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Für die Automobilbranche brechen in China wohl ungewohnt normale Zeiten an. Die Ära des atemberaubend hohen Wirtschaftswachstum sind womöglich vorbei.

© Ole Spata

Chinesischer Wachstumseinbruch: Chancen und Risiken für Deutschland

Chinas Wachstum hat sich stark abgeschwächt. In Deutschland sorgt man sich um die Abhängigkeit vom Markt in Fernost. Doch den enormen Risiken stehen auch neue Möglichkeiten gegenüber.

Die Abwertung der chinesischen Währung hat die Börsen vergangene Woche auf Talfahrt geschickt und die Sorge um die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt vergrößert. Die Konjunkturentwicklung der Wirtschaftsmacht enttäuschte die Analysten ebenso wie die eingebrochenen Exporte. Vor allem Auto- und Maschinenbauer schauen mit Sorge nach Fernost. Doch Chinas neue Schwäche birgt auch Chancen für deutsche Unternehmen.

Ein schwacher Renminbi macht deutschen Unternehmen nicht zu schaffen

„Die Währungsabwertung wirkt sich ambivalent aus“, sagte Oliver Wack, beim Maschinenbauverband VDMA in Frankfurt für die Außenhandelspolitik zuständig, der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn es China durch die Währungsabwertung gelingt, seine Wirtschaft anzukurbeln, sollte die deutsche Maschinenbauindustrie insbesondere bei den Sektoren Automatisierung, Energieeffizienz und Umwelttechnik partizipieren können.“ Die chinesische Zentralbank hatte den Referenzkurs des Yuan (Renminbi) vergangene Woche deutlich gesenkt. Damit werden Importe aus Europa teurer, Exporte aus China günstiger. Nach Einschätzung von Wack hält sich der Einfluss durch den Preisanstieg auf Kaufentscheidungen im Investitionsgüterbereich, zu dem Maschinen und Anlagen gehören, allerdings in Grenzen. „Wir haben ja in den vergangenen beiden Jahren eine Aufwertung des Yuan um 20 Prozent gesehen.“ Auch stünden die deutschen Maschinenbauer mit ihren Produkten weniger in einem preislichen Wettbewerb mit chinesischen Herstellern als andere Anbieter. Die deutschen Maschinenbauer verkauften eher High-Tech-Maschinen, während sich die Chinesen im mittleren Preissegment bewegten. Auch die Konkurrenz auf dem europäischen Markt halte sich in Grenzen.

Siemens rechnet mit Abkühlung im Automobilmarkt

„Viele chinesische Maschinenbauer verkaufen noch mehr als 90 Prozent im eigenen Land. Es ist nicht so einfach, auf den europäischen Markt zu kommen.“ In Indien dagegen seien die Chinesen schon seit Jahren die Nummer eins.
Grundsätzlich sei das Auf und Ab im Chinageschäft für die deutschen Maschinenbauer nichts Neues. „Wir erwarten keinen riesigen Einschlag“, sagte Wack. „Grundsätzlich reden wir in China über ein reduziertes Wachstum.“ Von Januar bis Mai waren die Exporte deutscher Maschinenbauer in das Land um 2,7 Prozent zurückgegangen. „Wir haben aber immer noch eine Chance, das Niveau von 2014 zu halten. Das war das zweithöchste Exportniveau aller Zeiten mit rund 17 Milliarden Euro“, betonte Wack.
Siemens-Chef Joe Kaeser rechnet damit, dass die Autoindustrie in den kommenden beiden Jahren an Schwung verliert. Der “Passauer Neuen Presse“ (Samstagausgabe) sagte Kaeser: “Ich wäre nicht überrascht, wenn wir 2016 oder 2017 eine Eintrübung im Automobilsektor sehen, bedingt durch die abnehmende Exportdynamik“. Umso mehr, so der Konzernchef, müsse sich die deutsche Wirtschaft auf “Innovation und Produktivität“ konzentrieren - und auch die Chancen der Digitalisierung.
Angesichts der Abwertung der chinesischen Landeswährung Yuan mahnt Kaeser zur “Besonnenheit“ und dämpft die Ängste vor einem Währungskrieg. “Man sollte vor allem nicht überreagieren - auch nicht begrifflich“, sagte Kaeser. Die jüngsten Abwertungen müsse man “ins Verhältnis setzen mit dem jahrelangen Trend, der genau in die Gegenrichtung verlief. Der Yuan ist über Jahre hinweg gegenüber allen wichtigen Währungen gestiegen.“ Die aktuellen Turbulenzen zeigten vor allem eines: “Internationale Unternehmen sind gut beraten, ihre Geschäfte lokal aufzustellen, also ihre Produkte dort zu entwickeln und zu produzieren, wo der Markt ist - dann ist die Währungsentwicklung weniger ein Problem.“ Währungsschwankungen habe es schon immer gegeben.

Chinas wirtschaftlicher Reformkurs stockt

Seinen Konzern selbst sieht Kaeser in China weiter gut aufgestellt: “Siemens ist seit mehr als 140 Jahren in China präsent. Da geht es vor allem um die langfristige Perspektive. Wir beschäftigen etwa 40.000 Mitarbeiter im Land, haben eigene Fertigungsstätten, zum Beispiel unsere digitale Fabrik in Chengdu und unsere Fabrik für Computertomographen in Shanghai. Aus diesen Fabriken exportieren wir in die ganze Welt. Wenn die Landeswährung sich abschwächt, profitieren davon also auch die Exporte aus China und damit die Wirtschaft des Landes.“ Die Abwertung des Yuan ist nach Kaesers Ansicht aber - ebenso wie ein neu aufgelegtes großes Infrastrukturprogramm in China - ein Indiz dafür, dass der Reformkurs des Landes stockt.

(dpa/Reuters)

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