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Fingerspitzengefühl. Zengs Firma Idencom hat sich auf die Digitalisierung von Fingerabdrücken spezialisiert. Foto: picture-alliance/dpa

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Wirtschaft: Chinesen am Drücker

Viele Asiaten zieht es nach Berlin. Qiu-Ping Zeng ist schon länger da. Seine Charlottenburger Firma für Sicherheitstechnik wächst.

Von Carla Neuhaus

Berlin - „Ich fühle mich als Berliner“, sagt Qiu-Ping Zeng. Kurz nach der Wende ist der Chinese in die Stadt gezogen, um an der TU Berlin Informatik zu studieren. Heute leitet er hier sein eigenes Unternehmen, beschäftigt in Charlottenburg 20 Mitarbeiter. Zeng hat einen Scanner entwickelt, der eine Person am Fingerabdruck erkennt. Eingesetzt wird die Software zum Beispiel am Flughafen in Frankfurt am Main, wo mit dem Zugangssystem der Luftfracht-Bereich gesichert ist. Zengs Firma, Indencom, macht mit dem Verkauf des Finger-Erkennungssystems mittlerweile einen Umsatz von 2,5 Millionen Euro im Jahr.

Der Chinese sagt, er habe sich bewusst für den Standort Berlin entschieden. Zwar hat er die Firma zunächst in Zürich gegründet, ist dann allerdings vor acht Jahren zurück in die Hauptstadt gezogen. „In Berlin ist es deutlich einfacher, qualifizierte Ingenieure zu finden“, sagt er. Als Zeng nach Berlin zog, war er als chinesischer Unternehmer in der Stadt ein Vorreiter. Heute sind in Berlin bereits 60 Unternehmen im Handelsregister eingetragen, die einen chinesischen Chef haben. Yi Cao von der Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest meint, dass die tatsächliche Zahl noch deutlich höher liegt. Längst nicht alle Firmen, die in chinesischer Hand sind, seien im Register erfasst. Viele der Großkonzerne seien in Berlin zudem mit Büros oder Zweigstellen vertreten. So habe etwa die chinesische Fluggesellschaft Hainan Airlines oder, erst seit ein paar Wochen, die Bank of China hier einen Ableger.

Was in Berlin passiert, lässt sich auf Deutschland übertragen: Die Bundesrepublik gewinnt als Standort für chinesische Unternehmen an Bedeutung. Die Firmen aus Fernost siedeln sich hier an oder kaufen sich in bestehende deutsche Unternehmen ein. Laut einer Studie, die die Bertelsmann-Stiftung vergangene Woche in Berlin vorgestellt hat, haben Chinesen allein im vergangenen Jahr 481 Millionen Euro in Deutschland investiert – noch vor zehn Jahren waren es gerade einmal 20 Millionen Euro. „Die Präsenz chinesischer Unternehmen in Deutschland nimmt zu“, sagt Cora Jungbluth von der Bertelsmann-Stiftung. Laut ihrer Prognose werden sich die chinesischen Direktinvestitionen in Deutschland bis 2020 verdreifachen auf 1,5 Milliarden Euro.

Hinter dem Engagement der chinesischen Firmen steht eine Strategie der Regierung in Peking. Während in den 1990er Jahren der Schwerpunkt noch darauf lag, ausländische Gelder nach China zu locken, unterstützt die Regierung heute aktiv die Unternehmen darin, weltweit zu expandieren. Sie hat die Genehmigungsverfahren für Investitionen im Ausland vereinfacht. Und sie hat es den  Firmen deutlich erleichtert, ausländische Währungen zu halten. „Wir leben in einem neuen Zeitalter“, sagt Shi Mingde, der die Volksrepublik als Botschafter in Berlin vertritt.

Deutschland spielt bei der Expansionsstrategie der Chinesen eine zentrale Rolle. Vor allem das Label „Made in Germany“ lockt die chinesischen Unternehmen an. „Für sie ist es ein Imagegewinn, wenn sie Produkte in Deutschland produzieren lassen“, sagt Asien-Expertin Jungbluth. Außerdem sei Deutschland günstig gelegen, um von hieraus weitere europäische Märkte zu erschließen.

Deshalb hat sich auch der chinesische Maschinenbauer Shenyang Machine Tool Group (SYMG) in Berlin angesiedelt. Die Firma, die weltweit mehr als eine Milliarde Euro Umsatz macht, hat im letzten Jahr am Potsdamer Platz ihre Europazentrale aufgemacht – und beschäftigt dort mittlerweile 44 Mitarbeiter. Zuvor hatte der chinesische Maschinenbauer den deutschen Werkzeughersteller Schiess mit Sitz in Aschersleben am Rande des Harzes übernommen. Dessen Mitarbeiter helfen den Chinesen jetzt beim Aufbau des Europageschäfts.

Dieses Vorgehen ist typisch. Nach der Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung haben Chinesen in den letzten zwölf Jahren mindestens 41 hiesige Firmen mit einem Jahresumsatz von mindestens fünf Millionen Euro ganz oder teilweise übernommen. Die Angst, die viele Deutsche vor dem Einstieg der Chinesen hätten, sei unbegründet, behauptet Jungbluth. Für Deutschland sei das Engagement der Chinesen sogar eine Chance. „Chinesen haben in Deutschland schon in vielen Fällen dafür gesorgt, dass bedrohte Arbeitsplätze erhalten bleiben“, sagt die Asien-Expertin. Denn häufig, wie auch im Fall des Maschinenbauers Schiess, sind die Unternehmen beim Einstieg der Chinesen insolvent. Und da sei es für die Firmen besser, wenn eine chinesische Firma mit einem langfristigen Interesse einsteige, als ein Finanzinvestor, der möglichst schnell wieder verkaufen will.

Wenn es gut läuft, wird Deutschland für die chinesischen Unternehmer zu einer neuen Heimat – so wie es bei Qiu-Ping Zeng der Fall war. „Ich habe mittlerweile mehr Jahre meines Lebens in Deutschland verbracht als in China“, sagt er. In seinem Unternehmen ist Zeng heute der einzige Chinese.

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