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Wirtschaft: „CDU/CSU zeigen erstaunliche Mutlosigkeit“

IW-Chef Hüther über Staatsschulden, die Sanierung des Haushalts und die Pläne der Union

Herr Hüther, Hans Eichel will 2007 fast 22 Milliarden Euro Schulden machen. Ist das ein Signal für Aufbruch und Reformen?

Nein. Es ist grotesk, dass die Regierung noch einen Etatentwurf vorlegt. Noch dazu einen, der Lasten in die Zukunft verschiebt und in dem von Nachhaltigkeit keine Rede sein kann. Es ist schlimm, wie sehr das Thema Konsolidierung aus dem Blick geraten ist – nicht nur bei RotGrün.

Seit Jahren stagniert die Wirtschaftsleistung. Sollte man da zusätzlich sparen?

An der Sanierung der Staatsfinanzen führt kein Weg vorbei, so unbequem sie ist. Schon jetzt zahlen wir jeden fünften Euro für den Schuldendienst. Und es kommen wegen der Alterung noch enorme Lasten auf uns zu. Schlimm ist, dass nicht nur der Bund, sondern auch die Länder in einer finanziellen Schieflage sind. Nur noch vier Länderetats sind verfassungskonform, die anderen werden nur durch Privatisierungserlöse zusammengehalten.

Kann man den Haushalt sanieren, ohne Sozialleistungen zu kürzen?

Das gehört dazu, ist aber nicht alles. Eine Menge kann man durch die Streichung von Subventionen erzielen. Die Liste der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück war 24 Milliarden Euro schwer, davon sind erst sieben Milliarden gekürzt. Man muss aber auch im Blick haben, was dieses Land an die EU überweist. Das sind noch einmal sieben Milliarden Euro.

Muss man die Renten kürzen?

Es gibt nur noch wenige Reformoptionen: Das Rentenalter muss auf 67 Jahre oder noch mehr steigen, und es müssen mehr Ältere beschäftigt werden. Man kann das Rentenniveau nicht beliebig kürzen. Wer jahrelang Beiträge eingezahlt hat, muss am Ende auchmehr bekommen als jemand, der nie eingezahlt hat und Sozialhilfe bezieht.

Wie sieht dieses Land aus, wenn eines Tages seine Finanzen saniert sind?

Das strukturelle Defizit liegt heute bei 80 Milliarden Euro. Das werden wir nur ändern, wenn alles, was privatisiert werden kann, auch privatisiert wird. Der Staat muss sich von Aufgaben trennen, und die Bürger müssen mehr Verantwortung übernehmen. Das bedeutet Studiengebühren, eine Pkw-Maut und individuelle Vorsorge für Alter, Krankheit und Pflege. Die Staatsquote würde am Ende dieses Prozesses von 47,5 auf etwa 43 Prozent sinken.

Welche Last trägt die Wirtschaft noch?

Die Wirtschaft darf nicht weiter belastet werden, sie schafft ja das Fundament für Wohlstand und Wachstum. Die Betriebe können nicht alle Probleme schultern, die sich aus der Lage der Sozialsysteme ergeben. Am Ende eines Reformprozesses werden wir aber mehr Wachstum, mehr Arbeit und wieder größere Verteilungsspielräume bei den Löhnen haben.

Sparen ist im Wahlkampf unsexy.

Mehr Wachstum, weniger Schulden, mehr Spielraum für Infrastruktur-Ausgaben – das wünscht sich jeder Politiker. Nur der Weg dorthin dürfte beschwerlich und bei keiner Partei beliebt sein. Die Finanzpolitik ist in den großen Parteien ein Randthema – das ist verantwortungslos.

Die Union will die Neuverschuldung des Bundes bis 2013 auf Null fahren.

Das Ziel ist wenig ambitioniert, das zeigt eine erstaunliche Mutlosigkeit. Es sieht so aus, als würde eine Regierung Merkel da weitermachen wollen, wo die Regierung Schröder voraussichtlich aufhören muss. Das reicht aber nicht. Was die Union vorgelegt hat, hilft den Finanzen nicht weiter.

Was halten Sie von der geplanten Erhöhung der Mehrwertsteuer?

Diesen Weg sollte man zur Haushaltssanierung gerade nicht gehen. Zum Einen, weil die Wachstumsschwäche so zementiert zu werden droht. Zum Anderen, weil so jeglicher Druck zum Sparen verschwindet. Angemessen ist es, wenn man die Mehrwertsteuer erhöhte und im Gegenzug die Sozialabgaben oder die direkten Steuern senkte. Das würde Arbeit verbilligen, Exporte begünstigen und das Investitionsklima verbessern.

Das Gespräch führten C. Brönstrup,

M. Döbler und U. Weidenfeld.

Michael Hüther

ist Wirtschaftsprofessor und Direktor des

Instituts der

Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Es wird in erster Linie von den Arbeitgebern

finanziert.

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