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Inzwischen wird die Hälfte der Geschäfte an der New Yorker Börse von Computern abgewickelt.

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Computerhandel: Gefährliches Zwitschern an der Börse

Eine Falschmeldung, über Twitter verbreitet, führt zum Einbruch des Dow Jones – künftig könnte das zur Regel werden.

An vielen Börsen rund um die Erde fragen die Experten erneut nach der Verwundbarkeit computergestützter Handelssysteme. Eine Twitter-Meldung der amerikanischen Nachrichtenagentur AP hatte den US-Leitindex Dow Jones am Dienstag binnen Minuten um knapp ein Prozent absacken lassen: Präsident Barack Obama sei durch Explosionen im Weißen Haus verletzt worden. Doch die Meldung war falsch. Eine Gruppe namens „Syrian Electronic Army“ bekannte sich zu einem Hackerangriff.

Die Computersysteme, die den täglichen Nachrichtenstrom nach börsenrelevanten Informationen durchforsten, können nicht zwischen wahr und falsch unterscheiden. Um kurz nach 13 Uhr Ortszeit an der Ostküste tauchte die Meldung auf den Bildschirmen der Händler auf. Der Dow Jones sank um 145 auf rund 14 554 Punkte ab. Der vorübergehende Wertverlust lag bei rund 140 Milliarden Dollar. AP bemerkte den Fehler rasch und sandte um 13.10 Uhr das Dementi. Um 13 Uhr 13 hatte der Dow Jones die Verluste wieder aufgeholt.

Der Spuk war ebenso schnell vorbei wie er gekommen war. Zudem hielt sich der Schaden in Grenzen, weil erfahrene Händler nicht mit vorschnellen Verkäufen reagierten. Sie empfahlen ihren Firmen stattdessen abzuwarten, ob sich die Meldung bestätigt. Dennoch sitzt der Schock bei vielen Börseninsidern tief. Was könnte ein gezielter und besser getarnter Manipulationsversuch anrichten, wenn bereits eine von Hackern ausgelöste Falschmeldung auf einem „Social Media“-Dienst solche Turbulenzen auslöst? „Es ist furchterregend, dass so ein Tweet hunderte Milliarden Dollar in kürzester Zeit ausradieren kann“, zitiert das „Wall Street Journal“ einen Händler.

Quicklebendig. Eine falsche AP-Meldung verkündete am Dienstag, dass US-Präsident Barack Obama bei einer Explosion im Weißen Haus verletzt worden sei. Foto: Reuters
Quicklebendig. Eine falsche AP-Meldung verkündete am Dienstag, dass US-Präsident Barack Obama bei einer Explosion im Weißen Haus verletzt worden sei. Foto: Reuters

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US-Medien erinnern jetzt an den „Flash-Crash“ vom Mai 2010, der bis heute noch nicht ganz aufgeklärt ist. Damals war der Dow Jones binnen weniger Minuten um 600 Punkte abgestürzt. Die Börsenaufsicht SEC untersuchte, ob eine gezielte Manipulation dahinter steckt, um mit den Kursbewegungen Milliarden zu verdienen. Seitdem gilt an der Wall Street eine „Panikbremse“, mit der der Handel mit einzelnen Aktien bei starken Schwankungen für fünf Minuten ausgesetzt werden kann, um die Umstände zu klären. Computergestütztes High-Frequency-Trading generiert inzwischen die Hälfte der Börsenumsätze in den USA.

Auch in Frankfurt machen sich Händler und Anleger Gedanken über die Sicherheit. Einen gewissen Schutz hat die Deutsche Börse eingebaut: Schwanken die Kurse außergewöhnlich stark, wird der Handel automatisch für zwei Minuten ausgesetzt und zusätzlich nach den Gründen für die Entwicklung gefragt. Dies könnte, sagt Börsenhändler Oliver Roth vom Handelshaus Close-Brothers-Seydler in Zukunft häufiger passieren – auch wegen des rasanten Wachstums von Nachrichtendiensten wie Twitter oder sozialen Netzwerken wie Facebook.

Werden die neuen Medien von Hackern gezielt missbraucht, um etwa an der Börse an fallenden Kursen zu verdienen oder um nur zu zeigen, wie schlecht die Dienste vor Missbrauch geschützt sind, könnte es künftig häufiger zu Handelsunterbrechungen kommen. Selten sind sie auch heute nicht. Es gebe Tage, da würden schon mal 40 bis 50 Papiere automatisch aus dem Handel genommen, sagt Frank Herkenhoff von der Deutschen Börse. Bezogen auf rund 4000 Aktien ist das gleichwohl überschaubar. Erst nach Klärung des Sachverhaltes wird der Handel fortgesetzt.

Roth zufolge können sich die Börsen nur bedingt gegen Falschmeldungen schützen. „Es geht an der Börse immer mehr um ’schneller, höher, weiter’. Und dies wird durch Dienste wie Twitter befördert.“ Ereignisse wie jetzt in New York beschädigten das Vertrauen in die Finanzmärkte. Wichtigen Firmen wie Nachrichtenagenturen müssten erhöhte Schutzmaßnahmen aufgelegt werden. Letztlich müssten sie gar regresspflichtig gemacht werden können. Etwa von Anlegern, die am Dienstag in den USA, wie Roth vermutet, viel Geld verloren haben.

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