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Wirtschaft: Coca-Colas Kampf gegen die Krise Noch ist der Getränke-Gigant nicht aus dem Schlimmsten heraus / Hilfsangebot von der Konkurrenz

ATLANTA/BRÜSSEL . Coca-Cola wirbt damit, in jedem Winkel der Erde eine Cola in Reichweite bereit zu stellen.

ATLANTA/BRÜSSEL . Coca-Cola wirbt damit, in jedem Winkel der Erde eine Cola in Reichweite bereit zu stellen. Nun ist das Unternehmen in Teilen von Westeuropa über Nacht unter Druck geraten. Der große Softgetränkehersteller befindet sich in einer schwierigen Situation. In Belgien, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden weitet sich der Skandal um die Sicherheit seiner Produkte immer weiter aus. Was vor zwei Wochen mit der Übelkeit einiger Schulkinder in Belgien begann, ist zu einem Alptraum der Public-Relation-Manager geworden - und das, obwohl das Unternehmen beteuert, der Grund für die Verunreinigungen sei klar und ein Gesundheitsrisiko ausgeschlossen.

Nach Belgien, den Niederlanden und Luxemburg weitete sich der Skandal vergangene Woche auch auf Frankreich aus. Die französische Regierung berichtete von Darmerkrankungen und Übelkeit bei 80 Menschen im Norden Frankreichs, nachdem diese Coca-Cola getrunken hatten. Außerdem hieß es, daß Saudiarabien und Deutschland ein Importverbot für die in Belgien von Cola produzierten Getränke ausgesprochen hätten und daß die spanische Regierung den Weitertransport einer Schiffsladung von in Belgien abgefüllter Cola und anderer Getränke gestoppt habe.

Coca-Colas Unfähigkeit, die Krise einzudämmen zeigt, wie schnell eine weltweit erfolgreiche Marke vom Sockel gestürzt werden kann. Das Unternehmen hat Jahre damit verbracht, ein Image im Ausland aufzubauen, und der Absatz im Ausland steuert inzwischen 73 Prozent seines Gesamtgewinns bei. Auch wenn die gegenwärtige Krise das Unternehmen nicht in seinen Grundfesten erschüttert, stehen doch der Ruf von Coca-Cola und das Vertrauen der Konsumenten auf dem Spiel. Und da das aktuelle Gesundheitsrisiko offensichtlich minimal ist, stellt sich nun die Frage, wie gut Coca-Cola es schafft, aus der Krise herauszukommen.

In seiner ersten öffentlichen Erklärung zu dem Problem sagte Coca-Cola-Chef Douglas Invester, daß die "oberste Priorität die Qualität unserer Produkte ist. 113 Jahre lang beruhte unser Erfolg auf dem Vertrauen unserer Kunden in die Qualität. Dieses Vertrauen ist uns heilig." Er wolle Konsumenten, Kunden und Regierungsvertreter überzeugen, daß das Unternehmen Schritte unternehmen wird, um sicherzustellen, daß alle Produkte den höchsten Qualitätsstandard erfüllen und daß "nichts darunter akzeptierbar ist und wir nicht ruhen werden, bis wir uns sicher sein können, das erreicht zu haben." Invester sagte, er würde die Vorkommnisse "tief" bedauern.

Coca-Cola hat wegen des Skandals kürzlich ein internationales Treffen in der Brüsseler Unternehmenszentrale einberufen. Anton Amon, der Vizepräsident für Produktintegrität von Coca-Cola, flog mit mehreren Technikspezialisten ein. Außerdem kamen ein Londoner Unternehmenssprecher, Paul Pendergrass. Am Mittwoch reiste Coca-Colas Vizepräsident für internationale Kommunikation und Hauptsprecher, Randal Donaldson, eigens im Unternehmensjet an, um persönlich die Public Relations zu übernehmen. Bis spät in die Nacht wurde am Mittwoch diskutiert.

Je länger die Unsicherheit anhält, umso schwieriger wird die Lage. Eine Schlagzeile auf der ersten Seite des schwedischen Svenska Dagbladet verkündete am Mittwoch über den Skandal in Belgien: "200 wurden durch Coca-Cola vergiftet". Am gleichen Tag titelte eine italienische Zeitung, ebenfalls auf der ersten Seite: "Europaweiter Alarm wegen Coca-Cola-Produkten". Konsumenten und Gesundheitsbehörden äußerten Skepsis, daß Coca-Cola ausreichend die Gründe der Gesundheitsprobleme erforscht habe. Das Unternehmen hatte erklärt, zum Teil sei die Übelkeit der belgischen Kinder auf Kohlendioxid schlechter Qualität in den Softdrinks zurückzuführen. Der künstliche Zusatz von Kohlendioxid bringt Softdrinks zum Sprudeln. Ein anderer Grund für die Übelkeit sei gewesen, daß die Büchsen außen mit Holzschutzmitteln behaftet gewesen seien. Diese Chemikalien werden für die Schiffspaletten eingesetzt. Coca-Cola erklärte, daß keine ernstzunehmende Gefahr für die Gesundheit bestehe.

Was das Unternehmen bislang mitteilte, sei "nicht abschließend" und zerstreue noch nicht die Bedenken, sagt Rachel Demarque, Spezialistin für toxische Substanzen bei einer Brüsseler Agentur, die die Öffentlichkeit über Gifte informiert. Nach ihren Angaben erhält die Agentur immer noch zahlreiche Anrufe von Belgiern, die über Übelkeit, Magenprobleme oder Kopfschmerzen nach dem Trinken von Coca-Cola-Produkten klagen.

Am Mittwoch nachmittag herrschte weiterhin Verwirrung. Coca-Cola beharrte zum Beispiel darauf, daß ein Verbot in Frankreich sich nur auf Büchsen bezog, die in seiner Abfüllanlage im französischen Dünkirchen produziert wurden. Daher setzte das Unternehmen die Abfüllung und den Vertrieb in Marseille fort. Doch die französische Regierung erklärte, daß das Verbot alle in Frankreich produzierten Coca-Cola-Getränke betreffe. Eine angekündigte Entscheidung der Brüsseler Regierung, ob Cola-Produkte wieder in die Regale zurückdürfen, wurde verschoben. Trotzdem gab sich Coca-Cola optimistisch. "Wir denken, wir sind nah daran, das Sicherheitsbedürfnis des Ministers über die Qualität von Cola-Getränken zu befriedigen", sagte Unternehmenssprecher Pendergrass. Es werde nicht "allzu lange" dauern, bis CokeProdukte wieder in Belgien verkauft würden. Genauere Angaben lehnte er allerdings ab.

Selbst starke Konkurrenten von Coca-Cola haben Verständnis für die Situation des Unternehmens bekundet, ist ihnen doch bewußt, daß sie leicht in eine ähnliche Situation kommen könnten. Pepsi hat Coca-Cola seine Unterstützung angeboten. Und vergangenen Mittwoch hat Wayne Mailloux, Pepsis Europachef, ein E-Mail an Angestellte verschickt, in dem er sagte, "Ich möchte betonen, daß wir uns in dieser Siuation nicht opportunistisch verhalten oder auf irgendeine Weise daraus Nutzen ziehen."

Branchenvertreter erklärten, daß der Coca-Cola-Skandal der schlimmste Alptraum jedes Konsumgüterherstellers wäre, vor allem, weil eine Eigendynamik entstanden sei. "Jedes Unternehmen hat Angst davor - die Beziehung zum Kunden ist sehr fragil und man möchte diese Beziehung nicht gefährden", sagt Michael Weinstein, Vorstandsvorsitzender der Triarc Cos., zu deren Getränkebereich RC Cola und Snapple gehört. Coca-Cola ist nach Meinung von Experten in einer mißlichen Lage, denn selbst wenn der Skandal von Politikern hochgespielt wird, muß das Unternehmen Verständnis für eine Überreaktion von Konsumenten und Regierungen haben. Dennoch wäre es übertrieben und sehr kostspielig für Coca-Cola, jedesmal ein Produkt vom Markt zu nehmen, wenn ein Konsument sich schlecht fühlt.

NIKHIL DEOGUN, JAMES R. HAGERLY

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