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Wirtschaft: Chrysler lastet auf Daimler

Bilanzexperte Küting rechnet mit bis zu sechs Milliarden Euro Verlust

Frankfurt am Main - Die Trennung von Chrysler belastet den Daimler-Konzern stärker als bislang bekannt. Der Verlust aus der bilanziellen Entkonsolidierung könnte nach Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsprüfung (IWP) an der Uni Saarbrücken bis zu sechs Milliarden Euro betragen. Das würde den von Konzernchef Dieter Zetsche erwarteten Vorsteuergewinn (Ebit) von sieben Milliarden Euro für 2007 weitgehend aufzehren.

Ein Daimler-Chrysler-Sprecher bezeichnete die IWP-Berechnungen als falsch und verwies auf „komplizierte Vorgänge“. Der Konzern selbst schätzt die Nettobelastungen auf drei bis vier Milliarden Euro. IWP-Direktor Karlheinz Küting, einer der renommiertesten Bilanzexperten Deutschlands, geht aber davon aus, dass „der tatsächliche Verlust aus der Trennung weit höher liegen könnte“.

Die exakte Höhe des Verlustes, erläuterte Küting, werde unter anderem von dem tatsächlichen Nettovermögen Chryslers zum Zeitpunkt der Trennung und von den „subjektiven Annahmen der Unternehmensbewertung für die 19,9-Prozent-Beteiligung Daimlers an der neuen Chrysler-Holding“ abhängen.

Der Daimler-Benz-Konzern hatte 1998 unter Führung von Jürgen Schrempp mit Chrysler fusioniert. Schrempps Nachfolger Dieter Zetsche gab unlängst den Verkauf Chryslers an den Finanzinvestor Cerberus für 5,5 Milliarden Euro bekannt. Davon fließen 4,5 Milliarden Euro an die neue Chrysler-Gesellschaft, an der die Stuttgarter nur mit knapp 20 Prozent beteiligt sind. Doch selbst der Restverkaufspreis von einer Milliarde Euro wird aufgezehrt. Nach Daimler-Angaben kommt es zu einer Nettobelastung von 850 Millionen Euro – unter anderem wegen der Schuldenübernahme.

Aufgrund der erwarteten tiefen Spuren in der Daimler-Bilanz haben Analysten ihre Prognosen nach unten revidiert. Unabhängig von Kütings Berechnungen erwartet Auto-Experte Georg Stürzer von der Hypo-Vereinsbank für 2007 nur ein Ergebnis vor Steuern und Zinsen von 3,2 Milliarden Euro. Michael Raab vom Bankhaus Sal. Oppenheim ist pessimistischer. Er rechnet mit einem Ebit von 2,5 Milliarden Euro. Beim Nettoergebnis erwartet er nicht mehr als eine „schwarze Null“.

Seit der Fusion mit Chrysler gab es immer wieder Versuche, die gesamten finanziellen Folgen für den deutschen Autokonzern zu berechnen. Das ist praktisch unmöglich, weil etwa Daimlers Investitionen bei Chrysler nicht beziffert werden können. Aber auch Schrempps Fusionsmethode („Pooling of Interests“) trägt zur Kaschierung bei: Schrempp tauschte Daimler-Anteile gegen Chrysler-Aktien und verrechnete den Gegenwert von 37 Milliarden Euro einfach mit dem gezeichneten Kapital. „Damit konnte er 37 Milliarden Euro auf Dauer an der Gewinn- und Verlustrechnung vorbeischleusen“, sagt Küting. Heute ist das Pooling international unzulässig. Wäre die „Fusion unter Gleichen“, wie es damals hieß, stattdessen als Übernahme gelaufen, wären 28 Milliarden Euro Goodwill entstanden. Goodwill ist der Tauschwert abzüglich des Nettovermögens. Diesen Goodwill hätte der Konzern wegen der schlechten Geschäftslage der Amerikaner weitgehend abschreiben müssen – zulasten des Gewinns. „Der Daimler-Konzern ist ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie legale Bilanzpolitik die Abbildung der Unternehmenslage verzerren kann“, kritisiert Küting.

Wie ein Sprecher am Montag bestätigte, hat der Konzern neben den finanziellen Belastungen aus dem Verkauf von Chrysler eine zusätzliche Garantie für die Pensionskasse des Autobauers von einer Milliarde Dollar übernommen. HB

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