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„Die betriebliche Altersvorsorge sollte verbreitet werden“, meint Markus Faulhaber, und zwar von 60 auf 90 Prozent der Arbeitnehmer.

© Andy Ridder

Chef der Allianz Lebensversicherung: „Wir würden gerne Autobahnen finanzieren“

Markus Faulhaber, Chef der Allianz Lebensversicherung, hat zehn Lebensversicherungen. Im Tagesspiegel-Interview erklärt er, warum das sinnvoll ist. Und warum die Allianz in Zukunft in Infrastruktur investieren will.

Herr Faulhaber, wie viele Lebensversicherungen haben Sie?
Zehn, alle bei der Allianz Leben.

Warum braucht man zehn Lebensversicherungen?
Als Altersvorsorge, aber auch als langfristige Anlage. Das Risiko ist niedrig und die Zinsen sind gemessen daran relativ hoch.

Was bekommt jemand heute heraus, der 20 Jahre lang brav jeden Monat 100 Euro eingezahlt hat?
Wenn es ein Mann ist, der mit 30 Jahren angefangen hat, sind es heute etwa 39 000 Euro. Dabei hat er nur 24 000 Euro eingezahlt und hatte während der gesamten Zeit einen hundertprozentigen Todesfallschutz.

Und was würde man in 20 Jahren bekommen, wenn man heute anfängt und gleich viel einzahlt?
Wenn man die derzeit deklarierten Werte auf 20 Jahre hochrechnet, wären es mehr als 33 000 Euro. Bei unserem neuen Produkt „Perspektive“ kämen wir auf rund 35 000 Euro. Wenn die Zinsen steigen, gibt es natürlich am Ende mehr. Wenn sie weiter sinken, weniger.

Von wegen Minizinsen: Haben die Leute von der Lebensversicherung die Nase voll?
Nein, wir bei der Allianz Leben haben unsere Umsätze im ersten Halbjahr um fast 16 Prozent steigern können. Wir spüren nichts von einer Flaute, im Gegenteil. Allerdings verkaufen wir weniger Kapitallebensversicherungen und mehr Rentenpolicen. Die Menschen werden immer älter und wollen im Alter nicht ohne finanzielle Mittel dastehen.

Bei „Perspektive“ gibt es keinen Garantiezins, dafür höhere Überschüsse. Wie kommt das Produkt an?
Sehr gut. Wir wollen bis zum Jahresende 70 000 Verträge verkauft haben. Bislang haben wir schon 60 000 abgesetzt.

Für andere Produkte sinkt der Garantiezins im nächsten Jahr auf 1,25 Prozent. Blasen Sie jetzt noch zur Jahresendrallye?
Nein. Die Senkung des Höchstrechnungszinses löst keine Jahresendrallye aus, und wir fördern das auch nicht. Der Höchstrechnungszins ist ja nur ein Sicherheitsnetz, die Gesamtverzinsung ist deutlich höher.

Sie zahlen derzeit eine Gesamtverzinsung von 4,2 Prozent, bleibt das so?
Das entscheiden wir am Jahresende. Wir haben belastende Faktoren, nämlich die Senkung der Zinsen gegenüber der Situation vor einem Jahr, und entlastende. Durch die Neuregelung der Beteiligung an den Bewertungsreserven verbleiben Erträge im Unternehmen, die der Versichertengemeinschaft zugutekommen.

Was ändert sich bei der Allianz in Sachen Lebensversicherung?

Wie hoch sind die Bewertungsreserven bei Ihren festverzinslichen Wertpapieren?
Nach unserem Geschäftsbericht zum Jahresende 2013 waren es rund 22 Milliarden Euro. Der Marktwert festverzinslicher Wertpapiere schwankt aber stark mit den Kapitalmarktzinsen.

Bis zum Sommer haben Versicherte, deren Vertrag ausläuft, einen ordentlichen Anteil an den Kursgewinnen bekommen, die Versicherer bei festverzinslichen Wertpapieren hatten. Schütten Sie jetzt nichts mehr aus?
Die Reform war richtig und notwendig. Bewertungsreserven spielen für die Versichertengemeinschaft eine wesentliche Rolle, für attraktive Kapitalerträge und um die langfristigen vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Die Beteiligung an den Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren wird künftig auf den Teilbetrag begrenzt, der den sogenannten Sicherungsbedarf übersteigt. Damit werden die Beteiligung an den Bewertungsreserven und die vertraglichen Verpflichtungen besser in Einklang gebracht. Die Neuregelung stellt auch in Zeiten niedriger Zinsen künftig eine faire Verteilung der Überschüsse sicher. 90 Prozent der Kunden profitieren davon.

Und die restlichen zehn Prozent?
Die bekommen immer noch eine gute Rendite, die Ablaufleistung hängt aber nicht mehr so stark von geringen Änderungen der Kapitalmarktzinsen, also Zufallsgewinnen, ab.

Wird die Allianz künftig Lebensversicherungen verstärkt übers Internet anbieten?
Ja. Wir wissen aus der Marktforschung, dass sich immer mehr Leute online informieren, aber dann beim Berater unterschreiben. Wir verzahnen die Kanäle. Der Kunde recherchiert im Netz, kann aber jederzeit Fragen stellen und sich beraten lassen.

Erlassen Sie Kunden, die alles selber machen, die Vertreterprovision?
Wir haben für jedes Segment marktgerechte Preise. Und wir leisten eine fundierte, intensive Beratung zur Planung der persönlichen Altersvorsorge.

Die Allianz ist einer der größten Investoren. Wie gut ist Ihr Draht zu EZB-Chef Mario Draghi?
Keine Sorge, da sind wir gut aufgestellt. Draghis Augenmerk liegt auf der Bekämpfung der Deflation und dem Zusammenhalt der Euro-Zone. Diese Politik hilft zwar schuldengeplagten Ländern wie Portugal und Spanien, ist auf der anderen Seite aber schlecht für Sparer. Und sie führt zu Sondereffekten. Nehmen Sie nur mal den Immobilienboom. Die Leute kaufen Immobilien, weil Geldanlagen wie zum Beispiel Bundesanleihen kaum noch Zinsen abwerfen. Selbst bei einer zehnjährigen Laufzeit bekommen Sie dort inzwischen unter einem Prozent.

Kaufen Sie hierzulande noch Immobilien?
Ja, wir haben zum Beispiel ein Einkaufszentrum an der Düsseldorfer Kö gekauft. Wir investieren auch in Paris oder anderen Metropolen. Uns interessieren lang laufende, sichere Investments. Deshalb passen auch alternative Energien oder Investitionen in die Infrastruktur gut zu uns. Leider sind wir weit von dem entfernt, was wir gern investieren würden. Es gibt nicht so viele geeignete Projekte.

Würden Sie Autobahnen in Deutschland kaufen?
Durchaus. Wir haben schon Autobahnstrecken in Irland, Frankreich und Belgien finanziert, wir würden das natürlich auch gern in Deutschland tun. Wenn der Staat die Rahmenbedingungen schafft, stehen wir bereit. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat ja bereits eine Kommission eingesetzt, die prüfen soll, wie man die Rahmenbedingungen investorenfreundlich ändern muss.

Investiert die Allianz nur in Autobahnen, wenn die Maut kommt?

Lohnt sich ein Autobahnbau für Sie nur, wenn eine Maut für alle kommt?
Nein, das ist völlig unabhängig davon. Was wir benötigen, sind verlässliche Rahmenbedingungen sowie die Sicherheit, dass sich unsere Investition rechnet, schließlich investieren wir die Altersvorsorgegelder unserer Kunden. Das kann zum Beispiel über Zinszusagen, die uns ein öffentlicher Träger macht, dargestellt werden.

Welche Rendite brauchen Sie?
Das hängt vom Risiko ab. Wenn wir Eigenkapital einsetzen, erwarten wir schon etwa sieben Prozent, bei riskanteren Investments auch mehr.

Wenn Sie in Infrastruktur investieren, wollen Sie Rendite sehen. Zahlt dafür am Ende der Autofahrer oder der Steuerzahler?
Wenn wir in Deutschland weiterhin so wenig in unsere Infrastruktur investieren wie in den letzten zehn Jahren wird dies unweigerlich zulasten der deutschen Wettbewerbsfähigkeit gehen. Auf der anderen Seite müssen die Bürger verstärkt privat für das Alter vorsorgen, das heißt, es gibt einen stark wachsenden Anlagebedarf an Altersvorsorgegeldern. Wir als Lebensversicherer können hier die Brücke bilden, beide Herausforderungen zusammenführen und das private Vorsorgekapital in den Erhalt und Ausbau der Infrastruktur leiten. Dass unsere Kunden hierbei eine angemessene Verzinsung erwarten, versteht sich von selbst.

Im Arbeitsministerium wird darüber nachgedacht, die betriebliche Altersvorsorge zur Pflicht für jedermann zu machen. Wäre das ein tolles Absatzprogramm für die Allianz?
Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien zum Ziel gesetzt, die betriebliche Altersvorsorge in kleinen und mittleren Unternehmen stärker zu verbreiten. Wir begrüßen das. Es ist gut für uns, aber auch für die Arbeitnehmer. Wichtig ist, dass die Arbeitgeber eingebunden sind und die Rahmenbedingungen stimmen. Der Rahmen darf nicht zu starr sein. Die Arbeitgeber müssen die Möglichkeit haben, ein Opting-out-Modell einzuführen – also eine verpflichtende Vorsorge mit der Möglichkeit für den Einzelnen, diese auch abzuwählen – ohne die Einzelverträge zu ändern.

Welchen Schub könnte Ihnen das bringen?
Derzeit haben nur rund 60 Prozent der Arbeitnehmer eine betriebliche Altersvorsorge. Wenn man den Anteil auf 90 Prozent erhöhen könnte, würde das natürlich einen Schub bringen. Aber das funktioniert nur, wenn die Arbeitgeber Spielräume bekommen und nicht mit unnötiger Bürokratie kämpfen müssen.

ZUR PERSON

Der Manager

Markus Faulhaber (61) ist ein Allianz-Urgestein. Der gebürtige Göppinger hat Mathematik und Physik in Stuttgart studiert und ist nach seiner Promotion zur Allianz gegangen. Seit 1981 arbeitet er ohne Unterbrechung für die Allianz Lebensversicherung AG, seit Juni 2012 ist er Chef des Lebensversicherungsunternehmens und sitzt seitdem auch im Vorstand der Allianz Deutschland AG.

Der Versicherer

Die Allianz Leben ist Deutschlands größtes Lebensversicherungsunternehmen. Anders als die Konzernmutter sitzt der Versicherer nicht in München sondern in Stuttgart.

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