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Wirtschaft: Bonn floriert auch ohne Regierung

Komplettumzug für fünf Milliarden Euro

Bonn - Für Martin Ogilvie ist klar, was ein vollständiger Umzug der Bundesregierung nach Berlin bewirken würde. „Es würde ein wichtiger Baustein fehlen, und das wäre mittelfristig nicht zu kompensieren“, sagt der Wirtschaftsförderer der Stadt Bonn. „Der Bund ist nach wie vor für viele Unternehmen wichtiger Auftraggeber.“ Dass eine Riesenkoalition von der Linksfraktion im Bundestag bis zu Niedersachsens CDU-Ministerpräsident Christian Wulff die „Bundesstadt“ für überflüssig hält, stößt am Rhein auf einhellige Ablehnung.

In Bonn mit seinen 200 000 Erwerbstätigen hätte der Umzug der verbliebenen 10 000 Ministerialen einen stärkeren Effekt als im zehnmal so großen Berlin, gibt Monika Hörig, Sprecherin der Stadt, zu bedenken. Dieses Argument lässt auch der Regionalökonom Kurt Geppert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gelten: Während der Jobgewinn für Berlin „fast unterhalb der Messgrenze“ bliebe, würden der Bonner Einzelhandel und Immobilienmarkt schrumpfen – vorausgesetzt, dass Bonn für den Verlust keinen Ausgleich vom Bund erhielte.

Dank solcher Kompensationen hat die rheinische Stadt den Verlust der Hauptstadtfunktion bisher gut verkraftet. 20 Behörden wurden nach Bonn verlegt, darunter das Bundeskartellamt und der Bundesrechnungshof. Außerdem bekam Bonn Ausgleichszahlungen. Zusammen mit der Kulturförderung des Bundes schätzt Geppert den „positiven Impuls“ auf 2,5 Milliarden Euro. In den früheren Abgeordnetengebäuden sitzen heute mehrere Uno-Behörden mit 600 Beschäftigten.

Mit 314 000 Einwohnern hat Bonn einen Bevölkerungsrekord erreicht. Seit dem Umzugsbeschluss im Juni 1991 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um sieben Prozent gewachsen – während sie bundesweit zurückging. Die Arbeitslosenquote ist mit 8,4 Prozent etwa halb so hoch wie die in Berlin. Der Durchschnittsbonner erwirtschaftet im Jahr 35 940 Euro, ein Drittel mehr als der Bundesdurchschnitt und die Hälfte mehr als der Berliner Wert. Büroleerstand ist in Bonn nahezu unbekannt. Gepperts Fazit: „Ökonomisch hat Bonn nicht unter diesem Umzug gelitten.“

Wichtigste Stützen der Bonner Wirtschaft sind die ehemaligen Bundesunternehmen Telekom, Post und Postbank, die an ihren Zentralen in Bonn 20 000 Menschen beschäftigen. Nach dem Börsenwert der ansässigen Unternehmen kommt Bonn in Deutschland auf Platz drei, noch vor Frankfurt am Main. Vor allem die Telekom-Zentrale hat eine Vielzahl kleinerer Unternehmen der Branche in die Stadt gezogen. Bonn profiliert sich zudem als Wissenschaftsstadt mit einer der größten Universitäten des Landes. Der Flughafen Köln/Bonn peilt in diesem Jahr zehn Millionen Passagiere an. Der einstige Regierungsflughafen ist zur Nummer drei der deutschen Flughäfen aufgestiegen, vor allem dank der Billigflieger.

Als letzten Trumpf kehren die Bonner das Hauptargument ihrer Gegner um: die Kosten der doppelten Hauptstadt. Laut Bundesrechnungshof kostet der Parallelbetrieb jährlich rund zehn Millionen Euro. Umziehen würde fünf Milliarden Euro kosten, für die weitere Zinsen anfallen würden. „Ein Komplettumzug käme teurer, als hierzubleiben“, fasst Wirtschaftsförderer Ogilvie zusammen.

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