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Dänemark: Auf der Jagd nach dem "letzten Arbeitslosen"

Den nördliche Nachbar quält ein "Problem", von dem Deutschland nur träumen kann: Ein Konsum-Boom zum Jahresende hat die Wirtschaft stark wachsen lassen, die Arbeitslosenzahl ist auf dem tiefsten Stand seit 1979.

Kopenhagen - Ganzseitig hat Dänemarks größte Zeitung «Jyllands-Posten» ihren Lesern per Schlagzeile und Karikatur akuten Arbeitskräftemangel als das derzeit eigentlich einzige echte Wirtschaftsproblem im boomenden Königreich präsentiert. «Die Jagd auf den letzten Arbeitslosen» sei schon im Gange, hieß es zum Wochenauftakt in der Schlagzeile über dem Bild eines gähnend leeren und selbst arbeitslos gewordenen Arbeitsamtes.

«Der massive Privatverbrauch in der zweiten Hälfte 2005 hat unsere Prognosen ziemlich über den Haufen geworfen», freut sich Chefökonom Steen Bocian von Danske Bank. Auf 4,4 Prozent Plus musste das größte Geldinstitut im Lande die Erwartungen zum Jahresende nach oben schrauben. Finanzminister Thor Pedersen rechnet auch 2006 wieder mit einem Plus von 30 Milliarden Kronen (4 Milliarden Euro) in der Staatskasse, und das nach vier Jahren ohne Steuererhöhungen.

Nach einem beispiellosen «Kauffest» der seit Jahre notorisch optimistischen Verbraucher zu Weihnachten konnte der rechtsliberale Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen zusammenfassend in seiner Neujahrsansprache den schlichten Satz vom Manuskript oder wahlweise dem Tele-Prompter ablesen: «Ja, es läuft gut in Dänemark.»

Der von ihm beim Amtsantritt Anfang 2002 verkündete «Steuerstopp», ein prinzipielles Verbot von Steuererhöhungen», habe jeder dänischen Durchschnittsfamilie ein jährliches Plus von 10.000 Kronen (1 350 Euro) in die Haushaltskasse gebracht. Gleichzeitig habe man mit gut 5 Prozent die niedrigsten Arbeitslosenquote seit 1979 erreicht.

Tatsächlich hat nicht zuletzt der stark durch Kredite finanzierte Anstieg des Privatkonsums die dänische Konjunktur mit einem Wirtschaftswachstum von wahrscheinlich 2,8 Prozent im letzten Jahr (laut Finanzministerium) enorm in Schwung gehalten. Die Immobilienpreise haben sich in den letzten 15 Jahren vor allem in und um Kopenhagen fast verdreifacht. Auch für die Nutznießer dieser dramatischen Vermögenszuwächse ohne Arbeitsleistung hatte Rasmussen in seiner Neujahrsansprache nur Beruhigendes zu vermelden: «Hauseigentümer müssen nicht mehr Steuern befürchten, wenn der Wert ihres Wohnraumes zunimmt.»

Ebenfalls beneidenswert weit gehende Unabhängigkeit der Volkswirtschaft von den Energiepreisen dank des eigenes Nordseegases und kommerziell erfolgreiche Unternehmen in industriellen Nischenbereichen passen ins derzeitige Erfolgsbild. Für zusätzlichen Optimismus sorgt der sich bei der einstigen Konjunkturlokomotive Deutschland abzeichnende Aufschwung. «Es gibt hier noch Unsicherheit, aber insgesamt herrscht bei uns doch Optimismus Richtung Deutschland vor», meint Bankökonom Bocian. Der deutsche Markt ist mit einem Anteil von 20 Prozent aller dänischen Warenexporte mehr als nur eine Randfrage für die eigene Konjunktur.

Umso mehr wird in Kopenhagen davor gewarnt, dass «Flaschenhals- Probleme» am Arbeitsmarkt die seit den neunziger Jahren praktisch ohne Pause kräftig nach oben drängenden Boom-Kurven zum Einknicken bringen könnten. Rasmussen will mit der Abschaffung von attraktiven Vorruhestandsmodellen und der erneuten Anhebung des Rentenalters von derzeit 65 Jahren langfristig gegenhalten. Er hat dies in seiner Neujahrsansprache als «Wermutstropfen» unter all den sonstigen Freudenbotschaften angekündigt. (Von Thomas Borchert, dpa)

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