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Soll und Wirklichkeit. Chinas Bruttoinlandsprodukt bleibt zum ersten Mal seit 2009 hinter dem offiziellen Wachstumsziel zurück. Foto: dapd

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Chinas Wirtschaft: Unter Plan

Chinas Wirtschaft wächst bereits das siebte Quartal weniger – Konjunkturprogramme sind nicht in Sicht.

Als der chinesische Premierminister Wen Jiabao im März das Wachstumsziel für sein Land von 7,5 Prozent ausgab, war allen Experten klar: Das ist eine Minimalvorgabe, tatsächlich aber dürfte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wie auch in den Jahren zuvor ein gutes Stück über dieser selbst gesetzten Marke landen. Seit das Nationale Statistikamt am Donnerstag in Peking jedoch den Wert für das dritte Quartal bekannt gegeben hat, sind sich manche Experten gar nicht mehr so sicher.

Chinas Bruttoinlandsprodukt ist von Juli bis September nur um 7,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal gewachsen und hat damit erstmals seit dem ersten Quartal 2009 (6,5 Prozent) wieder das offizielle Wachstumsziel unterschritten. Der Wert unterstreicht erneut die Abkühlung der chinesischen Volkswirtschaft. Es ist bereits das siebte Quartal in Folge, in dem Chinas Wachstum sinkt. Die Schuldenkrise in Europa und die mäßige Wirtschaftslage in den USA wirken sich negativ auf das Exportgeschäft Chinas aus. Wie abhängig das Land von seinen Ausfuhren ist, zeigt eine Statistik der Weltbank: 2011 waren die Exporte für 31 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsproduktes verantwortlich.

Für den Sprecher des Nationalen Statistikamtes ist die jüngste Wachstumszahl allerdings kein Grund zur Beunruhigung. „Das Bruttoinlandsprodukt ist über die gesamten ersten drei Quartale um 7,7 Prozent gestiegen, die Wirtschaft ist generell stabil”, sagte Sheng Laiyun, „wir können vorläufig sagen, dass wir uns im Übergang vom Abstieg zur Talsohle befinden.“ Chinas Börsen schlossen sich dieser Meinung an und stiegen am Donnerstag trotz der schlechten makroökonomischen Daten.

Den offiziellen Rahmen für die Interpretationen hatte Wen Jiabao bereits am vergangenen Wochenende vor Wirtschaftsfachleuten und Regierungsmitarbeitern gesteckt. Sicher kannte der scheidende chinesische Premierminister bereits die aktuellen Daten, als er laut „China Daily“ sagte: „Chinas Wirtschaft zeigt im dritten Quartal Anzeichen für eine Wende zum Besseren, was erwartungsgemäß das Wachstum unterstützen wird.“ Allerdings machte er laut Xinhua auch klar, dass kein neues Konjunkturpaket zu erwarten sei und auch die Beschränkungen zur Abkühlung des Immobilienmarkts aufrechterhalten würden.

Stattdessen setzt die scheidende Regierung auf Feintuning. „Chinas Wirtschaft wird sich noch weiter stabilisieren, wenn die Regierungsmaßnahmen noch besser greifen“, sagte Wen Jiabao. Zweimal hat die Zentralbank zuletzt den Leitzins gesenkt, und dreimal die Anforderungen für die Mindestreserven der Banken. Damit setzte der Staat umgerechnet rund 190 Milliarden Dollar für Kredite frei. Schließlich sind im vergangenen Monat große Infrastrukturprojekte im Wert von insgesamt 157 Milliarden Dollar vorzeitig genehmigt oder gestartet worden.

Experten erwarten vor dem Machtwechsel in der Kommunistischen Partei am 8. November keine einschneidenden Maßnahmen zur Konjunkturförderung. Chinas wichtigste Ökonomen haben ihre Erwartungen an die neue Führung formuliert. Sie forderten China auf, „ein Fundament für eigenes stabiles Wachstum zu legen, indem marktwirtschaftliche Reformen schneller durchgeführt werden und eine neue Periode der Offenheit eingeläutet wird“, berichtete „China Daily“. Schon im März hatte die Weltbank davor gewarnt, nur auf Billigproduktion und Exporte zu setzen und so in der „Falle der mittleren Einkommen“ zu landen. Sie empfahl, die Macht der Staatsfirmen zu beschränken, welche das Wachstum der kleineren und mittelgroßen privaten Unternehmen behindern. Doch derartige Reformen lassen weiter auf sich warten.

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