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Wirtschaft: Börsenpläne der Bahn aufs Abstellgleis geschoben

Verkehrspolitiker weisen Konzernchef Mehdorn in seine Schranken – Er soll die Kontrolle über das Schienennetz verlieren

Berlin (fo). SPD und Grüne halten die Börsenpläne des Bahnchefs Hartmut Mehdorn für übereilt. Politiker beider Fraktionen rechnen nicht damit, dass die Bahn vor dem Jahr 2007 kapitalmarktfähig ist. Mehdorn hält das Unternehmen dagegen schon vor der Bundestagswahl im Herbst 2006 für börsenfähig. Nach Meinung der Regierungsfraktionen ist die Bedingung dafür aber nicht mehr zu erfüllen: Die Bahn müsse vor der Privatisierung mehrere Jahre schwarze Zahlen schreiben. Für 2004 rechnet die Bahn erstmals mit einem positiven Ergebnis.

Vertreter der Regierungsfraktionen beklagten am Freitag in Berlin den Druck, den der Bahnchef auszuüben versuche. Über die Teilprivatisierung der Bahn, so die bahnpolitische Sprecherin der SPD, Karin RehbockZureich, entscheide „das Parlament und nicht die Bahn AG“. Der grüne Verkehrspolitiker Albert Schmidt wurde deutlicher: „Wir tanzen nicht nach der Pfeife des Herrn Mehdorn.“ Er verwies den Bahnchef auf die „Rolle des Managements“. Mehdorn sei nicht der Eigentümer der Bahn.

Rot-Grün lehnt eine Vorfestlegung über den Zeitpunkt des Börsengangs ab. Das machten beide Politiker in Berlin deutlich. Umstritten zwischen ihnen und dem Bahnmanagement ist zudem die künftige Kontrolle über das Schienennetz. Rehbock-Zureich sagte, die Regierung setzt die Novelle des Eisenbahngesetzes nach ihren Vorstellungen durch, „auch wenn Herr Mehdorn nicht begeistert ist“.

Das Gesetz soll in der kommenden Woche vom Kabinett verabschiedet werden. In Zukunft wird es eine unabhängige Trassenagentur geben, die über die Nutzung der 36 000 Kilometer Schienenwege in Deutschland wacht. Die Agentur soll fairen Wettbewerb zwischen der Bahn und privaten Anbietern garantieren. Das Netz wird zwar in einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn geführt. Personelle Verflechtungen zwischen dieser Netz-AG und der Bahn-Holding dürfe es aber nicht mehr geben, sagte die SPD-Politikerin. Unter anderem soll Bahnchef Mehdorn seine Aufsichtsratsfunktion bei der Netz-AG aufgeben. Laut Schmidt muss der Staat aus verkehrspolitischen Gründen auch in Zukunft mittelbar oder unmittelbar Zugriff auf das Schienennetz haben. Denn der Bund habe auch eine „verfassungsrechtliche Verantwortung für das Schienennetz“. Bekannt gewordene Pläne, das Netz um mehrere Tausend Kilometer zu verkleinern, lehnen Grüne wie SPD ab. „Ich habe den Eindruck, dass das Netz dem Bedarf der Deutschen Bahn angepasst werden soll“, sagte Schmidt. Der Verkehrspolitiker lehnte es allerdings auch ab, dass „die Politik einzelne Verkehrsprojekte der Bahn diktiert“.

Unterdessen hat die Bahn Zahlen für das Geschäftsjahr 2003 bekannt gegeben. Trotz der Probleme im Fernverkehr wurde der Verlust mehr als halbiert. Das Minus beim Betriebsergebnis nach Zinsen schrumpfte auf 177 Millionen Euro, teilte die Bahn am Freitag nach einer Sitzung des Aufsichtsrats in Berlin mit. Ein Jahr zuvor waren noch minus 454 Millionen Euro ausgewiesen worden. Das vergangene Jahr sei ein „wichtiger Meilenstein auf unserem Weg zur Herstellung der Kapitalmarktfähigkeit“ gewesen, erklärte Bahnchef Mehdorn. Er bekräftigte, 2004 die Wende in die Gewinnzone schaffen zu wollen. Der Konzernumsatz stieg um 51 Prozent auf 28,2 Milliarden Euro. Grund für diesen enormen Zuwachs ist, dass die Speditions- und Frachttochter Stinnes erstmals voll in die Bilanz einbezogen wurde.

Nähere Angaben zu den Ergebnissen der einzelnen Sparten macht die Bahn erst am 13. Mai zur Bilanzpressekonferenz. Im Fernverkehr ging die Verkehrsleistung wegen Konjunkturschwäche, Billigflieger-Konkurrenz und wegen des Streits um das Preissystem um 4,7 Prozent auf 31,6 Milliarden Personenkilometer zurück. Im Nahverkehr legte die Verkehrsleistung dagegen um 3,4 Prozent auf 37,9 Milliarden Personenkilometer zu. Im Güterverkehr steigerte die Bahn ihre Leistung um 2,1 Prozent auf 74 Milliarden Tonnenkilometer. Am Jahresende wurden 243 000 Mitarbeiter beschäftigt.

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