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Die Kugel geben. Diese kleinen Knorpelzellkügelchen, Sphäroide genannt, werden dem Patienten transplantiert. Sie können ein Loch im geschädigten Knorpel schließen.

© Codon

Codon: Die Retter des Kniegelenks

Die kleine börsennotierte Firma Codon aus Teltow bei Berlin produziert Knorpel aus dem Reagenzglas. 1997 wurde die Methode erstmals angewandt, seit 2008 zahlen auch Kassen dafür.

Berlin - Eine Frau sitzt vor einem hohen Glaskasten, das Gesicht ganz nah an der Scheibe. Ihre Arme hat sie durch zwei Gummischläuche gesteckt, durch die sie in den Kasten hineingreift. Hinter der Scheibe präpariert sie menschliche Zellen, legt sie in eine Nährlösung ein und verstaut sie im Brutkasten. So wächst bei der Firma Codon in Teltow am südwestlichen Berliner Stadtrand in den sterilen Boxen Knorpel heran, der Patienten mit geschädigten Kniegelenken oder Bandscheiben helfen soll. „Wir produzieren körpereigenen Ersatzteile“, sagt Andreas Baltrusch, Vorstandschef des 1993 gegründeten Biotec-Unternehmens. Die dafür nötigen Produktionsanlagen und das Verfahren hat das Unternehmen selbst entwickelt. Die Zellen wachsen unter hoch sterilen Bedingungen heran, ohne den Einsatz von Antibiotika oder Pilzmitteln.

Baltrusch, eigentlich Wirtschaftsingenieur und erst seit einem Jahr als Geschäftsführer dabei, erklärt das medizinische Verfahren, das den Erfolg des Unternehmens ausmacht. Menschen, bei denen sich zum Beispiel durch Verschleiß ein Loch im Knieknorpel gebildet hat, lassen beim Arzt aus einem gesunden Bereich ihres Knies ein reiskorngroßes Stück Knorpel entnehmen. Bei Codon werden aus den wenigen Zellen aus der Probe des Patienten innerhalb von vier bis acht Wochen viele Zellen gemacht und zu kleinen Kügelchen geformt. Der Arzt trägt die Kügelchen schließlich über eine Spritze auf das verletzte Gelenk auf, – eine Transplantation. Dort sollen sie das Loch schließen.

„Die Methode kann vielen und nicht nur jungen Menschen eine Prothese ersparen“, sagt Baltrusch. Die minimalinvasive Operation sei schonend und der Körper stoße das Gewebe nicht ab, beschreibt Baltrusch die Vorteile. „Wir setzen mit unserer Methode auf eine Heilung des Defekts statt auf einen Ersatz durch künstliche Teile“, erklärt er. Ähnlich funktioniert das Verfahren für Bandscheiben. Nach der Operation, bei der das hervorgetretene Knorpelgewebe entfernt wurde, werden daraus bei Codon Zellen genommen und vermehrt. In einer minimalinvasiven Operation werden die Zellen dem Patienten gespritzt, so dass der fehlende Bandscheibenknorpel wieder aufgebaut werden kann.

Steril. In diesem Labor in Teltow züchten Mitarbeiter die Zellen.
Steril. In diesem Labor in Teltow züchten Mitarbeiter die Zellen.

© Codon

Erst 100 Ärzte und Kliniken in Deutschland nutzen die Zelltherapie von Codon. Zwar wurde schon 1997 der erste Patient behandelt. Doch die Krankenkassen kommen erst seit 2008 für die Behandlungsmethode auf. „Wir treten gegen starke Medizintechnikunternehmen an, die bei den Prothesen ihre Marktanteile schützen wollen“, erklärt Baltrusch. Zudem seien viele Ärzte bei ihrer Behandlungsempfehlung eher konservativ. „Betrachtet man die Gesamtkosten, ist unser Verfahren preiswerter, auch wenn das Produkt selbst teurer ist als manche Prothese“, sagt Baltrusch. Eine Anzüchtung der Zellen kostet derzeit 3500 Euro. Mittlerweile hat die Firma, die seit 2001 börsennotiert ist, schon fast 4000 Patienten therapiert. „Die Erfolgsquote liegt bei über 90 Prozent“, sagt Baltrusch. Derzeit führt das Unternehmen weitere klinische Langzeitstudien durch.

Codon will im Jahr 2011 deutlich wachsen und bekannter werden. Das Unternehmen mit seinen 30 Mitarbeitern machte 2009 einen Umsatz von 1,8 Millionen Euro. „Wir könnten unsere Produktion jederzeit verdreifachen“, sagt Baltrusch. Bis zu 5000 Patienten im Jahr könne man so behandeln. Insgesamt, so schätzt Baltrusch, gibt es in Deutschland, dem stärksten Markt des Unternehmens, weit mehr als 10 000 Defekte am Knieknorpel, die mit der Zelltherapie von Codon behandelt werden könnten. „Wir wollen unser Produkt bekannter machen und das Vertrauen von Ärzten gewinnen. 2011 hoffen wir auf ein Wachstum von 20 bis 30 Prozent und auf 1500 Patienten“, sagt Baltrusch. Dafür müsse man Marketing und Vertrieb stärken. Codon verkauft seine Produkte auch in die Schweiz, nach Österreich, Italien und Griechenland.

Das Land Brandenburg hat Codon gerade 2,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, mit dem das Unternehmen expandieren und weiter forschen will. „Die bewilligten Fördergelder unterstützen uns maßgeblich bei der Umsetzung der hohen Anforderungen der Europäischen Arzneimittelbehörde auf dem Weg der Erlangung einer zentralen Zulassung des Gelenkknorpelproduktes in Europa“, erklärt Baltrusch. Da im Dezember 2008 eine neue europäische Verordnung in Kraft trat, die für zellbasierte Arzneimittel eine Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz fordert, muss Codon die teuren Langzeitstudien durchführen. Bisher kommt das Zelltransplantat überwiegend im Knie und in der Bandscheibe zum Einsatz, das Unternehmen forscht aber auch an Hüfte, Ellenbogen und Sprunggelenk. „Wir denken außerdem darüber nach, das Verfahren in der Veterinärmedizin anzuwenden“, sagt Baltrusch. Auch etwa bei einem Rennpferd könnte so zerstörter Knorpel wieder aufgebaut werden.

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