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Wirtschaft: Bushs Wiederwahl drückt den Dollar

Euro-Wechselkurs nähert sich Rekordhoch von 1,2930 Dollar–EZB warnt vor steigenden Preisen

Berlin/Washington - Der Wertverlust des Dollar hat sich nach der Wiederwahl von George W. Bush zum US-Präsidenten beschleunigt. Ein Euro kostete am Donnerstag fast wieder so viel wie im Februar dieses Jahres, als die europäische Gemeinschaftswährung auf ein Rekordhoch von 1,2930 Dollar geklettert war. Am Abend lag der Wechselkurs bei 1,2861 Euro nur unwesentlich darunter. Die Europäische Zentralbank (EZB) bekräftigte am Donnerstag ihre neutrale Haltung und ließ den Leitzins im Euroraum unverändert. Experten erwarten, dass der Dollar in den kommenden Wochen weiter an Wert verliert.

Der amerikanische Ökonom und Berater früherer US-Regierungen, Fred Bergsten, rechnet damit, dass der Dollar um „mindestens 20 oder 30 Prozent“ nachgeben wird. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Euro 1,30 Dollar kostet und stärker als je zuvor sein wird“, sagte Bergsten dem Tagesspiegel. „Dann ist die Frage, ob er auf 1,40 oder gar bis 1,80 Dollar steigt.“ Alles hänge davon ab, wann die Bush-Regierung eingreife, so der US-Ökonom, der das Washingtoner „Institute for International Economics“ leitet. Die USA stünden vor ernsthaften Problemen wegen ihres erneut schnell wachsenden Außenhandelsdefizits. „Es wäre politischer Wahnsinn, das Außenhandelsdefizit und auch das Haushaltsdefizit noch vier Jahre weiter zu steigern – es sei denn, man will am Schluss einen Scherbenhaufen, sprich eine weltweite Rezession“, sagte Bergsten.

Nach Einschätzung der Deutschen Bank haben sich die Akteure am Devisenmarkt verspekuliert: Im Vorfeld der US-Wahlen hätten Investoren offenbar auf sinkende Euro-Kurse gewettet und sich massiv mit Verkaufspositionen für den Euro eingedeckt. „Die Hoffnung der Händler ging jedoch nicht auf“, schrieb die Bank. Viele hätten sich im Vorfeld der Wahl „zu weit aus dem Fenster gelehnt“. So seien Studien veröffentlicht worden, nach denen der Dollar nach Präsidentschaftswahlen oftmals profitiert habe. „Interessanterweise passierte das genaue Gegenteil – der Euro explodierte förmlich“, so die Deutsche Bank. Empirisch sei der Zusammenhang zwischen Wahlen und Wechselkurs nicht belegt. So habe der Dollar während der Amtszeit von Bush um 50 Prozent verloren. „Zurück zu den Fundamentaldaten“, fasste Trevor Dinmore, Währungsstratege der Bank, die Stimmung der Investoren zusammen.

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet äußerte sich am Donnerstag besorgt über den Anstieg der Verbraucherpreise im Euroraum. In den kommenden Monaten bleibe die Teuerungsrate über der Marke von zwei Prozent, sagte er nach der EZB-Ratssitzung. Die Inflationsentwicklung nannte er „Besorgnis erregend“. Auf mittlere Sicht erwarte die EZB jedoch trotz der hohen Ölpreise einen Rückgang der Teuerungsrate. Ende 2005 werde sie unterhalb von zwei Prozent liegen.

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