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Wirtschaft: Clement gegen Extra-Steuer

Aber Spitzensatz könnte steigen / Immobilienbranche kritisiert SPD-Pläne

Berlin - Wirtschaftsminister Wolfgang Clement hat den SPD-Vorschlag einer Extra-Steuer für hohe Einkommen abgelehnt, aber als Kompromisslinie höhere Spitzensätze bei der Einkommensteuer ins Gespräch gebracht. Rot-Grün habe diese Sätze gerade erst gesenkt, um den Mittelstand zu stärken, sagte er dem Tagesspiegel. „Deshalb muss einer neuerlichen Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf jeden Fall die rechtsformneutrale Besteuerung vorausgehen. Ansonsten wären die Personengesellschaften wieder zurückgeworfen.“

Der stellvertretende SPD-Chef Wolfgang Thierse forderte grundsätzlich eine stärkere Belastung von Spitzenverdienern, ließ aber den Weg offen. „Die soziale Balance ist zerstört zwischen denen, die über die letzten zehn Jahre netto weniger Lohn erhalten haben oder arbeitslos geworden sind, und jenen, die sich als Vorstände von Großunternehmen die Taschen voll gestopft haben“, sagte er dem Tagesspiegel. Er wolle sich nicht festlegen, mit welchem Instrument die Ungerechtigkeit korrigiert werden solle. „Aber korrigiert werden muss sie.“

Die „Millionärssteuer“, die laut Finanzministerium bis zu 1,7 Milliarden Euro bringen soll, lehnt Clement ab: „Ich möchte sie nicht, und zwar aus Gründen der Verlässlichkeit und Kalkulierbarkeit.“ Gedacht ist, Jahreseinkommen von mehr als 250000 Euro bei Einzelpersonen und 500000 Euro bei Ehepaaren mit einem Zuschlag von bis zu fünf Prozent bei der Einkommensteuer zu belegen.

Doch bleibt der Vorstoß, der auch in konservativen SPD-Kreisen Zustimmung findet, vorerst nur eine Idee. In Koalitionskreisen rechnet man nicht damit, dass ein Gesetzentwurf noch in der nächsten Woche in den Bundestag eingebracht wird. Falls es zu Neuwahlen kommt, könnte die Steuer erst danach im Bundestag beraten werden. Ohnehin müsse in erster Linie entschieden werden, ob die Forderung ins Wahlmanifest einfließe, hieß es in der Koalition.

Anders ist es bei der Erbschaftsteuer auf private Vermögen. Bei Rot-Grün gibt es Bestrebungen, am kommenden Donnerstag und damit einen Tag vor der geplanten Vertrauensfrage von Bundeskanzler Gerhard Schröder im Bundestag eine Reform der Erbschaftsteuer zu verabschieden. Am heutigen Donnerstag will Rot-Grün mit Finanzpolitikern von CDU/CSU und FDP darüber beraten, da beim „Job-Gipfel“ ursprünglich ein gemeinsamer Reformansatz zwischen Regierung und Opposition vereinbart worden war – allerdings zur Vererbung von Betrieben. Eine Zustimmung von CDU/CSU oder FDP zur neuen Linie von Rot-Grün gilt als ausgeschlossen.

Das Vorhaben stößt auch in der Immobilienbranche auf scharfe Kritik, da bei vererbten Wohnungen, Häusern oder Grundstücken mehr Steuern anfallen würden. Dabei geht es nicht um einen höheren Steuersatz, sondern eine veränderte Bemessungsgrundlage: Statt wie bisher der Grundbesitz- (oder Bedarfs-)wert soll künftig der häufig höhere Verkehrswert angesetzt werden. Ferner sollen Erbschaften von mehr als fünf Millionen Euro zusätzlich mit zwei bis fünf Prozent belastet werden.

Michael Schick, Vizepräsident des Immobilienverbands Deutschland, in dem sich unter anderen die Makler zusammengeschlossen haben, kritisierte, dass die geplante Änderung allein „zu Lasten der künftigen Generation geht“. Zudem würde die Diskussion ohne Not geführt, weil ohnehin erst eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Besteuerung von Immobilienvermögen abgewartet werden müsse. „Wer heute eine Reform der Erbschaftsteuer fordert, tut das aus reinem Populismus“, sagte Schick dem Tagesspiegel. Auch seine Branche würde nicht davon profitieren, wenn es in Folge einer geänderten Erbschaftsteuer künftig zu mehr Immobilienverkäufen kommen sollte: „An Notverkäufen verdient keiner etwas.“

Ein Sprecher der Eigentümerschutzgemeinschaft Haus&Grund sagte, „die finanzielle Belastung für den privaten Hauseigentümer hat das tolerierbare Maß bereits überschritten“. Zudem habe der Staat seine Bürger jahrelang dazu aufgefordert, privat für das Alter vorzusorgen. Die beliebteste Altersvorsorge sei dabei das Eigenheim. „Wer befolgt, was der Staat geraten hat, wird nachher mit einer höheren Steuer be-

straft“, sagte der Verbandssprecher.

In Clements Umfeld hieß es, er sei „sehr verärgert“ über die jüngsten Debatten und trete beim Parteitag in November nicht mehr als stellvertretender Parteivorsitzender an. Geschlagen gibt er sich jedoch nicht: Er will in der SPD weiter für das Thema Wirtschaft stehen und die Leitung eines Wirtschaftsforums der Partei übernehmen. Mit SPD-Chef Franz Müntefering habe er das bereits besprochen. Bei früheren Konflikten hatte er die Möglichkeit eines Rücktritts vom Parteiamt angedeutet und die SPD so unter Druck gesetzt – das tut er nun nicht.

Clement appellierte an seine Partei, Schröders Reformkurs weiter mitzutragen. „Deutschland hat eine starke wirtschaftliche Substanz. Trotz einigen Unbills wie etwa dem hohen Ölpreis sind wir konjunkturell auf der richtigen Spur.“ Der Sozialstaat sei nur mit Wachstum zu sichern.

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