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Wirtschaft: Bürger wollen Hartz IV austricksen

Umfrage: Mehrheit würde Vermögen im Falle der Arbeitslosigkeit beiseite schaffen / Beratungsstellen melden Andrang Jobsuchender

Berlin – Mehr als die Hälfte der Bundesbürger würde versuchen, ihr Vermögen vor den Folgen der Arbeitsmarktreformen zu retten. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Bonner Europressedienstes im Auftrag der Zeitschrift „Focus Money“. Im Zuge der Hartz-Gesetze müssen Arbeitslose zunächst ihr Erspartes aufbrauchen, bevor sie Geld vom Staat bekommen. Nach einer Analyse des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) müssen zwar nur wenige Beschäftigungslose um Sparbücher, Lebensversicherungen oder Eigenheime fürchten. Die Freibeträge seien so bemessen, dass nur wenige Arbeitslose betroffen seien. Experten sehen aber einen ganz anderen Personenkreis, der nun beginnen könnte, sein Vermögen zu verstecken.

„Es geht um die Menschen, die in der Vergangenheit gut verdient haben und sich jetzt Sorgen machen, künftig ihren Arbeitsplatz zu verlieren“, sagt der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek. Diese Menschen könnten womöglich versuchen, ihr Vermögen ins Ausland zu schaffen oder eventuell vorhandene Lebensversicherungen auf ein ausländisches Institut zu übertragen. In der Schweiz oder in Luxemburg seien die Banken zwar an Vermögen unterhalb einer Grenze von 10000 Euro nicht interessiert, sagt Ondracek. „Aber in Österreich sind auch diese Beträge willkommen – und das wird auch passieren.“

Ohnehin hätten die Arbeitsagenturen zu wenig Kontrollmöglichkeiten, kritisierte Ondracek. „Die Agenturen kennen nur die Daten aus den Fragebögen. Über eine Einkommenshistorie, wie sie die Finanzämter haben, verfügen die Agenturen nicht.“ Zwar hätten die Behörden die Möglichkeit, konkrete Einzelauskünfte von den Finanzämtern zu verlangen – etwa über zurückliegende Steuerzahlungen eines Antragstellers. Hier sei es zulässig das Steuergeheimnis zu durchbrechen. Generelle Auskünfte verhindere aber das Steuergeheimnis. „Die Agenturen wissen weniger als die Finanzämter. Und über Geld, das ins Ausland geschafft wurde, wissen auch die Finanzämter nichts.“ Denn die Länder, die in Frage kommen – Schweiz, Österreich und Luxemburg – gäben noch immer keine Auskunft an die deutschen Steuerbehörden.

Tatsächlich bittet etwa beim Arbeitslosenzentrum in Frankfurt am Main plötzlich eine ganz neue Klientel um Beratung. „Jetzt kommen auch die Bankangestellten, die den letzten Entlassungswellen zum Opfer gefallen sind“, sagt Berater Harald Rein. „Die sind Mitte 50, haben 30 Jahre bei der Bank gearbeitet und gut verdient – die trifft es am stärksten.“

Was künftig mit ihrem Vermögen passiert, ob Eltern, Ehepartner oder Kinder bald für den Unterhalt aufkommen müssen, das seien die häufigsten Fragen der Menschen, sagt Rein. Sein Rat ist mitunter ungewöhnlich: „Überprüfen Sie für sich, ob Sie tatsächlich in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben, oder ob es sich nicht doch eher um eine Wohngemeinschaft handelt.“ Im ersten Fall könnte eine Unterhaltspflicht entstehen, im zweiten nicht. Viele wollen auch wissen, ob es Sinn macht, Geld abzuheben und in der eigenen Wohnung zu verstecken, oder Vermögen an Verwandte oder Freunde zu verschenken, um es vor dem Zugriff der Arbeitsagenturen zu bewahren. „Verschenken oder Spenden – das empfehlen wir nicht“, sagt Rein. Das Geld könnten die Behörden zurückfordern. Möglich sei jedoch, Geldvermögen, das über die Freibeträge hinausgeht, in ein Auto oder eine Eigentumswohnung zu investieren. Ein „angemessenes Fahrzeug“ etwa ist beim Empfänger von Arbeitslosengeld II nämlich nicht als Vermögen zu berücksichtigen.

Was aber angemessen ist, „hat noch keiner definiert“, sagt Marion Drögsler vom Arbeitslosenverband in Berlin. „Die Ausführungebestimmungen existieren noch nicht, und was angemessen ist, liegt im Zweifel im Ermessensspielraum des Bearbeiters.“ Insgesamt jedoch, sagt auch der Frankfurter Experte Rein, „haben die Kontrollmöglichkeiten der Behörden Lücken“. Details will er zwar nicht preisgeben. Doch auch Ondracek von der Steuergewerkschaft sagt, „Geld, das versteckt wird, ist für die Behörden kaum zu entdecken – es sei denn, man erhält Hinweise aus dem Umfeld der Betroffenen.“

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