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Wirtschaft: Clement bleibt Wachstumsoptimist

Wirtschaftsminister sieht Trendwende nach dem Ende des Irak-Krieges – Staatskassen sind trotzdem leer

Berlin (asi/brö/fo). Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) wird seine Wachstumsprognose von einem Prozent für das laufende Jahr nur unwesentlich nach unten korrigieren. Nach dem Ende des IrakKrieges und angesichts weiter sinkender Ölpreise sieht Clement keinen Grund für schärfere Korrekturen. Erwartet werden jetzt zwischen 0,7 und 0,8 Prozent für 2003. Vor allem will er Schätzungen namhafter Institute auf keinen Fall folgen, nach denen die Wirtschaft im zweiten Quartal sogar schrumpft. Diese Annahme sei überholt, heißt es im Ministerium.

Zum Wochenbeginn plant Clement, seine überarbeiteten Zahlen vorzulegen. Nur 0,5 Prozent Wachstum fürs Gesamtjahr – wie von den Ökonomen angenommen – oder sogar nur 0,3 Prozent wie erst gerade von der OECD erwartet, hält er für zu niedrig. Erst im Januar hatte Clement seine Prognose wegen der anhaltenden Konjunkturflaute von 1,75 auf 1,0 Prozent senken müssen. Die Wachstumsprognose ist für die Finanzplanung des Bundes wichtig, weil sie Basis für die Schätzung der Steuereinnahmen ist.

Zu den weiteren Perspektiven heißt es im Freitag veröffentlichten Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums: „Sofern die erwartete weltwirtschaftliche Belebung einsetzt, ist damit zu rechnen, dass die deutsche Wirtschaft davon profitieren wird“, schreiben die Beamten. „Damit könnte sich in Deutschland wieder eine konjunkturelle Belebung nach klassischem Muster – außenwirtschaftliche Impulse greifen auf die Binnenwirtschaft über – durchsetzen.“ So habe sich der Außenhandel auch 2002 trotz eines schwierigen Umfeldes gut behauptet.

Experten halten die Berechnung der Regierung für gewagt. „Das ist eine sehr optimistische Annahme“, sagte Udo Ludwig, Konjunkturchef des Institus für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), dem Tagesspiegel. „Eine Absenkung auf 0,5 Prozent Wachstum würde deutlich mehr Planungssicherheit für die Staatsfinanzen bedeuten.“ Auch Michael Grömling, Chefvolkswirt des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hält Clements Annahme für überzeichnet. „Kaum ein Ökonom teilt derzeit diesen Optimismus“, sagte er. Das geringere Wachstum schmälert auch die Steuereinnahmen, wie das Finanzministerium bestätigte. Im ersten Quartal hätten sie mit 89,1 Milliarden Euro um 2,9 Prozent unter dem Vorjahreswert gelegen, hieß es im Monatsbericht. Der Bund musste mit 36,2 Milliarden Euro Einnahmen Steuerausfälle gegenüber dem Vorjahr von zwei Milliarden Euro oder 5,1 Prozent verkraften.

Zugleich stiegen die Ausgaben des Bundes aber um vier Prozent auf 72,4 Milliarden Euro, vor allem wegen hoher Zahlungen für die soziale Sicherung und der Folgen der hohen Arbeitslosigkeit. Damit ergab sich Ende März eine Finanzierungslücke von 31,6 Milliarden Euro, gut zwölf Milliarden Euro mehr als für das Gesamtjahr angesetzt. Im Ergebnis musste Finanzminister Eichel im ersten Quartal bereits 9,1 Milliarden neue Kredite aufnehmen. Das ist schon fast die Hälfte des Kreditrahmens für das gesamte Jahr von 18,9 Milliarden Euro. Experten gehen inzwischen davon aus, dass die neuen Schulden in Folge der hohen Arbeitslosigkeit und weiterer Steuerausfälle in diesem Jahr von zwölf bis 15 Milliarden Euro auf 34 Milliarden erhöht werden könnten. Das Finanzressort weist dies aber noch als Spekulation zurück.

Kritik an Eichels Politik wächst

Derweil wurde Kritik an der Politik von Finanzminister Hans Eichel auch aus dem Kreis des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung laut. Wolfgang Wiegard, Vorsitzender des Gremiums, das die Bundesregierung berät, warf Eichel eine undurchsichtige Politik vor. „Die steuerpolitischen Leitlinien der Bundesregierung werden immer unklarer“, sagte er dem Tagesspiegel. Durch die geplante Zins-Abgeltungssteuer wachse die Gefahr einer weiteren Verfälschung des Einkommenssteuersystems, nachdem Arbeitseinkünfte mit dem persönlichen Steuersatz belastet werden. Zu einer solchen Verschiebung war es bereits durch die steuerlichen Ausnahmetatbestände bei den Mini-Jobs und der Ich-AG gekommen. Wiegard kritisierte zudem, dass durch Eichels Politik der Einsatz von Fremd- gegenüber Eigenkapital steuerlich besser gestellt wird. Vor dem Hintergrund der im europäischen Vergleich ohnehin viel zu geringen Eigenkapitalausstattung deutscher Firmen sei dies eine Fehlentwicklung, die mit einer erneuten Steuerreform nach 2005 beendet werden müsse.

Auch der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Meister, kritisierte eine solche Verschiebung. Er warf Eichel vor, in der gleichen Zeit steuerliche Fehlanreize zu setzen, in der das Wirtschaftsministerium die europäischen „Basel-II-Verhandlungen“ zur Stärkung der Eigenkapitalbasis von Unternehmen führe. Entschieden wandte sich auch Meister gegen die Pläne von Eichel zur Besteuerung von Aktienverkäufen. Während er die Abgeltungssteuer auf Zinserträge als „dringend notwendige Verbreiterung der Bemessungsgrundlage für Steuereinnahmen“ begrüßte, forderte er Eichel auf, die Pläne zur Versteuerung von Aktienverkäufen aufzugeben und darüber hinaus die Spekulationsfristen beim Verkauf von Aktien und Immobilien zu verkürzen. „Hier wird dringend benötigtes Kapital viel zu lange eingemauert“, sagte Finanzpolitiker Meister weiter.

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