zum Hauptinhalt
Mehr Geld wird es in jedem Fall geben, auch für die Mitarbeiter von Bayer-Schering in

© ddp

Chemieindustrie: Arbeitgeber empört über Tarifforderung

Frei nach Brüderle fordert die Gewerkschaft der Chemie-Arbeiter ein Lohnplus von sieben Prozent. Die Arbeitgeber reagierten entsetzt.

Hannover - Die Chefs der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) haben die Ratschläge von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ernst genommen: Mit einer Forderung über sechs bis sieben Prozent mehr Geld setzt die Gewerkschaft ein kräftiges Signal in die Tariflandschaft des kommenden Jahres. Brüderle hatte in den vergangenen Wochen die Möglichkeit und Notwendigkeit höherer Löhne betont; den Arbeitnehmern stehe nach der Krise ein Anteil am Aufschwung zu, sagte er.

Die Arbeitgeber reagierten am Dienstag entsetzt auf die Forderung: „Einen echten Aufschwung mit Zuwächsen gegenüber dem Vorkrisenniveau gibt es schlicht und einfach nicht“, sagte Hans Paul Frey, Chef der Chemiearbeitgeber. Die IG BCE schieße mit ihrer Forderung „weit übers Ziel hinaus“ und laufe Gefahr, „die Bodenhaftung zu verlieren“.

Für die traditionell sehr friedlich miteinander umgehenden Tarifparteien in der Chemieindustrie sind das harsche Töne. Doch „unsere guten Argumente werden unserer bewährten Sozialpartnerschaft nicht schaden“, meinte IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis am Montagabend in Hannover, wo er die Forderung seiner Organisation erläuterte. In den vorangegangenen Tarifrunden habe die Gewerkschaft mit variablen Einmalzahlungen und der Sicherung von Ausbildungsplätzen andere Schwerpunkte gesetzt. „Jetzt muss mal das Fixgehalt angehoben werden“, sagte Vassiliadis. Mit einer ähnlich großen Forderung war die IG BCE zuletzt Anfang 2008 in die Tarifrunde gegangen. Am Ende gab es dann 4,4 Prozent mehr Geld für die 550 000 Beschäftigten in 1900 Betrieben. Nach der Metall- und Elektroindustrie ist die Chemie der größte deutsche Industriebereich. Die Verhandlungen beginnen im Februar und werden voraussichtlich bis Ende März dauern.

Den möglichen Missbrauch der Leiharbeit will die IG BCE vorerst nicht mit einer tariflichen Regelung bekämpfen, sondern sich in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit den Arbeitgebern erst ein genaueres Bild machen. „Wir haben ein Defizit an Fairness und Gerechtigkeit in Deutschland, für das symbolhaft der Boom der Leiharbeit steht“, sagte Vassiliadis. Anstelle einer tarifvertraglichen Regelung – die IG Metall hat vor einigen Monaten „equal pay“ in der Stahlindustrie durchgesetzt – setzt der IG-BCE-Chef auf die Politik, die einen Mindestlohn und womöglich „equal pay“ festsetzen sollte.

Von Radau und besonders markigen Gesten gegenüber der Politik oder Managern distanzierte sich der Gewerkschaftschef und grenzte sich dabei ausdrücklich von seinem Kollegen Frank Bsirske, dem Vorsitzenden von Verdi, ab. Bsirske hat vor wenigen Wochen auf einer der Herbstkundgebungen der Gewerkschaften im Zusammenhang mit der Vergütung von Bankern einen doppelten „Stinkefinger“ gezeigt. „Meine Mittelfinger nutze ich zum Gitarrenspielen“, sagte Vassiliadis dazu.

Zur Startseite