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Wirtschaft: Bundesbank rügt Eichels Defizitpolitik

Finanzminister mahnt EU-Kommission zu „Augenmaß“/ Haushaltskommissarin Schreyer für Sparauflagen

Berlin/Brüssel (asi/msb/fw). Die Bundesbank hat Finanzminister Hans Eichel (SPD) aufgefordert, die Defizitgrenze des Stabilitätspakts ernster zu nehmen und 2004 unbedingt einzuhalten. „Um den Pakt als Garant einer stabilitätsorientierten Finanzpolitik nicht weiter zu beschädigen, müsste ein Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform mit umfassenden Konsolidierungsmaßnahmen verknüpft werden“, appellierte die Bundesbank in ihrem Monatsbericht für November. Die Glaubwürdigkeit des finanzpolitischen Regelwerks solle nicht gefährdet werden, indem Deutschland 2004 im dritten Jahr in Folge ein Defizit über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufweise.

Hintergrund der Warnung der Geldpolitiker ist die Auseinandersetzung der Bundesregierung mit der Brüsseler EUKommission. EU-Währungskommissar Pedro Solbes will am heutigen Dienstag die übrigen Kommissionsmitglieder zu einem Beschluss drängen, der Deutschland weitere Sparbeschlüsse abnötigt. Zwar will Brüssel die Deutschen nicht dazu drängen, schon im nächsten Jahr die Drei-Prozent-Hürde des EU-Paktes einzuhalten. Allerdings will Solbes die Deutschen verpflichten, rund 0,8 Prozent des strukturellen Haushaltsdefizits abzubauen. Die EU-Haushaltskommissarin, Michaele Schreyer, kündigte gegenüber dem Tagesspiegel am Montag bereits ihre Zustimmung zu Solbes’ Vorschlägen an. Sie halte die Auflagen genauso wie bei Frankreich für „intelligent, entschieden und ausgewogen“, sagte sie. Schreyer hofft, dass „Deutschland sich den Solbes’ Vorschlag sehr genau anschaut und alle Anstrengungen unternimmt, um beschleunigt den Weg zur Reduzierung des Defizits zu gehen“. Die dafür notwendigen Entscheidungen müsse die Bundesregierung durchsetzen.

Nach regierungsinternen Schätzungen würde der Abbau von 0,8 Prozent des strukturellen Defizits bedeuten, dass beim Bund, den Ländern und den Sozialkassen noch einmal vier Milliarden Euro eingespart werden müssten. Angesichts der enormen Haushaltsrisiken allein im Bundesetat hält das Finanzministerium in Berlin eine solche Sparrunde für wachstumsschädlich. Ein Sprecher Eichels mahnte die BrüssIeler daher am Montag zu „Augenmaß“. In diplomatischen Kreisen aus Brüssel hieß es am Montag, man hielte solche Vorgaben für „nicht gerechtfertigt“, und es sei ziemlich klar, dass man dies so nicht hinnehmen werde. Nächste Woche muss der Rat der Finanzminister über die Auflagen der Kommission entscheiden – dabei kann es durchaus sein, dass Frankreich und Deutschland eine Mehrheit von anderen Mitgliedstaaten davon überzeugen, gegen die Auflagen zu stimmen oder die Abstimmung erneut zu verschieben.

Die Bundesbank warnte die EU-Kommission vor zu viel Zurückhaltung im Defizitverfahren gegen Frankreich und Deutschland. Frankreich soll genauso wie Deutschland ein Jahr länger Zeit für ein Rückführen des Defizits unter drei Prozent eingeräumt werden gegen die Zusage, die konjunkturell bereinigte Neuverschuldung um einen Prozentpunkt abzubauen. „Generell mindert eine ,weiche’ Auslegung des Paktes die Glaubwürdigkeit des fiskalischen Regelwerks der Währungsunion und birgt mittel- und langfristig erhebliche Risiken", schreibt die Bundesbank. Angesichts hoher öffentlicher Verschuldung ohne strikte Gegenwehr werde es „für die Geldpolitik schwieriger, auf Dauer Preisstabilität bei niedrigen Zinsen zu gewährleisten".

Auch der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, reihte sich in die Verteidiger des Stabilitätspaktes ein. Im Zürcher „Tages-Anzeiger" sagte er: „Die Lage ist äußerst kritisch, keine Frage.“ Kommentare, dass der Stabilitätspakt keine Wirkung mehr zeige, gingen aber am Kern des Geschehens vorbei. Die Diskussionen um die Haushaltsdefizite seien „in der Tat nicht förderlich für die Entwicklung einer Stabilitätskultur in Europa“, sagte Issing.

Auch der CDU-Wirtschaftsexperte Matthias Wissmann forderte die Kommission auf, sich nicht dem Druck der Berliner Regierung zu beugen.

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