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© promo/Montage: Reinhäckel

Buchpiraterie: Die digitale Schatzinsel

iPad, E-Book-Reader oder Kindle: Lesegeräte für elektronische Bücher kommen auf den Markt. Medienkonzerne und Verlage sind bereit – die Piraten auch.

Von Anna Sauerbrey

Beim letzten Dan Brown ging es besonders schnell. Nur wenige Minuten, nachdem „The Lost Symbol – Das verlorene Symbol“ im September in den USA auf den Markt kam, war das Buch im Netz verfügbar – und zwar kostenlos. Der Download von 528 Seiten Mystery-Thriller, komprimiert sind das rund drei Megabytes, dauert mit einer schnellen Leitung nur wenige Sekunden.

Der Musikindustrie ist das Problem zur Genüge bekannt. Statt CDs zu kaufen, nutzen viele Konsumenten lieber die illegalen, aber kostenlosen Musiktauschbörsen im Internet. Das Dateiformat MP3 hat es möglich gemacht, Musik in Sekundenschnelle herunterzuladen und auf Abspielgeräten überall mit hinzunehmen. Eine ähnliche technische Revolution kündigt sich zurzeit für das Buch an. Gerade startete in den USA unter fast hysterischer Aufmerksamkeit der Verkauf von Apples iPad, das neben Lesegeräten wie dem Kindle von Amazon oder dem Sony-Reader das Lesen von Büchern am Bildschirm komfortabler machen soll. Allein am Ostersamstag, dem ersten Verkaufstag, seien USA-weit mehr als 300 000 iPads und 250 000 elektronische Bücher verkauft worden, teilte Apple am Montag mit. Die Verlage sehen neue Absatzmöglichkeiten, aber sie befürchten auch die Zunahme der Piraterie. „In diesem Jahr werden Geräte auf den Markt kommen, die eine hohe Lesequalität bieten. Damit wird die Nachfrage nach digitalen Inhalten steigen – und auch das illegale Angebot“, sagt Alexander Skipis. Das Thema digitale Buchpiraterie steht inzwischen ganz oben auf der Agenda des Geschäftsführers des Börsenvereins des deutschen Buchhandels.

Bislang hat das digitale Buch und damit auch die Buchpiraterie die Massen in Deutschland nicht erreicht. Doch die Bekanntheit wächst rasant. Während 2009 einer GfK-Studie zufolge nur jeder Dritte etwas mit dem Begriff E-Book anzufangen wusste, waren es dieses Jahr schon die Hälfte der Befragten. 2,9 Millionen Deutsche wollen sich 2010 ein digitales Buch kaufen, hat der IT-Verband Bitkom ermittelt. Auf dem US-Buchmarkt, der dem deutschen nach Schätzungen der Verleger etwa zwei bis drei Jahre voraus ist, machen E-Books inzwischen zwei Prozent der verkauften Bücher aus, mit enormen Zuwachsraten. Tatsächlich hat hier auch die Piraterie stark zugenommen. Eine im Januar veröffentlichte Studie, die der Amerikanische Verlegerverband in Auftrag gegeben hatte, zählte allein für eine Liste von 913 Titeln neun Millionen illegale Downloads in wenigen Monaten. Potenzielle Umsätze von 2,75 bis drei Milliarden Dollar seien den US- Verlegern so entgangen, rund zehn Prozent des Gesamtumsatzes der Branche. Besonders betroffen waren Fachbücher.

Wie die Piraterie die Umsätze der Verlage in Deutschland beeinflussen wird, ist schwer vorherzusagen. Bislang sind bei den Publikumsverlagen keine Einbrüche zu erkennen, im Gegenteil. Im Krisenjahr 2009 kauften die Deutschen rund 400 Millionen Bücher, zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Schließlich bedeutet auch nicht jedes heruntergeladene Buch einen Verkauf weniger. „Ich bin sicher, dass viele Leute, die ein Buch herunterladen, es nie im Laden gekauft hätten“, sagt Frank Sambeth, Chief Operating Officer bei Random House. Dennoch schlägt der Börsenverein Alarm – mit ähnlichen Argumenten, wie sie von der Musikindustrie seit Jahren vorgetragen werden. „Das bisherige Geschäftsmodell, das es erlaubt, dass Autoren vom Schreiben leben können, ist gefährdet“, sagt Geschäftsführer Skipis und warnt vor einem Kulturwandel. Stark betroffen seien bereits die wissenschaftlichen Verlage in Deutschland, gerade bei den kleineren sieht er Existenzen gefährdet.

Hinter den Kulissen der Bücherwelt herrschen Verunsicherung und Geschäftigkeit. Der Börsenverein hat einen Arbeitskreis Piraterie eingerichtet, auch andere Verlage haben längst Strategien für den Umgang mit Piraterie entwickelt. Die Rezepte sind verschieden. Der Börsenverein will gleich zu Beginn der Massenverbreitung von Lesegeräten mit komfortablen und vor allem legalen E-Book-Angeboten auf dem Markt sein. Dazu wurde die Plattform Libreka gegründet, auf der zurzeit rund 20 000 deutschsprachige Bücher verfügbar sind. Auch Kopierschutztechniken für Buchdateien werden längst verwendet. Die Zahl der möglichen Kopien kann für digitale Bücher ebenso wie für Musikdateien technisch beschränkt werden. Das Fraunhofer Institut für IT-Sicherheit hat zudem ein Wasserzeichen entwickelt, das jede Datei mit Informationen über den Käufer versieht und sie so davon abhalten soll, die Dateien ins Netz zu stellen. „Der technische Kopierschutz ist alles andere als kundenfreundlich“, sagt Ronald Schild, Geschäftsführer der Vermarktungsgesellschaft des Börsenvereins. „Wir raten den Verlagen daher zum psychologischen Kopierschutz.“

Doch längst nicht alle Verlage folgen dieser Empfehlung. Die Random-House- Gruppe etwa setzt auf „harte“ Schutztechniken. Viele Verlage, wie etwa der internationale Wissenschaftsverlag Elsevier, beauftragen auch externe Dienstleister, Kanzleien, die das Netz nach Urheberrechtsverstößen scannen und Nutzer verwarnen. Im Fokus der juristischen Auseinandersetzung stehen aber die Betreiber der Tauschbörsen, von denen die Bücher heruntergeladen werden. Ende Februar hat das Landgericht Hamburg zugunsten von sechs internationalen Verlagsgruppen gegen Rapidshare entschieden, eine der meistgeklickten Websites überhaupt. Nun müssen die Betreiber 148 illegal angebotene Titel entfernen und verhindern, dass diese erneut hochgeladen werden. Die Plattformbetreiber argumentieren hingegen, sie seien nicht verantwortlich dafür, was die Nutzer einstellen.

Auch Dan Browns Verleger Random House ist in Sachen „Das verlorene Symbol“ aktiv geworden. Rapidshare hat, wie andere Anbieter auch, die Datei inzwischen gesperrt. Ältere Werke des Bestsellerautors sind aber nach wie vor frei im Netz verfügbar. Mit der richtigen Software und Suchmaschine ausgestattet, bekommt man den Thriller schnell auf den Bildschirm – ohne zu zahlen. Schön sieht die Raubkopie nicht aus, eine Texterkennungssoftware hat den Satz zerfetzt. Aber spätestens seit der Filmreihe „Fluch der Karibik“ ist ja allgemein bekannt, dass Ästhetik der Piraten Sache nicht ist.

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