zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Chancen für arbeitslose "Senior Manager"

Berliner Förderprogramm des Landesarbeitsamtes und der Refa hat regen ZulaufVON VANESSA LIERTZGenau 16 Jahre war er "weg vom Fenster" gewesen, wie er sagt: Der Ingenieur Ralf Claussnitzer hatte bis 1994 für die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) im afrikanischen Busch gearbeitet, zuletzt als Direktor eines Industrieunternehmens in Daressalaam.Und als er den einheimischen Kollegen in Tansania genug beigebracht hatte, kehrte er nach Deutschland zurück und wurde mit 52 Jahren arbeitslos ­ ein Alter, angesichts dessen so mancher Arbeitgeber die Stirn kräuselt und doch lieber den jüngeren Bewerber einstellt.

Berliner Förderprogramm des Landesarbeitsamtes und der Refa hat regen ZulaufVON VANESSA LIERTZ

Genau 16 Jahre war er "weg vom Fenster" gewesen, wie er sagt: Der Ingenieur Ralf Claussnitzer hatte bis 1994 für die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) im afrikanischen Busch gearbeitet, zuletzt als Direktor eines Industrieunternehmens in Daressalaam.Und als er den einheimischen Kollegen in Tansania genug beigebracht hatte, kehrte er nach Deutschland zurück und wurde mit 52 Jahren arbeitslos ­ ein Alter, angesichts dessen so mancher Arbeitgeber die Stirn kräuselt und doch lieber den jüngeren Bewerber einstellt. Das wollen das Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg und der Verband für Arbeitszeitgestaltung, Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung (Refa) Berlin-Brandenburg verhindern und fördern seit 1995 berufserfahrene Jungsenioren: Leute um die 50, die wie Claussnitzer Fach-und Führungskräfte in der Wirtschaft waren, bevor sie den Job verloren.Haben sie mehr als ein Jahr nach einem neuen Angebot gesucht, so können sie an dem Weiterbildungsprogramm teilnehmen, das bislang 85 frischgebackene "Senior Manager" hervorbrachte.Weitere 27 Männer und Frauen starteten im Mai mit der einjährigen Ausbildung.Die Maßnahme will das Landesarbeitsamt wegen der großen Nachfrage im nächsten Jahr weiterführen: Auf einen Ausbildungsplatz kommen inzwischen gut zwei Bewerber. Wer sich "Senior Manager" nennt, hat sein Wissen über Betriebswirtschaftslehre und Recht aufpoliert; er kann mit diversen Computerprogrammen umgehen, weiß über die Prozeßorganisation in Produktions- und Dienstleistungsunternehmen Bescheid und kennt die deutschen Qualitätsbestimmungen.Außerdem hat der "Senior Manager", der ohnehin wegen seiner langjährigen Erfahrungen in Unternehmen alles andere als ein unbeschriebenes Blatt ist, seine neuerworbenen Kenntnisse während eines drei-monatiges Praktikums in einer Firma oder einer Organisation angewandt. Freilich, für ältere Arbeitslose ist diese Maßnahme nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Von den 4,3 Millionen Arbeitnehmern in Deutschland sind der Bundesanstalt für Arbeit (BfA) zufolge weit mehr als ein Fünftel über 50 Jahre alt.Angesichts der Masse an Arbeitslosen "weiß man einfach gar nicht, wo anfangen", sagt der Präsident des Landesarbeitsamtes Berlin-Brandenburg, Klaus Clausnitzer.Wertvolles Humankapital verfallen zu lassen, das könne sich die deutsche Wirtschaft auf Dauer nicht leisten."Wenn das so weitergeht, treten bald noch die 40jährigen in den Vorruhestand." In ganz Deutschland hat die BfA nach eigenen Angaben im letzten Jahr für Arbeitslose rund 105 Mrd.DM ausgegeben, wovon sie etwas mehr als ein Zehntel in die Weiterbildung steckte.Das aber sei alles andere als genug, sagt Clausnitzer, der sich als "vehementer Verfechter des ersten Arbeitsmarkts" bezeichnet. Die Schulung der Jungsenioren, die den Steuerzahler pro Nase rund 12 000 DM kostet, scheint verheißungsvoll zu sein: Rund 60 Prozent fanden hinterher sofort einen Job, sei es als Teilzeit- oder als Vollzeitkraft, weitere 19 Prozent verhandeln noch über eine Anstellung."Senior Manager" Claussnitzer etwa schaffte den Sprung zum festen Job bei BMW-Rolls Royce.Das Unternehmen hat ihn als Mitarbeiter in der Abteilung Qualitätssicherung übernommen.Auch für Brigitte Brennecke, die gerade bei der Stolzenberg GmbH ein Praktikum macht, interessieren sich verschiedene Firmen, wie sie sagt.Bevor sie "Senior Managerin" wurde, hatte Brennecke zweimal ihren Job verloren.Jedesmal war ihr Arbeitgeber in Konkurs gegangen. Daß solche Jungsenioren längst nicht zum alten Eisen gehören, haben offenbar einige Unternehmen begriffen.30 Firmen stehen in regem Kontakt mit dem Projekt.Überdies luden die Initiatoren Firmen und "Senior Manager" vor kurzem zu einer Kontaktbörse ein.Für seine Firma sei der Praktikant ein großer Gewinn gewesen, sagte Hans-Berndt Hütten, Geschäftsführer der S&P Gebäudemanagement GmbH.Er habe selbständig gearbeitet und dem Betrieb Anregungen gegeben.Lukrativ ist die Angelegenheit auch deswegen für die Arbeitgeber, weil Lohnkostenzuschüsse winken, die individuell mit dem Arbeitsamt ausgehandelt werden und für über 50 Jahre alte Arbeitnehmer immer hin bis zu 75 Prozent des Gehalts betragen können."Es lohnt sich ­ wenn Sie Geduld haben", sagt auch Reinhold Brachmann von Virtual Design, dessen Büro Bädereinrichtungen verkauft.Er stellte im vergangenen Jahr einen "Senior Manager" ein, der gelernter Maschinenbauer ist.Die Einarbeitung habe ein Jahr gedauert, erzählt Brachmann.Jetzt aber sei sein neuer Mitarbeiter in allen Bereichen fit und könne alles von der Beratung, dem Verkauf und der Installation der Küche selbst organisieren."Leute, die gelernt haben methodisch zu denken und schon Verantwortung trugen, sind ein Gewinn für das Unternehmen", sagt er.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false