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Wirtschaft: Brüssel will Textilien aus China freigeben

EU-Handelskommissar schlägt Mitgliedstaaten Lösung vor: Quoten für 2006 sollen vorgezogen werden

Brüssel - EU-Außenhandelskommissar Peter Mandelson gibt den Forderungen des Textilhandels nach und lockert seine Importbremsen. Er hat am Montag in Brüssel vorgeschlagen, die Textilien aus China, die derzeit blockiert in den Zolllagern liegen, für den Import in die EU freizugeben. „Vorausgesetzt, die Mitgliedstaaten machen mit, kann die Ware bis Mitte nächsten Monats in den Läden ausliegen,“ sagte der britische EU-Kommissar, der wegen seiner restriktiven Textil-Importpolitik in den vergangenen Wochen vor allem in Deutschland ins Kreuzfeuer der Kritik geraten war.

Die endgültige Entscheidung, ob die Textilien aus Fernost für den Import freigegeben werden, liegt aber bei den EU-Mitgliedstaaten. Mandelson hofft jedoch, dass er in den nächsten Tagen im Kreis der 25 Regierungen eine qualifizierte Mehrheit für seinen Vorschlag erhalten wird – Details nannte er nicht. Fest steht aber, dass er die im Juni mit Peking ausgehandelten Importquoten nicht antasten möchte. Spekuliert wurde in Brüssel, dass die bereits bestellten Lieferungen auf das Quoten-Kontingent für 2006 angerechnet werden könnten. China drängt dagegen auf eine allgemeine Erhöhung der Importquoten.

In den Zolllagern stecken derzeit rund 70 Millionen Hemden, Pullover, Hosen und Kleider aus China fest, die zwar von den europäischen Textilhändlern schon bezahlt sind, aber in die EU nicht importiert werden durften, weil die Importquoten ausgeschöpft sind.

Die schweren Turbulenzen auf dem europäischen Textilmarkt waren ausgelöst worden, als zu Beginn des Jahres nach zehnjähriger Übergangszeit im weltweiten Textilhandel die bisher üblichen Quoten ausliefen. Die Folge: Chinesische Textilwaren überschwemmten in der ersten Jahreshälfte 2005 den EU-Binnenmarkt. China exportierte in den ersten drei quotenfreien Monaten 534 Prozent mehr Pullover, 413 Prozent mehr Hosen und 187 Prozent mehr T-Shirts in die EU. Insgesamt nahmen bis Juni die Textilimporte aus China um 130 Prozent zu und stiegen auf einen Wert von 8,65 Milliarden US-Dollar.

Während die deutschen Textilunternehmen schon längst ihre Produktion zum größten Teil ins Ausland verlagert haben, ist der Anteil der Textilproduktion im verarbeitenden Gewerbe in südlichen EU-Ländern wie Italien, Spanien und Portugal nach wie vor hoch. In Portugal zum Beispiel beträgt er fast 20 Prozent. Durch die Importflut aus China sind dort Hunderttausende von Arbeitsplätzen bedroht. Auf den massiven Druck der betroffenen Länder – darunter auch Frankreich – handelte Mandelson im Juni mit der chinesischen Regierung ein Abkommen aus, das eine freiwillige Exportbeschränkung der chinesischen Textilindustrie bei zehn Produktgruppen vorsieht. Schon Anfang August waren die vereinbarten Quoten jedoch in fast allen Kategorien ausgeschöpft. In den Zolllagern sammelten sich große Mengen von Waren an, die von den europäischen Handelsunternehmen schon vor der Quotenvereinbarung geordert worden waren und schon bezahlt sind.

EU-Außenhandelskommissar Mandelson reagiert jetzt auf die Klagen der Importeure, die Lieferengpässe und hohe Einnahmeverluste fürchteten. „Die europäischen Importeure und Einzelhändler dürfen nicht durch unsere Vereinbarungen bestraft werden. Sie tragen ja keine Schuld an der Lage“, sagte Mandelson am Montag. Aus diesem Grund schlägt er vor, die vor den Quotenvereinbarungen georderten Waren auch tatsächlich für den Binnenmarkt freizugeben – unabhängig von der mit Peking festgesetzten Quote.

An den im Juni in Schanghai ausgehandelten Vereinbarungen will Mandelson aber festhalten. „Das liegt im Interesse aller – der Europäer wie der Chinesen“, sagte der EU-Kommissar am Montag in Brüssel.

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