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Wirtschaft: Brief aus Russland: Nicht kleckern, sondern klotzen - heißt die Maxime

Wie arbeitet man in Amerika und Afrika, wie legt man Geld in Japan oder Russland an? Fernab von den Nachrichten über Fusionen und das Auf und Ab der Börse berichten Korrespondenten immer sonntags über die Menschen hinter den Nachrichten - in Washington, Kapstadt, Tokio und Paris.

Wie arbeitet man in Amerika und Afrika, wie legt man Geld in Japan oder Russland an? Fernab von den Nachrichten über Fusionen und das Auf und Ab der Börse berichten Korrespondenten immer sonntags über die Menschen hinter den Nachrichten - in Washington, Kapstadt, Tokio und Paris.

Nicht kleckern, sondern klotzen - heißt die Maxime, der die russische Volksseele folgt. Auch und gerade bei Feiertagen. Fallen die auf einen Dienstag oder Donnerstag, wird die Arbeitswoche so geschoben, dass ein Kurzurlaub von vier Tagen daraus wird. Anfang Mai wird der Jackpott ausgeschüttet: 1. und 2. - Mittwoch und Donnerstag - sind staatliche Feiertage. Dienstag und Freitag werden blau gemacht, das nachfolgende Wochenende sowieso, und am 9. Mai steht mit dem Tag des Sieges ein weiterer Feiertag ins Haus.

Wer es sich leisten kann, fährt weg. Zu Zeiten der Union kamen dazu nur das Schwarze Meer und der Kaukasus in Frage. Heute kann Iwan Normalverbraucher sich schon für 300 Dollar an der türkischen Riviera oder auf den spanischen Balearen einen Sonnenbrand holen. Fast ebenso gefragt sind Kurzreisen nach Istanbul und diverse europäische Metropolen. Hier schlagen vor allem Shop-Touristen zu, die mit der dort erstandenen Billigware halb Russland mit Kleidung und Schuhen versorgen.

Ausgerechnet zu den Maifeiertagen aber ist Schluss mit lustig: Die EU hat für mehrere russische Flugzeugtypen wegen zu hohem Geräuschpegel Landeverbot verfügt. Betroffen sind der Airbus IL-86 und die TU-154, ein ältlicher Mittelstreckenjet, vom Staatscarrier Aeroflot bereits weitgehend ausgemustert, aber meist der einzige Typ, den sich kleinere, regionale Fluggesellschaften leisten können. Denen hat die Neuregelung das lang erwartete Mai-Geschäft zunächst mächtig verhagelt. Inzwischen gibt es Überlegungen, die Touris per Zug oder Bus durch halb Europa zu karren, wodurch die Preise weiter sinken. Und Touristik-Manager aus den Nicht-EU-Staaten am Golf und am Mittelmeer, scheuen keine Mühe, von dem unerwarteten Kuchen ein möglichst großes Stück abzubeißen.

Das Beste ist für einschlägige Überzeugungsarbeit gerade gut genug - sie selbst. Charmant plaudert ein tunesischer Hotelkönig mit einer russischen Reiseagentin, die in einem der besten Moskauer Hotels gerade auf seine Kosten ein siebengängiges Menü abarbeitet. Seine türkischen Kollegen lassen die Herrinnen der Voucher lieber für eine Woche einfliegen. Niedere Chargen schaufeln derweil bereits zusätzliche Kapazitäten in den Bettenburgen von Djerba oder Kemer für die Russen frei.

Das Personal von Hotels und Restaurants hat zu der neuen Klientel ein gespaltenes Verhältnis: Die Russen seien mäkelig, Weltmeister im Krachmachen und ließen anderen beim Sturm auf das Kalte Büfett keine Chance. Anders als die knauserigen Europäer, würden sie jedoch nicht aufs Geld gucken. Halt nicht kleckern, sondern klotzen.

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