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Wirtschaft: China: Regierung drosselt die Wirtschaftsreformen

Chinas Ministerpräsident Zhu Rongji hat erstmals offen die seit Jahresbeginn zu beobachtende Drosselung der Reformen eingeräumt. Die Tageszeitungen "South China Morning Post" und "Wen Wei Po" in Hongkong zitierten am Wochenende den Premier mit den Worten: "In Übereinstimmung mit der augenblicklichen Situation werden wir einige unserer wichtigen Reformen etwas verlangsamen.

Chinas Ministerpräsident Zhu Rongji hat erstmals offen die seit Jahresbeginn zu beobachtende Drosselung der Reformen eingeräumt. Die Tageszeitungen "South China Morning Post" und "Wen Wei Po" in Hongkong zitierten am Wochenende den Premier mit den Worten: "In Übereinstimmung mit der augenblicklichen Situation werden wir einige unserer wichtigen Reformen etwas verlangsamen." Zhu soll die Äußerung am 5. Juni bei einem Vortrag in der Pekinger Tsinghua-Universität gemacht haben.

Gebremst werden den Berichten zufolge vor allem die Einführung eines neuen Steuersystems, der Umbau des Sozialsystems sowie die seit Jahren diskutierte Benzinsteuer. Letztere soll Straßengebühren ablösen, wird aber - so fürchten jene, die sie verhindern wollen - die Spritrechnung der Chinesen um 25 Prozent erhöhen könnte. "Diese Steuer im laufenden Jahr einzuführen", schrieb kürzlich die Wirtschaftszeitung "China Economic News", "wäre ein Dolch in die Herzen der Konsumenten." Offenbar ist auch Zhu Rongji zu diesem Schluss gelangt. Ein Thinktank der Regierung in Peking hat vor einer Woche eine bedrohliche Zunahme lokaler Unruhen in Chinas Hinterland bestätigt und die Angst der Führung vor einem möglichen Aufstand geschürt.

Bei nachlassenden Exporten und weiterhin flauem Konsum hängt Chinas Konjunktur derzeit am Tropf umfangreicher öffentlicher Ausgaben. In diesem und im kommenden Jahr legt Peking Anleihen im Umfang von jeweils 150 Milliarden Yuan auf, umgerechnet etwa 40 Milliarden Mark. Staatsdiener erhalten zur Förderung des Konsums umgerechnet rund 20 Milliarden Mark mehr. Doch der fiskalische Spielraum der Regierung ist begrenzt und auch die Duldsamkeit der chinesischen Verbraucher - die zunehmend von Arbeitslosigkeit betroffen sind - ist nicht endlos belastbar.

Währenddessen kämpfen Chinas Bauern gegen einen anhaltenden Preisverfall bei ihren Produkten an. Tritt China der Welthandelsorganisation WTO bei, werden sie es mit hoch technisierten US-Agrarfabriken aufnehmen müssen. Mehrere zehn Millionen Bauern, schätzen Experten, könnten in China als Folge ihren Job verlieren. Auch die Verschleppung des neuen Sozialsystems könnte gravierende Konsequenzen haben: Je länger dessen Umbau dauert, desto länger werden die Chinesen enorme Ersparnisse bilden und wenig für den Konsum ausgeben. Mehr noch: Eine Belebung des Konsums wird bei schwächeren Exporten dringend gebraucht, um die angepeilten Wachstumsraten von mindestens sieben Prozent pro Jahr für einige Zeit aufrecht zu erhalten.

Auch politisch sind die internen Spannungen gewachsen. Der Konflikt mit den USA hat Pekings Reformer offenbar einer harschen Kritik der Hardliner ausgesetzt. "Wir brauchen jetzt Freunde", sagt Zhu. "Einige sagen, unsere Regierung sei zu weich. Ich denke, die Dinge sollten im Rahmen des Möglichen geregelt werden."

mg

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