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Wirtschaft: Chiracs Chuzpe

Wir wissen nicht, ob Jacques Chirac das jiddische Wort Chuzpe kennt. Aber Chuzpe, das auf Deutsch in etwa Dreistigkeit bedeutet, beschreibt Chiracs Vorschlag, Subventionen für den Export von Agrarprodukten reicher Länder nach Afrika zu kürzen.

Wir wissen nicht, ob Jacques Chirac das jiddische Wort Chuzpe kennt. Aber Chuzpe, das auf Deutsch in etwa Dreistigkeit bedeutet, beschreibt Chiracs Vorschlag, Subventionen für den Export von Agrarprodukten reicher Länder nach Afrika zu kürzen. Chiracs Enthusiasmus für den freien Handel passt schlecht zu seiner langen Liebe zur GAP (Gemeinsamen Agrarpolitik) der EU, erhält doch sein Land mit die höchsten Agrarsubventionen weltweit. Der Vorschlag sollte daher geprüft werden, bevor man Chirac allzuviel Glauben schenkt. Denn ausschließlich die Subventionen für den Handel mit Afrika, der nur drei Prozent aller EUExporte ausmacht, würden gekürzt, und das auch nur temporär bis zum Ende der jetzigen Gesprächsrunde der Welthandels-Organisation WTO. Dazu käme die Kürzung von US-Nahrungsmittel-Hilfsprogrammen, die verdeckte Subventionen seien. So könnte Chirac Freihandel einfordern, ohne ihn zu praktizieren. Über die vielen Importbeschränkungen für afrikanische Länder, die in die EU importieren wollen, schweigt er sich verdächtig aus.

Interessant auch, dass Chirac, während er als Freihändler auftritt, EU-Agrarkommissar Fischler rügt, weil dieser die GAP-Reform beschleunigen will. Die GAP gilt vielen als 40 Milliarden Euro schwerer Mühlstein am Hals armer Länder, die in einem verzerrten Wettbewerb konkurrieren müssten. Für Frankreich ist die GAP lukrativ, weshalb Chirac sie befürwortet. Derzeit ist er „außenpolitisch hyperaktiv“, wie eine Zeitung schrieb. Das Treffen der afrikanischen Regierungschefs nutzte er für ein anderes Steckenpferd: Die Blockade der von den USA geplanten Militäraktionen im Irak. Zum Ausgleich verärgerte er noch Großbritannien mit der Einladung Mugabes, Diktator in Zimbabwe.

Weniger um Chiracs Erleuchtung als um zynische Politik scheint es also zu gehen. Es gibt jedoch Optimismus, dass Chirac Gutes initiieren könnte. Frankreich erkenne erstmals an, dass Exportsubventionen Entwicklungsländern gravierende Probleme bereiten, hört man in der WTO. Das will Kanada in der G7-Gruppe nutzen, um Subventionskürzungen durchzusetzen. EU-Handelskommissar Lamy will derweil Fischler bei der GAP-Reform den Rücken stärken. Das ist alles gut und schön. Nur von Chirac sollte man etwas anderes als Chuzpe nicht erwarten.

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