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Der Wirtschaftsrat in Berlin fordert mindestens 2000 öffentliche Wlan-Hotsspot im Innenstadtbereich.

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Update

CDU: Wirtschaftsrat möchte Berlin als "Digital-Health-Hauptstadt" etablieren

Der Verband fordert vom Senat Weichenstellungen für bessere Bildung, digitale Infrastruktur und Hochleistungsmedizin. Nicht jeder Punkt wird der Partei gefallen.

„Impulse für die Metropole der Zukunft“ fordert der Wirtschaftsrat der CDU von der Berliner Landespolitik. Mit Blick auf die Wahlen zum Abgeordnetenhaus, die (womöglich) am 18. September stattfinden, haben die Gremien des Unternehmerverbandes mit 1100 Mitgliedern in Berlin einen fünfseitigen Forderungskatalog ausgearbeitet. Das Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, liest sich wie eine Liste der Versäumnisse des Senats.

Im Fokus der stehen vor allem Themen aus dem Beritt des Stadtentwicklungssenators von der SPD. Aber - und das macht es zu mehr als einem Wahlkampfpapier: Auch für die amtierenden CDU-Senatoren gibt es demnach noch viel zu tun. Und womöglich auch für Datenschützer - würde der künftige Senat alle Punkte so umsetzen. In jedem Fall gibt es genügend Stoff für Diskussionen. Der Wirtschaftsrat will das Papier am Mittwoch in Berlin diskutieren.

Die Positionen sind in fünf Kernforderungen zusammengefasst: Erstens gelte es, die Digitalmetropole Berlin zu verwirklichen und die und die „marode Verkehrsinfrastruktur“ in Stand setzen. Konkret wünscht sich der Rat mindestens 2000 öffentliche Wlan-Hotspots im Innenstadtbereich.

Das bisher definierte Ziel des Senats lautet: 650 Hotspots bis Ende des Sommers. „Es reicht nicht, über Digitalisierung zu sprechen und nach acht Jahren Planung ein paar öffentliche W-LAN Hotspots einzurichten“, erläutert Lutz Lehmann, der Berliner Sektionssprecher der Rates. Er ist Geschäftsführer beim Hersteller von Heiz- und Kühltechnikanlagen Viessmann Werke in Rudow.

"Neue Impulse für Existenzgründungen und Start-ups setzen!“

„Um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, muss Berlin zur realen Digitalmetropole werden. Dafür brauchen wir mehr Glasfaser und Verbindungen im Gigabit-Bereich und Testfelder für den Mobilfunkstandard 5G.“ Diese Forderung, die auch Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) seit mindestens einem Jahr erhebt, können allerdings nur die Mobilfunknetzbetreiber umsetzen.

Die CDU-nahen Unternehmer fordern zudem die flächendeckende Einführung der E-Akte in der Verwaltung, geben dem Senat dabei aber überraschend viel Zeit - bis zum Jahr 2023. Womöglich aus Rücksicht auf den zuständigen Innensenator und CDU-Landesparteichef Frank Henkel.

Zudem beklagt der Verband, dass drei Viertel aller Brücken Berlins marode seien, für 39 würden Tempo- und Lastbeschränkungen gelten, heißt es. Es bestehe „dringender Handlungsbedarf“. Der Satz geht klar an die Adresse von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). Und an den Bund. "Die kritischsten Themen liegen in der Verantwortung von SPD-Ressorts wie die Bildungspolitik und die marode Verkehrsinfrastruktur oder in der Zuständigkeit der Senatskanzlei für die vernachlässigte Digitalisierung", sagt Lutz Lehmann. "Aber grundsätzlich hat der Senat und die große Koalition bei diesen Themen zu wenig bewegt."

„Gründerzeit stärken: Neue Impulse für Existenzgründungen und Start-ups setzen!“, lautet der zweite Punkt. Hier wünscht sich der Wirtschaftsrat eine bessere Vernetzung und Kooperationsmöglichkeiten von Unternehmen und Universitäten. Für letztere fordert er ein gemeinsames Gründerzentrum, um Kompetenzen zu bündeln, sowie ein universitäres Förderprogramm nach dem Vorbild des Exist-Gründungsstipendium des Bundes. Mit welchem Volumen bleibt offen. Start-up-Förderung hängt eng an der Infrastruktur.

"Wenn Berlin die Digitalisierung weiter verschläft, reicht es nicht, arm und sexy zu sein."

„Ohne schnelle Netze wird Berlin in Zukunft auch für Startups nicht mehr attraktiv sein“, meint Lehmann vom Wirtschaftsrat. „Wenn die Netze den Datenhunger der kreativen Gründer nicht mehr stillen können, dann gehen sie in Städte, die über eine bessere digitale Infrastruktur verfügen. Wenn Berlin die Digitalisierung weiter verschläft, reicht es nicht, arm und sexy zu sein."

Den meisten Raum in dem Papier nehmen Forderungen zur Bildung ein: 200.000 Menschen aus aller Welt lehren, forschen, arbeiten und studieren an den vier Berliner Unis, der Charité, den sieben Fachhochschulen, den vier Kunsthochschulen und zwei konfessionellen und mehr als 30 privaten Hochschulen, stellen die Autoren des Papiers fest. Zugleich hätten Berlins Schulen den letzten Platz im jüngsten Bildungsmonitor belegt, klagt der Wirtschaftsrat - und kritisiert damit indirekt Bildungs- und Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD).

Der Verband fordert er die Berufung 30 zusätzlicher IT-Professuren, was an eine 2015 gestartete Initiative von Tagesspiegel-Herausgeber Sebastian Turner erinnert, der insgesamt 100 IT-Professuren für Berlin fordert. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hatte sich diese Idee zueigen gemacht - mit der Einschränkung, dass es „vielleicht nicht ganz 100“ werden. Die CDU-Forderung nach 30 IT-Professuren wirken gemessen daran bescheiden.

„Digital-Health-Hauptstadt“

Zugleich adelt der Verband (wenn auch nur auf den ersten Blick) die Piraten-Partei mit der Forderung nach freiem und offenen Zugang („Open Access“) zu wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsergebnissen, um den „Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Gesellschaft zu fördern“. Von der Bereitstellung von Daten aus der Verwaltung, wie sie die Piraten fordern und wie sie von vielen modernen Metropolen von Stockholm bis Helsinki praktiziert wird, ist nicht die Rede.

Für die Schulen fordert der Wirtschaftsrat mehr Berufspraxis in den Rahmenlehrplänen, mehr Personal und höhere Sockelbeträge für jede Schule, um Sanierungen umzusetzen. "Der Zustand unserer Schulen ist beschämend. Wenn wir dazu nicht die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir auch die Flüchtlinge und Flüchtlingskinder in unser Bildungssystem integrieren, bekommen wir ein ernsthaftes Problem“, erklärt Sektionssprecher Lutz Lehmann.

Der Wirtschaftsrat möchte zudem Berlin als „Digital-Health-Hauptstadt“ etabliert sehen. 20.000 Patienten würden jedes Jahr in die Stadt kommen und für bis zu 150 Millionen Euro Umsatz sorgen. Die Unternehmer möchten, dass der Senat Berlin als führende „Medizintourismusdestination“ in aller Welt bekannter macht. Wichtig wäre auch ein Ausbau digitaler Kompetenzen in der Gesundheitswirtschaft. Konkret schlägt der Rat die Einführung einer digitalen Patientenakte an der landeseigenen Charité vor - „unter Beachtung einer pragmatischen Anwendung von Datenschutzrichtlinien“, heißt es. Bliebe abzuwarten, wie die Autoren des Papiers reagieren, sobald Ärzte „pragmatisch“ mit Daten ihrer Krankenakte umgehen.

Last and least möchte der Rat die Mobilität der Stadt vorantreiben: „Öffentlichen Personennahverkehr, E-Mobilität und Carsharing in Berlin zukunftsfest machen!“, klingt fast wie eine Empfehlung an einen grünen Koalitionspartner. So fordern die CDU-Unternehmer Investitionen in die ÖPNV-Infrastruktur, Lückenschlüsse im Netz, mobiles Internet in U-Bahnen, Bussen und Straßenbahnen, um deren Attraktivität zu steigern. Senat und Bezirke sollten Vorbild sein und selbst auf Elektroautos als Dienstwagen umsteigen, heißt es in dem Papier. Und Carsharing-Angebote sollen, insbesondere in den Außenbezirken, vorangetrieben werden.

Zumindest der Wirtschaftsrat scheint politisch zum Umsteigen bereit.

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