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Wirtschaft: Comroad-Chef drohen bis zu zehn Jahre Haft

Bodo Schnabel lehnt Geständnis ab und provoziert die Richter: „Der Neue Markt war eine Clown-Veranstaltung“

München (nad). ComroadGründer Bodo Schnabel hat sich am zweiten Prozesstag im größten Bilanzskandal des Neuen Marktes zunehmend in Widersprüche verstrickt. Schnabel, der das Telematik-Unternehmen an den Neuen Markt gebracht hatte, nahm am Mittwoch vor dem Landgericht München sein Teilgeständnis wieder zurück. Zum Prozessauftakt hatte er zugegeben, fast den gesamten Umsatz von Comroad erfunden zu haben.

„Wir haben lediglich Umsätze vorgezogen. Dass die Ad-hoc-Mitteilungen falsch waren, wusste ich damals nicht“, verteidigte sich der sichtlich nervöse Schnabel. Die veröffentlichten Summen hätten als Aufträge von der Partnerfirma VT Electronics in Hongkong vorgelegen. „Für mich war es kein Unterschied, ob da Aufträge oder Umsätze gemeldet wurden“, sagte Schnabel. Offiziell erhielt Comroad Jahr für Jahr höhere Millionenaufträge von VT, die bis zu 98 Prozent der gesamten Jahresumsätze ausmachten.

Die Staatsanwaltschaft wirft Schnabel Kursbetrug, Insiderhandel und gewerbsmäßigen Betrug vor. Der Anklageschrift zufolge hat er 1998 bis 2001 zahlreiche Luftbuchungen vorgenommen, um den Aktienkurs in die Höhe zu treiben; die Firma VT Electronics habe es nie gegeben. Insgesamt habe Schnabel 17 falsche Ad-hoc-Mitteilungen herausgegeben und damit zahlreiche Comroad-Aktionäre geschädigt. Mit dem Verkauf eigener Aktien hätten sich Schnabel und seine Frau rund 30 Millionen Euro erschwindelt. Schnabels Frau Ingrid, die im Aufsichtsrat saß, ist wegen Beihilfe angeklagt.

Zum Prozessauftakt hatte sie bereits ein Geständnis abgelegt und ausgesagt, dass alle Vorwürfe zuträfen. Am Mittwoch saß sie mit regloser Miene neben ihrem Mann im Gerichtssaal und sagte kein Wort. Die Ehe der Schnabels gilt als zerrüttet; angeblich steht das Paar kurz vor der Scheidung. Richter Wolf-Stefan Wiegand reagierte gereizt auf die Ausführungen Schnabels. „Hören Sie sich eigentlich selber mal beim Reden zu?“, fragte er. „Sie bieten uns hier dauernd verschiedene Varianten an.“ Wiegand sagte, Schnabel mache „unheimlich viel kaputt“.

Der Verteidiger von Schnabels Frau, Wolfgang Dingfelder, warf dem 51-Jährigen vor, eine „fürchterliche Inszenierung“ zu betreiben. Er sei auf dem besten Wege, sich zum „Clown des Neuen Marktes“ zu machen. Schnabels Antwort: „Der ganze Neue Markt war doch eine Clown-Veranstaltung“. Auch Staatsanwalt Peter Noll appellierte an Schnabel, seine Aussagen zu überdenken. „Wir haben ihnen goldene Brücken gebaut. Sie sollten der Realität ins Auge sehen“, sagte er.

Nachdem Schnabel stur blieb, ließen Wiegand und Noll keinen Zweifel mehr daran, dass dem Angeklagten ein hartes Strafmaß droht. Ursprünglich hatte das Gericht Schnabel eine Haftstrafe von sieben Jahren in Aussicht gestellt, sofern er seine Schuld zugebe. Staatsanwalt Noll sagte am Rande der Verhandlung, wegen Schnabels uneinsichtigem Verhalten erwäge er, eine Freiheitsstrafe in „zweistelliger“ Höhe zu beantragen.

Prüfer belasten Vorstand

Schnabel sitzt seit April in Untersuchungshaft. Belastet wurde er am Mittwoch auch von Andreas Schacht von der Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft Rödl&Partner, die mit einer Sonderprüfung beauftragt wurde, nachdem Zweifel an der Comroad-Bilanz bekannt wurden. KPMG hatte die Bilanzen von Comroad zuvor jahrelang abgesegnet. Schacht zufolge suchte sein Unternehmen vergeblich nach VT Electronics.

Visitenkarten, Verträge und Schriftverkehr mit der Firma, um die Schacht Schnabel gebeten hatte, habe dieser nur „sehr zögerlich oder gar nicht“ herausgegeben. Recherchen hätten ergeben, dass die Firma im fraglichen Zeitraum nicht im Handelsregister eingetragen gewesen sei. Unter der Firmenadresse sei die „Comroad Far East“ als Briefkastenfirma gemeldet gewesen. Auch für die Existenz des VT-Chefs Jeff Liu hätten sich keine Belege gefunden. Laut Anklage soll Schnabel gefälschte Dokumente der VT selbst unterschrieben haben. Schacht sagte, er habe auf Ingrid Schnabels Computer mehr als 3000 Dokumente gefunden, darunter auch Scheinrechnungen mit VT Electronics.

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