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Wirtschaft: Chrysler - eine wechselvolle Geschichte

NEW YORK .Walter P.

NEW YORK .Walter P.Chrysler hatte eine gute Aussicht.Er besaß eine Wohnung im Chrysler-Building - dem New Yorker Hochhaus, das Anfang der 30er Jahre der höchste Wolkenkratzer der Welt war.Nach ihm benannt, huldigt das Art-Deco-Gebäude noch heute den klassischen Automobilen der 20er Jahre, mit Verzierungen, die aussehen wie Kühlerfiguren und einer lichtumkränzten Haube aus poliertem Stahl.Autonarr Chrysler wurde 1920 vom Automobilunternehmen Maxwell Motor Car angeheuert, um den maroden Konzern zu retten.Chrysler war erfolgreich und taufte die Firma fünf Jahre später kurzerhand um - in Chrysler Corporation.Diese Geschichte von Niedergang und Aufstieg sollte sich im Laufe der Chrysler-Chronik mehrfach wiederholen.

Am härtesten erwischte es Chrysler Ende der 70er Jahre.Geschockt von der Ölkrise wandten sich die Amerikaner von ihren benzinverschlingenden Straßenkreuzern ab.Zudem entdeckten US-Autokäufer, daß ausländische Autos nicht nur sparsamer waren, sondern europäische Marken in Bezug auf Design und Technologie und Japaner im Hinblick auf Qualität deutlich mehr zu bieten hatten.Technologisch hatten US-Produzenten in den 60er und 70er Jahren, als sie sich nur aneinander maßen, viel Boden verloren.In der insularen Welt der Motorstadt Detroit hatten die US-Firmen viel Fett angesetzt.Jetzt bekamen sie die Quittung.General Motors und Ford erlitten Milliardenverluste während Chrysler, finanziell am schwächsten, Ende der 70er Jahre die Pleite drohte.

Zur Rettung wurde Lee Iacocca angeheuert, den Henry Ford II kurz vorher als Vorstandschef vor die Tür gesetzt hatte.Iacocca, ein zupackender Mann mit Volksheld-Qualitäten, nahm die Herausforderung an - für ein Anfangs-Jahresgehalt von einem Dollar und der Garantie, daß ein Erfolg ihn reich machen würde.Mit unwiderstehlichem Verkaufstalent überzeugte er Öffentlichkeit und Politiker von seiner Strategie, die aus drastischen Kostensenkungen und der Entwicklung von benzinsparenden Pkws mit Frontantrieb, den K-Cars bestand.Überdies erinnerte er die Gewerkschaften daran, daß eine Pleite des Traditionsunternehmens Tausende von Arbeitsplätzen kosten würde.Nach heftigen Diskussionen inmitten eines Präsidentschaftswahlkampfes bewilligte die gewerkschaftsnahe Carter-Administration Ende 1980 umfangreiche Kredite.Iacocca ging voll zur Sache.Er schloß 20 Fabriken und halbierte die Belegschaft.Zulieferer und Banken gewährten Zahlungsaufschub, die Gewerkschaften akzeptierten Lohnkürzungen.Die K-Cars wurden ein Überraschungserfolg und Chrysler konnte die Staatskredite in Höhe von 1,2 Mrd.Dollar vorzeitig mit Zinsen zurückzahlen.

Kostensenkungen und K-Cars hätten aber kaum ausgereicht, um das Unternehmen langfristig zu sanieren.Iacocca, der schon bei Ford mit dem "Mustang" Furore gemacht hatte, gelang bei Chrysler ein weiterer Geniestreich: Er erfand den Mini-Van.Dieses geräumige und praktische Fahrzeug, eine Mischung aus Pkw und Kleinbus, stieß besonders bei den Familien in den Vororten auf starke Nachfrage.Noch heute macht Chrysler sein Hauptgeschäft mit Mini-Vans und Kleinlastern, wo die Gewinne viel höher sind als bei Pkws.Ein weiterer Baustein für den langfristigen Erfolg war die Übernahme des kleineren Konkurrenten American Motors, der die Erfolgsmarke Jeep mit in die Ehe brachte.Dann allerdings folgte Iacocca einem Trend, dem auch andere Automanager mit vollen Konzernkassen erlagen.Mit strategischen Zukäufen wollte er die Abhängigkeit vom zyklischen Automobilgeschäft verringern - und überhob sich.

Selbst Iacocca räumte später ein, daß er sich mit dieser Diversifikations-Strategie verzettelt hatte.Ende der 80er Jahre steckte der Chrysler-Karren erneut im Dreck.Eine zyklische Absatzflaute und die schwache Position des Konzerns bei Pkw machten schwer zu schaffen.Nur die Popularität der Jeeps und der Mini-Vans hielt das Unternehmen über Wasser.Zusätzlich kündigten fähige Manager, die sich Hoffnung auf die Iacocca-Nachfolge gemacht hatten.Iacocca aber klebte an seinem Stuhl und betätigte sich mit Millionenbezügen als Retter aus der selbstverschuldeten Not.Er baute erneut Stellen ab und setzte ehrgeizige Kostensenkungsziele.Dazu trennte sich das Unternehmen nach und nach von seinen Beteiligungen und konzentrierte sich wieder auf das Autogeschäft.Erst 1992 fand der Chrysler-Aufsichtsrat den Mut, den Volkshelden und Bestseller-Autor Iacocca, der mit dem Unternehmen identifiziert wurde, abzuschieben.

An seine Stelle trat der unauffällige Ingenieur Robert Eaton, der vorher 29 Jahre bei General Motors unter Vertrag war, zuletzt als Europa-Chef.Er setzte solides Management an die Stelle von Star-Qualitäten.Er hielt auch Robert Lutz im Unternehmen, der sich ebenfalls Hoffnungen auf den Iacocca-Job gemacht hatte.Unter dem jüngst pensionierten Lutz erweiterte Chrysler konsequent die Produktpalette und das Design, das bis dahin nur eine Abklatsch der 80er Modelle gewesen war.Statt Krise gab es jetzt übervolle Kassen, die einen feindlichen Übernahmeversuch des Großaktionärs Kirk Kerkorian unter Mitwirkung von Iacocca provozierten.Dieser Versuch wurde aber abgewehrt.

NORBERT KULS (HB)

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