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Wirtschaft: Brüssel: Dosenpfand behindert Wettbewerb

EU-Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren ein / Umweltminister Trittin erwartet kaum Konsequenzen

Straßburg / Berlin (tog/msh). Die Europäische Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die deutschen DosenpfandRegeln eingeleitet. Darin überprüft Brüssel, ob das Rücknahmesystem ausländischen Getränkeanbietern den Zugang zum deutschen Markt erschwert. Das Verfahren wurde auf Vorschlag von EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein eingeleitet und von der Kommission einstimmig beschlossen, teilte die Behörde mit. Die Bundesregierung habe nun zwei Monate Zeit, die Bedenken auszuräumen. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) erwartet keine ernsten Konsequenzen durch das Verfahren.

EU-Kommissar Bolkestein fürchtet, dass die deutsche Verpackungsverordnung die Getränkeeinfuhren in Deutschland behindert. In Brüssel hat man vor allem Bedenken gegen das verwirrende deutsche Rücknahmesystem. Anstatt wie in Skandinavien ein einheitliches System einzurichten, gebe es hier viele unterschiedliche Rücknahmesysteme einzelner Händler. Besonders die Insellösungen der Discounter sind Bolkestein ein Dorn im Auge. Der Zugang zu diesem zersplitterten Entsorgungssystemen sei für ausländische Getränkeexporteure schwierig. In Brüssel befürchtet man zudem, dass das hohe Pfand von 25 Cent vor allem die kleinen grenznahen Getränkeexporteure behindert.

Bundesumweltminister Trittin begrüßte, dass die Kommission die strittigen Fragen ohne Einschaltung des Europäischen Gerichtshofes klären wolle. Trittin hob hervor, dass Brüssel keine grundsätzliche Bedenken gegen das Einwegpfand habe. Er gehe davon aus, dass er am Ende nur ,,Details“ an seinem System ändern müsse. Die Vorwürfe der Kommission wies er zurück. Trittin argumentiert, dass im Mineralwassermarkt, der mehr als 60 Prozent der Getränke-Importe nach Deutschland ausmache, die Einfuhren im ersten Halbjahr 2003 um 11,5 Prozent gestiegen seien. Der Importrückgang bei Bier hingegen könne nicht mit dem Dosenpfand erklärt werden, da auch der Konsum von Fassbier zurückgegangen sei. Alle Rücknahmesysteme sind laut Trittin auch für ausländische Getränkehersteller offen.

Die Prüfung durch die EU-Kommission hat vorläufig keine praktischen Auswirkungen auf die Pläne der Bundesregierung. Trittin will das Dosenpfand mit der Novelle der Verpackungsordnung auf andere Getränkesorten wie Saft erweitern. Gleichzeitig sollen die Mehrwegquoten, deren Unterschreitung die Einführung der Pfandpflicht ausgelöst hatte, abgeschafft und das Einwegpfand festgeschrieben werden. Brüssel hatte die Novelle bereits in der vergangenen Woche auf Eis gelegt und auf Anfang 2004 verschoben. Da die Novelle noch den Bundesrat passieren müsse, sei eine Verschiebung durch die EU-Kommission kein Problem, sagte Trittin.

Vertreter von Handel und Industrie, überwiegend erbitterte Pfandgegner, sehen sich durch das EU-Verfahren bestätigt. Der Handelsverband HDE forderte die Aussetzung des Pfandes. Kritik an der geltenden Pfandregelung übte auch die Opposition. Der Umweltpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Werner Paziorek, forderte Trittin zu Gesprächen auf. „Dabei müssen alle Alternativen zum Pflichtpfand auf den Tisch“, sagte er. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Umweltministeriums sind noch immer 75 Prozent der Verbraucher in Deutschland für das Einwegpfand. Gleichzeitig sind aber 70 Prozent der Befragten mit dem aktuellen Rücknahmesystem unzufrieden.

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