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Schöner Schein?  Gekaufte Bewertungen versprechen mehr, als Hotels bieten.

© Getty Images

Buchungsportale im Internet: Das Geschäft mit den gefälschten Hotelbewertungen

Millionen von Nutzern greifen bei der Buchung ihrer Reise auf Tripadvisor und Co. zurück. Doch Hotels und Agenturen haben ihre Finger im Spiel.

„Mit der Lage am See hat man sofort ein tolles Urlaubsgefühl. Die Bedienung war nett, professionell und hatte viel Charme. Das Essen war ausgezeichnet, von der Vorspeise bis zum Dessert. Wir kommen wieder!“ So oder so ähnlich lesen sich die Bewertungen auf den gängigen Reiseportalen. Auf Plattformen, die Reisende nutzen, um das perfekte Hotel, Restaurant oder Erlebnis zu finden. Rund 390 Millionen Nutzer sind monatlich allein auf Tripadvisor aktiv und stöbern durch die 500 Millionen Bewertungen. Im Idealfall sind die Kommentare von vertrauenswürdigen Gästen verfasst. Manchmal aber auch von den Unternehmen selbst oder bezahlten Agenturen.

12,95 Euro kostet eine Tripadvisor-Bewertung bei Fivestar. Für 119,95 Euro bekommen Hotel- oder Restaurantbetreiber gleich zwölf. „Wir finden Menschen, die Ihr Produkt bzw. Ihre Dienstleistung zu schätzen wissen und garantieren Ihnen vollste Zufriedenheit mit den erhaltenen Bewertungen“, heißt es auf der Homepage. „Wir geben das Produkt über eine interne Plattform an rund 700 Produkttester weiter. Jeder, der dort angemeldet ist, kann eine Bewertung schreiben“, erklärt der Geschäftsführer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Anmelden kann sich jeder und verdient dann zwischen zwei und zehn Euro pro Bewertung. 20 bis 30 Mal. Dann fliegt er wieder aus dem Tester-Pool. Der Rotation wegen, sagt der Geschäftsführer. Rund 2000 Bewertungen pro Monat verkauft sein Unternehmen, das sich erst im April gegründet hat und im deutschsprachigen Raum aktiv ist. 30 Prozent davon im Bereich von Gastronomie und Tourismus. Die Kunden, die Fivestar kontaktieren, bekämen „von Natur aus fast nur schlechte Bewertungen“.

Ein Drittel der Bewertungen könnten gefakt sein

Ob die Tester von Fivestar tatsächlich vom Gegenteil überzeugt sind, können wohl nur sie selbst beurteilen. „Wir setzen da auf die Echtheits-Vermutung“, sagt zumindest der Geschäftsführer. Dass Produkttester und Rezensenten nicht befangen sind oder bestochen werden – das wäre per Gesetz strafbar –, könne durch die Reichweite und den großen Pool an Rezensenten garantiert werden. Dass sein Geschäft auf Betrug fußt, weist der Geschäftsführer zurück. Auf die Frage, wie viele Bewertungen auf den Portalen durch vergleichbare Unternehmen verfasst würden, antwortet er allerdings: „Es sind bestimmt insgesamt ein Drittel gefakt.“ Schön geschummelt.

Wie viel einem Unternehmen der Kauf von positiven Bewertungen bringt, kann keiner so richtig sagen. Fivestar selbst wirbt damit, dass ein Umsatzanstieg von durchschnittlich 30 Prozent möglich sei. Dass die Bewertungen für Verbraucher eine Rolle spielen, bestätigt auch Tobias Warnecke vom Hotelverband Deutschland. „2014 hat eine Umfrage ergeben, dass Hotelbewertungen für 50 Prozent der Reisenden ein wichtiges Merkmal sind. Ich gehe davon aus, dass sich das nicht geändert hat“, sagt er.

Zu den gefälschten Bewertungen fügt er hinzu: „Die Portale sind bemüht, Manipulationen zu vermeiden.“ Bei der Stiftung Warentest geht man davon aus, dass das auch weitgehend gelingt. „Klar gibt es sicher immer noch Agenturen, die Aufträge annehmen. Aber das ist nicht mehr so dramatisch“, meint Falk Murko von der Stiftung Warentest.

Anbieter versuchen, gefälschte Bewertungen zu erkennen

Zu der Zahl der gefälschten Einträge macht Tripadvisor keine Angaben. Generell seien Betrugsfälle selten. Holidaycheck spricht von Betrugsfällen im unteren einstelligen Bereich. Beide Unternehmen fahren im Kampf gegen gefälschte Kommentare eine zweistufige Strategie: Erst kommt der Computer, dann der Mensch. Ausgeklügelte Algorithmen sollen falsche Bewertungen anhand von Aktivitäts-Mustern erkennen. IP-Adressen oder wiederkehrende Floskeln etwa werden dafür gescannt. Meldet das System einen verdächtigen Beitrag, prüft im nächsten Schritt ein Mitarbeiter die entsprechende Bewertung. Alle Betrüger sollen entlarvt werden. So die Theorie.

„Natürlich ist kein System unfehlbar“, räumt Tripadvisor-Sprecherin Pia Schratzenstaller ein. „Aber die Masse an Bewertungen stellt sicher, dass der Einfluss eines einzelnen Reviews minimal ist.“ Nutzer würden ohnedies dazu tendieren, extreme Kommentare auszublenden und sie beim Lesen von Reviews zu ignorieren. „Wenn die User unsere Inhalte nicht nützlich und verlässlich fänden, würden sie nicht immer wieder auf Tripadvisor zurückgreifen“, argumentiert Schratzenstaller. Eine einzelne Bewertung verändere das Gesamtbild nicht. Betrug im großen Stil werde aufgedeckt.

Die Plattformen warnen selbst vor Betrügern

Ist ein Betrüger erst einmal entlarvt, wird er auf der Plattform mit einem Warnhinweis versehen. „Tripadvisor liegen hinreichende Gründe zur Annahme vor, dass Einzelpersonen oder Unternehmen, die mit diesem Unternehmen in Verbindung stehen bzw. ein Eigeninteresse an diesem Unternehmen haben, den Versuch unternommen haben, Bewertungen von Reisenden und/oder den Popularitätsindex für dieses Unternehmen zu manipulieren“, steht dann auf der Bewertungsseite des Betrügers geschrieben.

So etwa beim Hotel Winkelried in Stansstad, dem Zunfthausrestaurant Pfistern in Luzern oder dem Hafenrestaurant in Zug. Sie gehören zu den rund 30 Betrieben der Schweizer Remimag AG und Gamag AG, denen Tripadvisor zufolge nicht zu trauen ist. Sie haben betrogen, sagt die Plattform. Wir haben uns nur selbst geholfen, sagt Geschäftsleiter Florian Eltschinger. Was war passiert?

Das Luzerner Gastro-Unternehmen hatte seine rund 700 Mitarbeiter in einem Schreiben dazu aufgerufen, Dienstleistungen positiv zu bewerten. Ein mehrseitiges Dokument, das der SRF-Sendung „Kassensturz“ zugespielt wurde, zeigte die detaillierten Anweisungen: Spitznamen nutzen, keine Rückschlüsse auf den Betrieb zulassen, Tripadvisor speichert die IP-Adressen. Dazu Vorschläge für die Bewertungsüberschrift: „Best in town!!!“ „Toll auch für einen Light Lunch“ oder „Immer wieder eine Freude“.

„Der Onlinepranger ist der Pranger der Neuzeit. Irgendwas mussten wir doch machen“, sagt Geschäftsleiter Florian Eltschinger. Er hält sein Vorgehen für Notwehr und begründet es mit unberechtigten negativen Bewertungen, denen man als Unternehmen entgegentreten müsse.

„Wir haben schlechte Kommentare immer beantwortet. Aber dass Bewertungen teilweise nicht fair waren, hat keinen interessiert. Dagegen kann man nichts machen“, sagt er, auch wenn Tripadvisor gleichzeitig betont, dass das Unternehmen in solchen Fällen aktiv würde. „Wir haben ja keinen animiert, falsche Aussagen zu machen oder zu betrügen“, sagt Eltschinger entschuldigend. „Wir haben unsere Mitarbeiter lediglich gebeten, Bewertungen abzugeben, wenn sie unseren Service nutzen.“ Geschummelt ist auch das.

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