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Erst die Abmahnung, dann die Kündigung. Wer sich gegen den Rausschmiss wehren will, darf nicht zu viel Zeit verstreichen lassen. Innerhalb von 21 Tagen nach Erhalt des Kündigungsschreibens muss man klagen, sonst wird die Kündigung wirksam. Foto: dpa/pa

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Wirtschaft: „Darf ich im Job meine privaten Mails lesen ?“

Telefonaktion Arbeitsrecht: Ihre Fragen zu Kündigung, Abfindungen, Kurzarbeit und dem richtigen Verhalten im Betrieb

Sind befristete Verträge zulässig? Darf ich meinen Arbeitsplatz verlassen, wenn mein Kind krank ist? Wer zahlt die Kosten vor dem Arbeitsgericht? Die Fragen unserer Leser waren bei unserer letzten Telefonaktion bunt gemischt. Lesen Sie, was die Experten vom Berliner Anwaltsverein – Karsten Biesel, Claudia Frank, Johannes Graner und Matthias Macha – geantwortet haben.

Ich will vor dem Arbeitsgericht klagen. Falls ich verliere, muss ich dann den Anwalt des Gegners zahlen?

Nein, anders als im Zivilprozess zahlt jede Partei bei einem Arbeitsrechtsstreit in der ersten Instanz ihren Anwalt selbst. Dies ist nur ab der zweiten Instanz anders. Allerdings trägt der Unterlegene zusätzlich die anfallenden Gerichtskosten. Diese entfallen aber, wenn man sich vergleicht.

Ich habe die Kündigung bekommen und möchte zumindest eine Abfindung herausholen. Wie hoch ist die?

Zunächst gibt es keinen Anspruch auf eine Abfindung, es sei denn es gilt ein Sozialplan, oder die Abfindung wird in der Kündigung schriftlich angeboten. Eine Abfindung muss man erstreiten, indem man die Kündigung vor dem Arbeitsgericht angreift. Als „Faustregel“ kann man für die Höhe der Abfindung ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung im Unternehmen ansetzen. Letztlich ist die Höhe der Abfindung aber frei verhandelbar und hängt davon ab, wie gut die Erfolgsaussichten im Prozess sind. Beachten Sie, dass Sie die Kündigung spätestens 21 Tage nach deren Erhalt vor dem Arbeitsgericht angreifen müssen, sonst gilt die Kündigung in jedem Fall als wirksam.

Ich habe vor Gericht eine Abfindung von 40 000 Euro erstritten. Bevor ich das Geld bekommen habe, hat mein Ex-Arbeitgeber Insolvenz angemeldet.

Das ist wirklich Pech. Denn wahrscheinlich werden Sie dieses Geld niemals bekommen. Ihren Abfindungsanspruch können Sie zwar beim Insolvenzverwalter als Forderung anmelden, aber Sie werden höchstwahrscheinlich nur einen geringen Teil Ihrer Forderung aus der Insolvenzmasse erhalten.

Mein Arbeitgeber hat Insolvenz angemeldet, das Unternehmen wird vom Insolvenzverwalter fortgeführt, es sollen aber Arbeitsplätze wegfallen. Habe ich trotz der Insolvenz Kündigungsschutz?

Ja, auch in der Insolvenz gilt grundsätzlich das Kündigungsschutzgesetz. Voraussetzung ist, dass in dem Unternehmen mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind. In diesen Fällen braucht auch der Insolvenzverwalter einen persönlichen, betrieblichen oder verhaltensbedingten Grund für eine Kündigung. Allerdings gelten zu seinen Gunsten kürzere Kündigungsfristen. Der Verwalter kann auch langjährige Arbeitsverhältnisse mit einer Frist von drei Monaten kündigen.

Mein Arbeitgeber will Kurzarbeit einführen. Einen Betriebsrat haben wir nicht. Muss ich zustimmen?

Gegen seinen Willen muss niemand kurzarbeiten. Allerdings kann der Arbeitgeber in kleinen Betrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern die Arbeitnehmer zu einer Verringerung der Arbeitszeit zwingen, indem er den Beschäftigten einfach eine Änderungskündigung schickt.

Kann man sich in kleinen Betrieben gar nicht gegen eine Kündigung wehren?

Hat ein Betrieb nur bis zu zehn aber nicht mehr Mitarbeiter, haben die Beschäftigten keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. In solchen Betrieben ist es schwer, sich gegen eine Kündigung erfolgreich zur Wehr zu setzen, es sei denn es besteht Sonderkündigungsschutz etwa wegen einer Schwangerschaft, Schwerbehinderung oder Betriebsratstätigkeit. Außerdem gibt es Sonderfälle, in denen eine Kündigung gegen die guten Sitten, das Maßregelungsverbot oder ein anderes gesetzliches Verbot verstößt.

Wie berechnet man die Mitarbeiterzahl nach dem Kündigungsschutzgesetz?

Es kommt auf die Anzahl der Mitarbeiter an, die in Vollzeit arbeiten. Teilzeitkräfte zählen anteilig, bei einer Wochenarbeitszeit von bis zu 20 Stunden mit dem Faktor 0,5, bei einer Arbeitszeit von bis zu 30 Stunden mit dem Faktor 0,75 und darüber voll. Azubis zählen nicht mit.

Ich hatte einen befristeten Arbeitsvertrag über zwei Jahre. Jetzt will ihn mein Chef erneut befristet verlängern. Ist das zulässig?

Für die Verlängerung eines bereits für zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrages braucht Ihr Chef einen sachlichen Grund gemäß Paragraf 14 Abs. 1 TzBfG (Teilzeitarbeit und Befristungsgesetz). Ein typischer Grund wäre eine Schwangerschafts- oder Krankheitsvertretung. Liegt ein solcher sachlicher Grund nicht vor, wäre die erneute Befristung unwirksam, selbst wenn Sie einverstanden waren. Wird der Vertrag trotzdem nur befristet verlängert, können Sie sich bei Auslaufen des Vertrags darauf berufen, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden ist. Dies müssten Sie aber innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Ende des im Vertrag angegebenen Zeitpunkts vor dem Arbeitsgericht geltend machen. Tun Sie dies nicht oder zu spät, so gilt der Arbeitsvertrag mit Erreichen des vereinbarten Zeitpunkts als beendet.

Ich mache dieselbe Arbeit wie mein Kollege, aber der verdient deutlich mehr. Ist das legal?

Grundsätzlich ja, es gibt keinen Anspruch darauf, dass Sie für dieselbe Arbeit dasselbe Gehalt wie ein anderer Arbeitnehmer bekommen. Anders kann es sein, wenn für das Unternehmen ein Tarifvertrag oder eine Entgeltordnung gilt. Hier muss sich das Unternehmen an die aufgestellten Regelungen halten. Allerdings können auch dann einzelne Mitarbeiter bessergestellt werden als andere.

Mein Vater hat einen Schlaganfall bekommen, und es ist außer mir niemand da, der ihn pflegen kann. Muss mir mein Arbeitgeber freigeben?

Bei einem kurzfristigen Notfall dieser Art, der einen nahen Angehörigen betrifft, auf jeden Fall. Sie müssen Ihren Arbeitgeber informieren und können dann der Arbeit bis zu zehn Tage fernbleiben. Sie brauchen nicht auf eine Genehmigung des Arbeitgebers zu warten. Allerdings müssen Sie eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit nachreichen. Grundsätzlich muss ihr Arbeitgeber auch das Entgelt weiterbezahlen, es sei denn, etwas anderes ist im Arbeits- oder Tarifvertrag vereinbart. Dieses Recht zur Freistellung besteht in allen Unternehmen, unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter. Bei einer länger andauernde Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen besteht ferner die Möglichkeit, eine Freistellung von bis zu sechs Monaten zu verlangen. In diesem Zeitraum muss Ihnen der Arbeitgeber jedoch den Lohn nicht weiterzahlen. Allerdings können Sie für diesen Zeitraum auch eine befristete Teilzeittätigkeit verlangen. Diese Möglichkeit besteht aber nur in Unternehmen, die mindestens 15 Mitarbeiter beschäftigen.

Ich war in Elternzeit und möchte jetzt gern Teilzeit arbeiten. Muss mir mein Arbeitgeber das erlauben?

Grundsätzlich ja. Der Arbeitgeber kann Ihnen das nur verweigern, wenn er betriebliche Gründe darlegen kann, die einer Teilzeitbeschäftigung entgegenstehen. Das dürfte ihm nur selten gelingen, da die Rechtsprechung hier hohe Maßstäbe anlegt. Dennoch ist die Sache für Sie nicht ganz einfach. Lehnt der Arbeitgeber ab, müssen Sie Ihren Teilzeitanspruch gerichtlich geltend machen. Bis über Ihre Klage entschieden ist, müssten Sie zunächst weiter Vollzeit arbeiten.

Ich arbeite seit zehn Jahren in einer Zahnarztpraxis. Jetzt hat mein alter Chef die Praxis an einen neuen Zahnarzt verkauft. Der will mir nun Urlaubstage streichen. Muss ich mich darauf einlassen?

Wenn ein neuer Chef die Praxis übernimmt, gelten die alten Verträge weiter. Sie müssen sich daher auf die Forderungen des neuen Arztes nicht einlassen und auch keinen neuen, schlechteren Vertrag unterschreiben. In der Regel stellt ein Praxiskauf einen Betriebsübergang dar, so dass der neue Chef Ihnen auch innerhalb eines Jahres nach Übernahme der Praxis nicht wegen der Übernahme kündigen darf. Allerdings kann es sein, dass er versucht, Sie über kurz oder lang aus dem Betrieb herauszuekeln.

Neulich rief die Kita an, ich möge mein krankes Kind abholen. Muss mich der Arbeitgeber gehen lassen?

Ja, wenn Sie und Ihr Mann berufstätig sind und kein anderer Betreuer vorhanden ist, der sich um das Kind kümmern kann. Kinderkrankheitszeiten von bis zu zwei Wochen im Jahr muss der Arbeitgeber hinnehmen und Sie bezahlt freistellen. Sollte eine solche bezahlte Freistellung per Tarifvertrag, Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung ausgeschlossen sein, springt die Krankenkasse ein. Sie zahlt aber nur 67 Prozent des Lohns.

Darf ich an meinem Arbeitsplatz private Mails lesen?

Das hängt davon ab, was in Ihrem Arbeitsvertrag steht, oder ob es eine Betriebsvereinbarung gibt. Darin kann der Arbeitgeber private Telefongespräche oder die private Nutzung des Internets regeln und auch ganz verbieten. Er muss dieses Verbot dann aber auch umsetzen und darf nicht wissentlich die Dinge einfach weiterlaufen lassen. Gibt es kein Verbot, muss der Arbeitgeber, der gegen die Privatnutzung vorgehen möchte, den Arbeitnehmern das klar sagen und entsprechende Anweisungen erteilen. Denn wenn der Chef in der Vergangenheit ein solches Verhalten toleriert hat, können die Arbeitnehmer zunächst darauf vertrauen, dass sie auch weiterhin privat surfen oder telefonieren dürfen. Bei einem Verstoß gegen eindeutige Anweisungen können Sie abgemahnt und im Wiederholungsfall sogar gekündigt werden.

Ich bin in der Probezeit gekündigt worden. Kann ich gegen die Kündigung vorgehen?

In der Regel leider nein, denn in der Probezeit kann Sie der Arbeitgeber jederzeit auch ohne Angabe von Gründen wieder entlassen. Allerdings muss die Probezeit im Arbeitsvertrag schriftlich vereinbart worden sein.

Ich bin Unternehmerin und habe eine Mitarbeiterin, die ständig krank ist. Kann ich ihr während der Krankheit kündigen?

Grundsätzlich ja. Allein die Krankheit verbietet eine Kündigung nicht. Die Kündigung kann daher auch während einer Krankschreibung zugestellt werden. Eine andere Frage ist, ob die Mitarbeiterin Kündigungsschutz hat, ob Sie also in Ihrem Unternehmen üblicherweise mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigen. Dann müssen die Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes eingehalten werden. In diesem Fall sollten Sie vor Ausspruch der Kündigung rechtlichen Rat einholen.

Fragen und Antworten wurden bearbeitet von Heike Jahberg und Thomas Reckermann

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