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Wirtschaft: „Da müsste doch auch Hans Eichel sinnlich werden“

Herr Lafontaine, Sie sprechen viel von langfristigen Weichenstellungen. Kommende Woche stehen eine Regierungserklärung des Bundeskanzlers und ein Reformgipfel der Koalition mit der Union an, um kurzfristige Wachstumsimpulse zu geben.

Herr Lafontaine, Sie sprechen viel von langfristigen Weichenstellungen. Kommende Woche stehen eine Regierungserklärung des Bundeskanzlers und ein Reformgipfel der Koalition mit der Union an, um kurzfristige Wachstumsimpulse zu geben. Welche würden Sie vorschlagen?

Wir haben seit vielen Jahren eine Unterinvestition bei der öffentlichen Infrastruktur. Das schwächt auf Dauer das Wachstum und den Standort Deutschland. Deshalb brauchen wir ein langjährig wirkendes öffentliches Infrastrukturprogramm. Das ist die wichtigste Möglichkeit, die Konjunktur anzukurbeln.

Welche Infrastruktur ist vor allem unterfinanziert – geht es um Straßen?

Es geht in erster Linie um städtebauliche Sanierung, wobei darunter auch Dörfer zu verstehen sind. Es geht um Schulen und Kindergärten. In den Schulen fällt der Putz von den Wänden. Diese Arbeiten, die schnell umgesetzt werden können, sind sehr beschäftigungsintensiv. Es ist bedauerlich, dass Infrastrukturprogramme von der herrschenden Lehre als Strohfeuer abqualifiziert werden. Für mich ist unverständlich, wie man den Bau einer Universität, die Sanierung eines Straßenzuges oder den Bau einer Brücke als Strohfeuer bezeichnen kann.

Welche Größenordnung schlagen Sie vor?

Auch die vorgeschlagenen zehn Milliarden Euro pro Jahr werden nicht ausreichen. Ich glaube, dass man das Doppelte und Dreifache avisieren muss. Was wir schnell vergessen haben, ist, dass das letzte Konjunkturprogramm bei der deutschen Einheit 1990 und 1991 zu einem Wachstum von real fünf Prozent geführt hat. Das heißt jedes Jahr 50 Milliarden Einnahmen für die öffentliche Hand. Da müsste doch auch Hans Eichel sinnlich werden. Selbstverständlich würde ein Konjunkturprogramm, das auf die Infrastruktur gerichtet ist, wirken – das ist überall auf der Welt so. Wir leisten uns den Irrtum zu glauben, dass volkswirtschaftliche Gesetze nicht in Deutschland gelten.

Das Interview führte Moritz Döbler.

Ex-Finanzminister und SPD-Mitglied Oskar Lafontaine ist heute vor allem Autor. „Politik für alle“ heißt das neue Buch. Nach der NRW-Wahl im Mai gibt er bekannt, ob er eine neue Partei gründet.

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