche zocken in der rechtlichen Grauzone

Während sich Politiker und Bildungsexperten darüber beklagen, dass Kinder und Jugendliche an Deutschlands Schulen zu wenig über die Zusammenhänge zwischen Wirschaft, Börse und Finanzmärkten erfahren, hat das Börsenfieber längst auch die Teenager erfasst. Das Sparbuch hat ausgedient.

Während sich Politiker und Bildungsexperten darüber beklagen, dass Kinder und Jugendliche an Deutschlands Schulen zu wenig über die Zusammenhänge zwischen Wirschaft, Börse und Finanzmärkten erfahren, hat das Börsenfieber längst auch die Teenager erfasst. Das Sparbuch hat ausgedient. Nach einer Studie des Instituts für Jugendforschung in München besitzen derzeit immerhin rund acht Prozent der 15- bis 17-Jährigen Aktien oder Fondsanteile - Tendenz steigend. Für Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) ist das zunächst einmal eine positive Entwicklung: "Ich halte es für sinnvoll, Jugendliche an das Geschehen an der Börse heranzuführen."

Auch die Geldhäuser - allen voran die Direktbanken - freuen sich über das wachsende Interesse der Jugendlichen am Wertpapiergeschäft. So lockt die Deutsche Bank Kinder mit einem neuen Internet-Taschengeldkonto ins Netz. Unter www.4KidZ.de könnten Kinder mit Hilfe der Bank "altersspezifische" Produkte wie Computerspiele, Sport- oder Schulartikel eigenständig einkaufen und bezahlen, teilte die Konzerntochter Deutsche Bank 24 am Montag mit. Zusammen mit dem Portalbetreiber KidZ Vision AG starte das größte deutsche Kreditinstitut das erste Projekt dieser Art in Europa. Zielgruppe sind Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren.

Heikle Haftungsfragen

Bei der Direkt Anlage Bank werden derzeit gut vier Prozent der Aktien- und Fondsdepots von Minderjährigen geführt. Zum Teil werden die Jugenddepots von den Eltern nur eröffnet, um steuerliche Vorteile zu nutzen. Der Grund: Wer frühzeitig Vermögen an seine Kinder überträgt, kann alle zehn Jahre die für die Erbschaftsteuer geltenden Freibeträgen in vollem Maß ausnutzen. Überdies lässt sich auf diese Weise elegant der Spielraum für Zinserträge und Spekulationsgewinne erweitern, weil Kinder nicht steuerpflichtig sind, sofern ihr Jahreseinkommen nicht allzu weit in den fünfstelligen Bereich rutscht.

Nicht wenige Depots dienen jedoch dazu, dass Jugendliche erste Wertpapiererfahrung sammeln können. Dabei steht weniger der kontinuierliche Ertrag, sondern eher der Nervenkitzel der Spekulation im Vordergrund. Deutlich mehr als die Hälfte der jugendlichen Aktionäre sind nach Aussagen des Instituts für Jugendforschung am schnellen Gewinn interessiert - eine Beobachtung, die DSW-Sprecher Kurz bestätigen kann: "Jugendliche sind oft deutlich risikobereiter als Erwachsene." Für Eltern und Banken stellen sich indessen heikle Haftungsfragen, wenn im Namen des Nachwuchses Anlagerisiken eingegangen werden. Wer als Erziehungsberechtigter das Geld seiner Kinder verwaltet, muss nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Vorsicht und wirtschaftliche Vernunft walten lassen. Völlig unproblematisch sind nur die so genannten mündelsicheren Anlageformen wie Bankguthaben, Pfandbriefe oder Bundesanleihen. Wenn Eltern das Geld ihrer Kinder verzocken, kann ihnen das Vormundschaftsgericht die Verfügungsgewalt entziehen und die Anlageentscheidungen der Eltern auf risikoarme Anlageformen einschränken. Noch kritischer wird es, wenn Jugendliche in Eigenregie spekulieren. Bei Filialbanken wird normalerweise für jede Transaktion die Unterschrift des Erziehungsberechtigten gefordert - ein Vorgehen, das schon 1995 vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen vorgeschrieben wurde. Unklar ist bislang, ob sich auch Discountbroker daran halten müssen. Weil Aktienorders per Telefon oder Internet keiner Unterschrift bedürfen, müsste in solchen Fällen für jede Transaktion eine schriftliche Bestätigung der Erziehungsberechtigten eingeholt werden - für die schlanken Verwaltungen der Direktbanken ein Ding der Unmöglichkeit.

Großzügige Direktbanken

Trotz der offenen rechtlichen Fragen zeigen sich einige Direktbanken großzügig, wenn die minderjährige Klientel ein Depot eröffnen will. So werden etwa bei der Direkt Anlage Bank alle Risikoklassen außer Börsentermingeschäfte auch für Jugendliche freigeschaltet. Bei Comdirect ist eine Depoteröffnung erst bei Volljährigkeit möglich. Bei Entrium können keine Aktien, sondern nur Investmentfonds erworben werden - nicht unbedingt eine schlüssige Regelung, da so mancher Neue-Markt-Fonds in den letzten Monaten mehr Wert als eine europäische Standardaktie verloren hat. Die Banken, bei denen Onlinedepots im Namen von Minderjährigen eröffnet werden können, setzen auf das Verantwortungsbewusstsein der Eltern. Sowohl die Zugangs-Passwörter als auch die Transaktions- und Geheimnummern werden nicht an die minderjährigen Depotinhaber, sondern an deren Eltern geschickt.

Wer seinen Kindern den Zugang zum Depot ermöglicht, bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone. Rein theoretisch können Wertpapiergeschäfte von Minderjährigen zwar widerrufen werden, wenn die Zustimmung der Eltern nicht erteilt ist. Aber sollte es vor Gericht zu einem Präzedenzfall kommen, könnte die Bank unter Umständen mit Erfolg darauf verweisen, dass die Weitergabe von Zugangsdaten im Verantwortungsbereich der Eltern liegt und diese auch für missglückte Spekulationen haften müssen.

Tom Schoenenberger

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