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Wirtschaft: Bundesländer bestehen auf längere Arbeitszeit

Die Positionen im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes sind festgefahren – Länder wollen Angestellte und Beamte gleichstellen

Berlin - Im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes beharren die Bundesländer auf längeren Arbeitszeiten für ihre Arbeiter und Angestellten. Der baden-württembergische Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) verlangt dazu eine Öffnungsklausel im Tarifvertrag. Baden-Württemberg hat rund 240000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst, davon sind 160000 Beamte, die derzeit 41 Stunden die Woche arbeiten. Für die 80000 Arbeiter und Angestellten gilt mehrheitlich noch der Tarifvertrag mit 38,5 Wochenstunden, doch bei Neueinstellungen setzt das Land auch für diesen Personenkreis in den individuellen Arbeitsverträgen die Arbeitszeit auf 41 Stunden hoch. Derzeit sind Stratthaus zufolge 10000 Beschäftigte davon betroffen. „Wir wollen die Belegschaft gleich behandeln und streben deshalb eine einheitliche Arbeitszeit von Beamten und Angestellten an“, sagte Stratthaus dem Tagesspiegel.

Für diese Sichtweise hat Brandenburgs Finanzminister Rainer Speer (SPD) Verständnis. „Wegen der Gerechtigkeit ist das Thema Arbeitszeit für die Westländer hochsensibel“, sagte Speer dem Tagesspiegel. In den östlichen Bundesländern schreibt der Flächentarif die 40-Stunden-Woche vor, im Westen sind es 38,5 Stunden. Vor einer Woche waren die Tarifverhandlungen zwischen den Ländern und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wegen des Konflikts um die Arbeitszeit gescheitert. Seitdem gab es in verschiedenen Bundesländern befristete Streiks. Die Länder haben angeboten, in zwei Woche die Verhandlungen fortzusetzen.

Zu den Kompromissaussichten äußerte sich der Potsdamer Finanzminister Speer skeptisch. „Der Konflikt ist festgefahren, ich sehe nicht, wie der auf dem Verhandlungswege zu lösen ist.“ Wie Stratthaus bleibt auch Speer angesichts der Streikaktionen von Verdi gelassen. „Die Gewerkschaften sind in einer schwachen Position, wenn die mit Streik drohen, zucken die Arbeitgeber doch nur mit den Schultern“, meinte Speer. Ob die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), der bis auf Berlin und Hessen alle Bundesländer angehören, diesen Tarifkonflikt überlebt, ist für Speer fraglich. „Die TdL ist ein ganz wackliges Gebilde, weil auch politische Süppchen gekocht werden.“ Damit sind vor allem die unionsregierten Länder Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen gemeint, die die Schwäche des Gegners nutzen und Verdi längere Arbeitszeiten aufpressen wollen.

Die Gewerkschaft lehnt das ab, weil eine längere Arbeitszeit zu mehr Arbeitslosigkeit führe. „Die Arbeitgeber wollen die Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben“, schimpft Verdi-Chef Frank Bsirske. Der Finanzminister Stratthaus bezeichnet dieses Argument „als auf den ersten Blick einleuchtend, aber völlig falsch“. In der privaten Wirtschaft hänge die Nachfrage nach Arbeit vom Preis ab, das heißt von der Lohnhöhe und der Arbeitszeit. Im öffentlichen Dienst sei eine längere Arbeitszeit wegen der Haushaltsnöte unverzichtbar. „Wir können uns vieles einfach nicht mehr leisten.“ Eine „Grundproblematik“ in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise sei die Verschuldung der öffentlichen Haushalte. Nach Einschätzung von Stratthaus „kann der normale Arbeitnehmer nicht auf Geld verzichten; aber es bringt keinen um, wenn er ein oder zwei Stunden länger arbeitet“.

Den Widerstand von Verdi erklärt sich der Stuttgarter Finanzminister mit der besonderen Situation im öffentlichen Dienst, wo die Beschäftigten „nicht gekündigt werden können“. Da dies in der Wirtschaft anders sei, gäbe es dort inzwischen auch Öffnungsklauseln zur Einführung längerer Arbeitszeiten und ferner eine weitgehende Flexibilisierung der Arbeitszeit. „Wenn sich die Verhältnisse so fulminant ändern, dann muss sich auch Verdi ändern“, sagte Stratthaus.

Alles in allem bewertet Stratthaus den Potsdamer Tarifabschluss vom Februar positiv. Damals hatte sich Verdi mit Bund und Kommunen auf eine umfassende Reform des öffentlichen Tarifrechts inklusive Abschaffung des verstaubten BAT geeinigt. „Der Abschluss hat gute, vor allem leistungsbezogene Elemente“, sagte Stratthaus dem Tagesspiegel. Doch eine Übertragung auf die Länder schließt er vor allem wegen der Arbeitszeit aus. Einen Tarifvertrag auf Basis der 38,5-Stunden-Woche „werden wir jedenfalls nicht machen“.

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