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Claus Hipp (74) ist ein Mann mit vielen Talenten. Bei der Gläschenkost hat Hipp heute einen Marktanteil von knapp 50 Prozent – vor Alete oder Milupa.

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Exklusiv

Claus Hipp im Interview: „Auch der Ruder-Achter isst Babybrei“

Hipp nimmt nach Vorwürfen von Foodwatch einen Tee vom Markt. Firmenchef Claus Hipp spricht mit dem Tagesspiegel über gutes Essen, Tee mit Zucker und unternehmerische Verantwortung.

Pfaffenhofen ist ein kleiner adretter Ort an der Ilm, 50 Kilometer von München entfernt. Hier steht nicht nur das größte Werk von Hipp, hier ist auch die Verwaltung. Das Gebäude wirkt wie eine Mischung aus Bauernstube und Waldorfschule. Decken und Treppen sind aus Holz, an den Wänden hängen abstrakte Bilder. Gemalt hat sie Claus Hipp persönlich. Der Firmenchef trägt einen schwarzen Janker. Er ist schwer erkältet, kann kaum sprechen. Dennoch wollte er nicht absagen, erklärt er.

Herr Hipp, in Berlin gibt es heftige Diskussionen über die Kosten und die Qualität des Schulessens. Sie produzieren jeden Tag Millionen von Bio-Menüs für Babys und Kleinkinder. Was würde es kosten, ein warmes Bio-Essen für Schulkinder zu kochen?

Es ist möglich, das zu vertretbaren Kosten zu tun, am besten in Zusammenarbeit mit bestehenden Einrichtungen. So wie hier bei uns in Pfaffenhofen. Wir haben ein Betriebsrestaurant, in dem wir für unsere Mitarbeiter Bio-Essen kochen, und versorgen damit noch etliche Kindergärten.

Und so etwas würde auch in Berlin funktionieren?

Ja, man muss keine neuen Küchen einrichten, sondern man sollte bestehende nutzen. Warum kann man in Restaurants, die nur abends aufhaben, nicht tagsüber für Schulkinder kochen? Man könnte für eine solche Tätigkeit dann auch Menschen einsetzen, die keine Arbeit haben oder die schon in Rente sind, aber gern noch etwas hinzu verdienen würden. Mit ein bisschen guten Willen und Planung kriegt man eine Menge hin.

Wollen Sie mit Ihrer Firma in das Geschäft einsteigen und Schulessen anbieten?

Wir haben schon einen Schritt in diese Richtung gemacht. Unsere Breikost im Glas, vor allem die Früchte, sind bei Kindern sehr beliebt. Wir haben daher bereits in einigen Schulen Automaten aufgestellt – mit großem Erfolg.

Wollen Sie das ausbauen?

Wenn Interesse besteht, natürlich. Wir sind immer daran interessiert zu verkaufen.

In Berlin haben verdorbene Erdbeeren aus China, die ein Caterer verarbeitet hat, tausende Kinder krank gemacht. Woher kommen Ihre Zutaten?

Wir haben in Deutschland und in anderen europäischen Ländern Bio-Bauern, die uns beliefern. Wir arbeiten aber auch mit Bio-Verbänden zusammen.

Hipp hat 6000 Vertragsbauern. Wie wollen Sie die alle kontrollieren?

Die Bio-Verbände beraten, betreuen und kontrollieren ihre Mitglieder. Bevor es diese Verbände gab, haben wir das alles selbst getan. Aber die letzte Kontrolle machen wir noch immer hier.

Was ist mit den Bananen in Ihren Obstbreis? Die wachsen ja nicht hier.

Nein, die kommen aus Costa Rica, da arbeiten wir mit Kleinbauern im Urwald zusammen.

Und wie schauen Sie nach dem Rechten?

Ich war selbst schon da, aber wir haben natürlich auch ständig Leute vor Ort. Alle zwei, drei Wochen können sich die Bauern auf einen Besuch von einem unseren Mitarbeiter freuen.

In der Werbung versprechen Sie Ihren Kunden, dass Sie persönlich für Ihre Produkte einstehen – „dafür stehe ich mit meinem Namen“, sagen Sie. Belastet es Sie, dass wirklich nichts schiefgehen darf?

Nein, ich habe immer für das eingestanden, was ich getan habe. Damit bin ich groß geworden. Das ist für mich nichts Neues.

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat Ihnen wegen Ihrer zuckerhaltigen Instant-Früchtetees den „Windbeutel 2012“ verliehen – eine „Auszeichnung“ für die größte Werbelüge des Jahres. Schadet das Ihrem Namen?

Dieser Preis hat uns zu Unrecht getroffen. Der Zuckergehalt in den Tees, die Foodwatch kritisiert hat, entspricht in etwa dem einer Apfelsaftschorle, bei der zwei Teile Wasser mit einem Teil Saft gemischt sind. Es ist alles eine Frage des Maßes.

Wie haben Sie auf die Kritik reagiert?

Wir haben das Produkt eingestellt und ab November gibt es einen neuen zuckerfreien Tee.

Obwohl Sie Ihren Tee für sinnvoll halten?

Wir wollten die Verbraucher nicht verunsichern und wir wollten keinen Kampf in der Öffentlichkeit austragen. Die üble Nachrede ist immer stärker als der Werbeaufwand.

Sie sind der größte Produzent von Säuglingsnahrung in Deutschland, obwohl Ihre Gläschen teurer sind als die der Konkurrenz. Geben Eltern mehr aus, weil sie denken, Ihre Produkte sind besser?

Die Sicherheit, die Kontrolle, der biologische Anbau, das sind Argumente, für die Verbraucher bereit sind, mehr Geld auszugeben.

"Wir bekommen natürlich auch zu spüren, dass Rohstoffe teurer werden."

Und der Glaube, dass Sie ein deutsches Familienunternehmen sind? Dabei hat Hipp seinen Konzernsitz in der Schweiz.

Ja, aber das liegt daran, dass wir Schweizer sind, meine Mutter kommt aus der Schweiz. Wir sind nicht welche, die plötzlich die Schweiz entdeckt haben.

Das Geschäft läuft gut. Im vergangenen Jahr hat Hipp rund 550 Millionen Euro umgesetzt. Wie viel werden es 2012 sein?

Hoffentlich mehr.

Und was bleibt davon bei der Familie hängen?

Dazu äußern wir uns nicht. Aus gutem Grund. Denn egal, was wir sagen, es wird uns immer zum Nachteil ausgelegt. Wenn wir einen guten Gewinn haben, sagt der Handel, Hipp verdient zu viel. Bei einem schlechten Gewinn heißt es, wie können die noch Qualität machen, wenn sie so wenig verdienen? Da sagen wir lieber nichts.

Wie sehr drückt der Handel auf die Preise? Machen dm und Rossmann jetzt mehr Druck, seitdem Schlecker weg ist?

Beste Qualität zu günstigsten Preisen, so funktioniert Wettbewerb nun einmal. Aber es geht eben nicht nur um den Preis, sondern auch um die Qualität. Wenn man die Nummer eins ist, kann man mit dem Handel anders reden als wenn man die Nummer fünf ist.

Kann eine Drogeriekette auf Hipp verzichten?

Schlecker hatte das mal versucht. Nach zwei Jahren haben sie eingesehen, dass man die Premiummarke haben muss.

Rohstoffe werden immer teurer. Müssen Sie bald Ihre Preise erhöhen?

Nein, wir bekommen natürlich auch zu spüren, dass Rohstoffe teurer werden. Aber wir haben feste, langfristige Anbauverträge mit den Bauern. Das schützt uns vor der Preistreiberei durch Spekulanten.

Ihre Kernkundschaft schwindet. In Deutschland gibt es immer weniger Kinder. Wie reagieren Sie darauf?

Wir gleichen das durch den Export aus, und wir erleben, dass auch Erwachsene Babynahrung kaufen – Jugendliche, junge Frauen, aber auch Ältere und Leistungssportler.

Leistungssportler essen Ihre Gläschen?

Nicht die Gläschen, sondern das, was drin ist. Der deutsche Ruder-Achter hat Babybreis gegessen, weil die Breis Energie bringen, aber die Verdauung leichter ist. Magdalena Neuner, unsere Biathletin, hat das vor ihren Rennen auch so gemacht.

Wollen Sie eine eigene Linie für Erwachsene machen?

Nein. Wir haben aber ein Kochbuch herausgebracht, in dem steht, wie man mit unseren Gläsern auch für Erwachsene kochen kann. Mit der richtigen Würze und Zubereitung geht das.

Sie haben fünf Kinder, zwei Söhne sind bereits im Unternehmen. Wie lange wollen Sie noch weitermachen?

Solange sie mich noch brauchen, helfe ich mit. Es gibt keinen Handlungsdruck. Meine Söhne sind jetzt schon voll drin, sie sind auch Gesellschafter. Ich habe bereits alles getan, was nötig ist.

Wird Hipp ein Familienunternehmen bleiben?

Wenn meine Nachkommen klug sind, werden sie so weitermachen. Ich habe zehn Enkel. Das ist doch vielversprechend.

Sie sind jetzt 74. Jeden Morgen stehen Sie um halb fünf auf, beten in Ihrer Kapelle, fahren dann in die Firma, abends malen Sie, und dann fahren Sie auch noch regelmäßig nach Georgien, um Studenten zu unterrichten. Wie schaffen Sie das?

Man muss eins nach dem anderen machen und Termine kurz halten. Außerdem gehe ich früh ins Bett. Wenn nichts anliegt, gehe ich um neun schlafen.

Zur Person:

Claus Hipp (74) ist ein Mann mit vielen Talenten. Er hat als Stuntman gearbeitet, war Turnierreiter und wollte Schauspieler werden. Als Nikolaus Hipp hat er sich zudem einen Namen als Maler gemacht. In Tiflis unterrichtet er Studenten in Kunst und Wirtschaft – neben der Leitung seiner Firma. Den elterlichen Betrieb hatte der promovierte Jurist nach dem Tod seines Vaters Georg mit 29 Jahren übernommen. Hipp setzte früh auf bio und Rohstoffe aus heimischem Landbau. Bei der Gläschenkost hat Hipp heute einen Marktanteil von knapp 50 Prozent – vor Alete oder Milupa.

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