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Wirtschaft: Clement umwirbt die Wirtschaft

Minister bietet „Allianz für Erneuerung“an/Arbeitgeberpräsident wirft Regierung Realitätsverlust vor

Berlin (brö). Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat bei den deutschen Unternehmen um Verständnis für die Wirtschaftspolitik der Regierung geworben und sie aufgerufen, bei der Lösung der Beschäftigungsprobleme mitzuarbeiten. Nötig sei eine „Allianz für Erneuerung“, sagte er am Dienstag in Berlin. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kritisierte dagegen die Regierungskoalition scharf und warf ihr „Realitätsverlust“ vor.

Clement sagte auf einer Tagung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), zwar sei die Lage ernst, zur „Panikmache“ bestehe aber kein Anlass: „Eine wirtschaftliche Katastrophe sieht anders aus.“ Allerdings müsse das Land „umdenken und neue Wege gehen“ und „verkrustete Strukturen aufbrechen“. Clement appellierte an Firmen, Gewerkschaften und Politik, alte Rollen aufzugeben und sich nicht länger gegen Veränderungen zu sperren.

Vor den Lobbyisten und Managern sagte der Minister, es sei klar, dass die jüngsten Steuer und Sparbeschlüsse „keine Begeisterung wecken“. Dennoch seien die Maßnahmen vernünftig, weil sie Vergünstigungen abbauten. An der Wachstumsschwäche Deutschlands seien die Weltkonjunktur und die Lasten der Einheit Schuld. Zudem behindere die Regulierung des Arbeitsmarktes Neueinstellungen und führe dazu, dass Arbeitslose nicht schnell genug einen neuen Job fänden. Mit der Umsetzung der Hartz-Reformen werde sich dies aber ändern.

Clement räumte ein, auch 2003 werde die Arbeitslosigkeit „bei ähnlichen Durchschnittswerten wie in diesem Jahr“ liegen. Es gebe indes „durchaus Argumente“, die für ein verstärktes Wirtschaftswachstum zwischen 1,4 Prozent und 1,75 Prozent sprächen. Der Sachverständigenrat der „Fünf Weisen“ sei mit seiner Prognose über ein Wachstum von nur 1,0 Prozent isoliert.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hatte die Wirtschaftslage zuvor deutlich pessimistischer eingeschätzt. „Die deutsche Wirtschaft befindet sich in der tiefsten Talsohle seit 20 Jahren“, klagte er. Die Wirtschaft sei „maßlos enttäuscht“ über den Kurs der Bundesregierung, sagte Hundt unter dem donnernden Applaus der Zuhörer. Ohne neue Strukturen werde die Sozialversicherung dieses Jahrzehnt nicht überstehen. Es müsse dringend eine wirkliche Reform des Arbeitsmarktes geben, „und das heißt nicht Hartz“. Der VW-Manager habe ohnehin ein ganz anderes Konzept vorgeschlagen.

Die neuen Gesetze zur Arbeitsmarkt-Reform seien widersprüchlich und kontraproduktiv, befand Hundt. Das geplante Brückengeld für ältere Arbeitnehmer werde zu einer neuen „Frühverrentungswelle“ führen. Dies müsse der Bundesrat stoppen, forderte der Arbeitgeberpräsident von den unionsregierten Ländern. Außerdem werde die Neuregelung der Zeitarbeit, nach der Leiharbeiter ab 2004 nach den Konditionen des entleihenden Betriebs bezahlt werden sollen, für die Branche verheerende Konsequenzen haben. Die neuen Regeln würden die Kosten für Leiharbeit verdoppeln. Die Regierung mache den Weg frei für ein „Tarifdiktat“ der Gewerkschaften. Deren Ziel sei es, die gewerbliche Zeitarbeit zu zerstören zugunsten öffentlich subventionierter Personal-Service-Agenturen. Hundt bot Clement eine Wette an: Sollten bis Ende des Jahres 2004 mehr Menschen bei privaten Zeitarbeitsfirmen beschäftigt sein als heute, „werde ich sehr öffentlichkeitswirksam Abbitte leisten“. Sinke die Beschäftigung indes, müsse Clement das Gesetz wieder ändern. Nickend willigte der Wirtschaftsminister ein.

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