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Die Wirtschaft in Berlin wird noch lange eine Baustelle bleiben, glauben Experten.

© dpa

Bundesländerranking: Berlin auf dem letzten Platz

Berlin ist das Schlusslicht im Länderranking der arbeitgeberfinanzierten INSM. Daran ändert auch die hohe wirtschaftliche Dynamik nichts.

Berlin läuft. Und kommt doch nicht vom Fleck. In aller Kürze ist das der Schluss, der sich aus dem aktuellen Bundesländerranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ziehen lässt. In der jährlich aufgelegten Studie der arbeitgeberfinanzierten Organisation belegt die Hauptstadt Rang 16 – und damit den letzten Platz. Hauptursache dafür ist die hohe Arbeitslosigkeit. Nicht nur, dass die Hauptstadt mit einer Quote von derzeit 12,2 Prozent bundesweit einen traurigen Spitzenwert aufweist. Vor allem die Jugendarbeitslosigkeit von 13,4 Prozent im vergangenen Jahr macht den Initiatoren des Rankings – neben der INSM auch das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und die „Wirtschaftswoche“ – Sorgen. Der Wert ist doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. „Längst nicht alle Berliner nehmen am Wiederaufstieg der Bundeshauptstadt teil“, sagte INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr am Freitag bei der Vorstellung in Berlin.

Wiederaufstieg? Ja, denn auch das ist eines der Ergebnisse der Studie: Obwohl Berlin verglichen mit dem Vorjahr einen Platz im Gesamtranking verliert, zählt es zu den wirtschaftlich dynamischsten Bundesländern. In dieser Auflistung rangiert es hinter Brandenburg und Sachsen auf dem dritten Platz. Die Wirtschaftsleistung verbesserte sich zwischen 2008 und 2011 um 4,5 Prozent und damit drei Mal so stark wie der Bundesdurchschnitt. Auch die Zahl der Erwerbstätigen stieg überdurchschnittlich um 4,3 Prozent.

Dass der Aufholprozess aber noch ganz am Anfang steht, verdeutlicht der Blick aufs gesamte Bundesgebiet. Während die Beschäftigtenquote über alle Länder gesehen bei knapp 76 Prozent lag, hinkt Berlin mit knapp 67 Prozent deutlich hinterher. Das „neue Berlin“ sei das „Berlin der Kreativen und der Gutverdiener, die im Umfeld des Regierungssitzes aktiv sind“, sagte Michael Bahrke vom IW. Die Wirtschaftspolitik des rot-schwarzen Senats hält er für ausbaufähig. Großveranstaltungen wie Berlinale und Fashion Week und der Ruf der Gründerhauptstadt seien zwar gut und schön. Doch: „Was Berlin braucht, ist Wertschöpfung. Dafür ist ein Konzept erforderlich.“

Pellengahr wurde noch deutlicher. Der vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) geprägte Slogan „Arm, aber sexy“ sei zwar kokett. Für das Management einer Hauptstadt reiche das aber nicht aus. „Wenn Sie mal zu Fuß durch Berlin gehen, können Sie es deutlich sehen: Ganze Stadtviertel sind abgehängt.“

Wie die Berliner Wirtschaft die Studie sieht

Den Vorwurf der Konzeptlosigkeit kann zumindest der Berliner Mittelstand nicht nachvollziehen. „Wir stimmen uns eng mit der Politik und Arbeitsagentur ab, unter anderem um die Jugendarbeitslosigkeit zu reduzieren und Langzeitsarbeitslosen Chancen zu eröffnen, sich mittelfristig in den ersten Arbeitsmarkt einzugliedern“, sagte IHK-Präsident Eric Schweitzer. Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos für die CDU) wollte sich auf Anfrage nicht zu den Ergebnissen äußern.

Größeren Erfolg als Berlin bescheinigt die Studie der brandenburgischen Landesregierung. Zum dritten Mal belegte das Land Platz eins im Dynamikranking. Der Anteil der Erwerbstätigen stieg um 4,7 Prozent. „Brandenburg profitiert eben sehr stark vom Speckgürtel“, erläuterte Pellengahr mit Blick auf die angrenzende Bundeshauptstadt. Zudem habe das Land gute Universitäten und sei ein Tourismusstandort.

Auch die übrigen neuen Bundesländer wuchsen schneller als der Westen und Süden der Republik. Sie belegen mit Niedersachsen (Rang 6) die ersten sieben Plätze. „So hat sich die Arbeitslosenquote in der Zeit von 2008 bis 2011 in allen fünf ostdeutschen Flächenländern stark verbessert“, sagte Pellengahr. Trotzdem lägen Wirtschaftsleistung und Einkommen noch deutlich unter dem Niveau des Westens.

Besonders erfreulich hätten sich in den vergangenen Jahren Sachsen und Thüringen entwickelt. Als einzigen Ost-Ländern gelang es ihnen, sich vor einem westlichen Bundesland zu platzieren. Beide ließen den Stadtstaat Bremen hinter sich. Der Grund für den Erfolg liege in den Industrieclustern. So verfügt Sachsen traditionell über eine starke Metall- und Elektroindustrie. Thüringen punktet eher mit wissensintensiven Unternehmen, die sich um den Industriestandort Jena angesiedelt haben. Gemeinsam mit Bayern und Baden-Württemberg könne so in den kommenden Jahren ein neuer Industriegürtel entstehen.

Datengrundlage der Untersuchung sind den Angaben zufolge rund 100 Indikatoren wie Arbeitslosenquote, Einwohnerentwicklung oder auch Straftaten. Die Studie misst neben dem Dynamik-Ranking auch den Ist-Zustand der Länder. Hier liegt Bayern auf dem ersten Platz vor Baden-Württemberg und Hamburg. Bayern sei als Wirtschaftsstandort breit aufgestellt. Die geringste Dynamik wies der Südwesten auf. Allerdings handele es sich um eine krisenbedingte Momentaufnahme. „Wir reden hier von einem sehr, sehr hohen Niveau in Baden-Württemberg“, sagte Bahrke. mit dpa

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