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Wer es glaubt...Selbst ernannte Crash-Propheten spekulieren darauf, dass die Börsenkurse bald einbrechen werden.

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Crash-Propheten: Warum Börsen-Wahrsager oft daneben liegen

Der Dax ist von seinem Gipfel bei 10.000 Punkten deutlich abgerutscht. Einige Star-Investoren sagen den großen Börsencrash voraus. Wie plausibel ist das?

Die Crash-Propheten sind wieder da. Vor allem in den USA, wo die großen Aktienindizes nur noch knapp unter ihren Allzeithochs stehen und eine Korrektur bisher ausgeblieben ist, mehren sich die düsteren Prognosen. Einer dieser Schwarzmaler ist Paul Singer: jener Hedgefonds-Manager, der gerade mit – rechtlich legitimen – Forderungen Argentinien in die Pleite getrieben hat. Zuletzt hat er mit der Wette auf den Bankrott der US-Bank Lehman Brothers geschätzt eine Milliarde Dollar verdient.

WAS CRASH-PROPHETEN SAGEN

Singer prognostiziert nun, dass die Märkte bald „mit schwindelerregender Plötzlichkeit und schockierender Intensität“ absacken werden. Auch Singers Hedegfonds-Kollegen nutzen vermehrt ein Katastrophen-Vokabular: Europäische Staatsanleihen glichen einem „gähnenden Abgrund“, hieß es. Die Bewertungen seien so hoch, „dass es wehtut“. Und: Pralle Blasen platzten immer.

In Deutschland gesellt sich unter anderem Max Otte gerne zu dieser Riege der Pessimisten. Der Welt könne Schlimmeres bevorstehen als nur der nächste Finanzcrash, warnt der Fondsmanager und Betriebswirt. Gerne spricht Otte auch wieder von einem „Wahnsinn, der sich derzeit abspielt“, von großen politischen Umwälzungen und von einer Situation, die vergleichbar sei mit der Spätantike, kurz vor dem Ende des römischen Reiches.

WAS BANKER SAGEN

Etwas undramatischer formuliert die Hessische Landesbank, die in den vergangenen Monaten wiederholt vor heftigen Rückschlägen gewarnt hat, dass der Dax gerade Opfer eines „explosiven Gemischs aus fundamentaler Überbewertung und technischer Überhitzung“ sei und durchaus noch auf 8300 Punkte fallen könne. Auch für den S&P 500 ist die Helaba sehr skeptisch.

Max Otte, Bestseller-Autor: "Kaufen sie Aktien, wenn die Kanonen donnern."
Max Otte, Bestseller-Autor: "Kaufen sie Aktien, wenn die Kanonen donnern."

© dpa

Besonders pessimistisch ist in diesen Tagen der Schweizer Fondsmanager und Ökonom Marc Faber, der seit der – zutreffenden – Crash-Prognose vor der Finanzkrise bei Endzeit-Fetischisten Kultstatus hat. Es würde ihn nicht wundern, prophezeite Faber, wenn der Dow Jones in den kommenden sechs bis neun Monaten um 30 Prozent einbrechen würde. Im April sagte er bereits für den S&P 500 einen Crash voraus, der jenen des Jahres 1987 übertreffen könne. Damals brachen die US-Indizes binnen sechs Stunden um 23 Prozent ein. Gemessen am aktuellen Niveau hieße seine Prognose: Der Dow Jones, der von seinem Allzeithoch bei 17 140 Punkten bisher nur gut drei Prozent korrigiert hat, bräche schlagartig auf etwa 12 750 Punkte, bei einem 30-prozentigem Absturz sogar auf 11 500 Punkte ein. Der Dax, der sich Vorgaben aus den USA praktisch nie entziehen kann, würde dann auf 6400 bis 7000 Punkte absacken.

Vielleicht liegt Marc Faber ja richtig – zufällig. Die Treffergenauigkeit seiner Prognosen ist jedenfalls durchwachsen: 2009 etwa glaubte er „hundertprozentig“ an eine bevorstehende Hyperinflation in den USA. Im Sommer 2013 sagte Faber ebenfalls eine Börsenkatastrophe voraus. Beides traf nicht ein. Faber spielt bewusst mit der Dramatik der Worte. Seinem Börsenbrief hat er bezeichnenderweise den Titel „Boom, Gloom, Doom“ (zu Deutsch: Aufschwung, Finsternis, Untergang) gegeben.

WAS DIE WISSENSCHAFT SAGT

Wissenschaftler wie Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin wundert nicht, dass die selbst ernannten Crash-Propheten mit ihren Voraussagen oft falsch liegen. Prognosen – ob von Fachleuten oder Laien – ergäben zu keinem Zeitpunkt bessere Resultate als der Zufall, ist der Risikoforscher überzeugt. Viele Anleger, die in der gegenwärtigen Unsicherheit einen verlässlichen Anker suchten, verfielen jedoch einer „Illusion von Gewissheit“, wenn ihnen Finanzexperten die Zukunft vorhersagten. Gerade Prognosen, die an Ängste vor dem Verlust des eigenen Geldes appellieren, werden besonders gerne aufgesaugt. Rein statistisch, rechnet Gigerenzer vor, lägen von 10 000 Prognosen auch nach zehn Jahren noch zehn dauerhaft richtig. Sie verdanken dies dem Glück beziehungsweise dem Zufall. Die Chance, dass eine Aktie A morgen falle, liege bei exakt 50 Prozent, ebenso übermorgen und in drei Monaten.

Marc Faber, Börsenexperte: "Der Crash kommt. Die Frage ist nur, was ihn auslöst."
Marc Faber, Börsenexperte: "Der Crash kommt. Die Frage ist nur, was ihn auslöst."

© dpa

Martin Weber, Professor für Bankbetriebswirtschaft an der Uni Mannheim, geht noch einen Schritt weiter: Er sagt, die vergangene Kursentwicklung sei ebenso ohne Bedeutung für den Anleger wie die Prognosen der Profis. Entscheidend für den Anleger sei lediglich, ob er selbst bereit sei, das Risiko der Unsicherheit zu tragen.

Der US-Ökonom und Nobelpreisträger Robert Shiller glaubt, dass sich an den Kursen ablesen ließe, wenn besonders viel Euphorie und Gier enthalten seien. Und dann wiederum könne man davon ausgehen, dass eine Korrektur der Kurse bald folge. Praktisch belegt hat Shiller seine Kassandrarufe jedoch bislang erst ein einziges Mal – nämlich bei der Prognose der Immobilienblase in den USA. Mit anderen Prophezeiungen lag er dagegen falsch. So sagte Shiller 2012 eine Weltrezession voraus und zuvor das Ende des Euro. In beiden Fällen lag er falsch. 2009 hielt Shiller „Aktien für die schlechteste Wahl überhaupt“. Wer damals auf ihn hörte, hat bis jetzt im Dow Jones etwa 100 Prozent Gewinn verpasst. Allerdings hätte es auch anders kommen können.

WAS CHARTTECHNIKER SAGEN

Charttechniker versuchen, aus vergangenen Entwicklungen heraus auf die Kurswelt von morgen zu schließen. Derzeit gilt vielen hier die Marke von 8896 Punkten als Maßstab – das untere Ende eines Trendkanals, in dem der Dax auf seinem Weg nach oben hin- und herschwappte. Erst wenn dieses Niveau nachhaltig verletzt sei, so vermuten es die Charttechniker, werde der Bär aktiv – das heißt, dass die Kurse dann deutlich fallen.

Paul singer, US-Investor: "Man muss die ganze Zeit im Risikomodus sein."
Paul singer, US-Investor: "Man muss die ganze Zeit im Risikomodus sein."

© dpa

Die Vergangenheit belegt jedoch eindrucksvoll, dass die Aktienmärkte über alle Crashs hinweg nur dem Zufall „mit positivem Drift“ folgen, wie Bankenprofessor Weber es ausdrückt. Wer etwa 2011, kurz vor dem Dax-Absturz, bei knapp 7500 Punkten eingestiegen ist, musste mitansehen, wie der Index bis September auf 5070 Punkte einbrach. Wer jedoch durchhielt, liegt seither etwa 23 Prozent im Plus. Leider lässt sich aus der Vergangenheit eben nicht verlässlich auf die Zukunft schließen. Es kann also sein, dass ein Crash kommt – oder auch nicht.

Weiter schlimm ist das nicht: Gerade die Unsicherheit sei es, sagt Weber, die die Börse erst funktionieren lasse. Ohne sie ginge auch die Rechnung der Crash-Propheten nicht auf. So soll Hedgefonds-Manager Paul Singer Gerüchten zufolge derzeit massiv Geld auf einen Crash setzen. Aber das funktioniert nur, solange andere Anleger seiner These nicht trauen und ihm Aktien abkaufen.

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