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Darjeeling: Angst um das Tee-Aroma

Der Klimawandel macht Darjeeling zu schaffen. Die Teebauern haben keine Strategie gegen die Trockenheit, unter der auch der Rest Asiens leidet.

Der Weg zum König führt vorbei an ausgetrockneten Flussbetten. Unter den Brücken, die man auf dem Weg in die Berge von Darjeeling passiert, liegen staubige Kraterlandschaften. Eine Stunde Fahrt über Serpentinen später und rund 1400 Meter höher machen die grünen Teebäume und die meterhohen Urwaldsträucher die Bilder der Dürre schnell vergessen. Doch der Eindruck täuscht. „Diese Saison ist die schlimmste, die ich in meinen 40 Jahren auf dieser Plantage erlebt habe“, sagt Swaraj Banerjee, der sich wegen seiner langen Zeit im Teegeschäft gerne Rajah – also König – von Darjeeling nennen lässt. Seit Monaten hat es nicht mehr geregnet, sagt er. Das ist ein Riesenproblem für den hier in Nordindien am Fuß des Himalaya angebauten Tee, der wegen seines einmaligen Aromas und seines Preises von mitunter mehr als 1000 Euro pro Kilo als Champagner der Branche gilt.

Banerjee, der mit seiner grauen Föhnfrisur und den klobigen Turnschuhen einen leicht schrulligen Eindruck macht, ist der Chef der Makaibari-Plantage. Der Betrieb existiert seit 1859 und ist damit die älteste Teefabrik der Welt. In einem guten Jahr werden hier rund 120 Tonnen Tee produziert. „Wenn es nicht bald regnet, verliere ich diesmal vielleicht die Hälfte der Ernte“, sagt Banerjee. Auch andere Produzenten erwarten in diesem Jahr Ausfälle – die optimistischsten nur ein Fünftel. Tatsächlich ist die Produktionsmenge des Darjeeling seit ein paar Jahren rückläufig. Laut dem Tea Board of India lag der gesamte Darjeeling-Ertrag 2005 noch bei mehr als 11 000 Tonnen. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 8300, sagen die Teebauern.

Hauptursache für den Rückgang ist die mit dem Klimawandel einhergehende Dürre. Dieselbe Dürre, unter der auch der Rest Asiens leidet. In Malaysia trocknen die Palmölplantagen aus, in Thailand und auf den Philippinen verdorrt die Reisernte. Und in Darjeeling, wo in ein paar Bergdörfern bereits das Trinkwasser knapp wird, kommt selbst künstliche Bewässerung nicht gegen die Trockenheit an.

Tausend Schlaglöcher weiter und nochmal gut 1000 Meter die Hügel hinauf reißt Safalta Gurun ein Zwillingsblatt von einem kniehohen Teebaum ab und wirft es über ihre Schulter. Es landet in dem Korb auf ihrem Rücken. Auf ihrer Stirn funkeln Schweißperlen, in ihrem linken Nasenloch ein goldener Anstecker. Seit gut zehn Jahren arbeitet die 30-Jährige als Pflückerin. Die Stelle hat sie, wie es hier üblich ist, von ihrer Mutter geerbt, als diese zu alt wurde, um in den bis zu 60 Grad steilen Hängen zu arbeiten.

„Das letzte Jahr war schon schlimm“, erzählt sie, „aber da habe ich noch täglich acht bis zehn Kilo gesammelt.“ In diesem Jahr sind es wegen der Dürre nur sechs. Deshalb verdient sie momentan auch nur den staatlich vorgeschriebenen Mindestlohn von 67 Rupien am Tag – umgerechnet etwas mehr als ein Euro. Im vergangenen Jahr hatte sie manchmal 20 Rupien mehr. Das klingt nicht viel, ist für indische Verhältnisse aber kein schlechtes Einkommen. Zumal das Gesetz dafür sorgt, dass die Plantagenbetreiber, die die Teegärten für 30 Jahre von der Regierung pachten können, für ihre Arbeiter medizinische Versorgung, Verpflegung und Unterkunft stellen müssen. Auch die Schule, die Safalta Guruns Kinder besuchen, wird vom Plantagenbesitzer bezahlt.

Mehr Sorgen als um Ernte und Geld macht sich Safalta Gurun darum, was der Klimawandel für die Qualität des Tees bedeutet. Normalerweise beginnt die erste Ernte, der sogenannte First Flush, im März. In diesem Jahr jedoch waren die Blätter erst im April soweit. Und sie haben sich verändert. Sie sind nicht so weich, wie sie sein sollten, sondern hart und rau.

Die Suche nach einer Antwort auf die Frage, was das für den Geschmack und das Aroma des Darjeeling-Tees bedeutet, führt nach Süden. 600 Kilometer entfernt, im Zentrum von Kalkutta, steht ein Hochhaus, von dem die blaue Farbe abblättert. Im Inneren befindet sich die Zentrale der Firma J. Thomas & Co. Anno 1861 gegründet, ist sie heute das größte Teeauktionshaus der Welt. Im fünften Stock liegt der langgestreckte Probiersaal. An der Wand rechts türmen sich Regale, Teekisten und Teesäcke, links vor einer zwanzig Meter langen Fensterfront zwei Reihen schmaler Holztische. Darauf stehen Dutzende Teeschalen. In ihnen schimmern Aufgüsse in den verschiedensten Farbtönen; von hellgelb über blassgrün bis rotbraun. Daneben liegen nasse Blätter, deren schwerer Geruch den Raum füllt.

Es ist der Arbeitsplatz von Anindyo Choudhury. Der Mann mit dem sauber gestutzten Schnauzbart ist einer der drei Darjeeling-Experten des Hauses. Er probiert die Tees, die in den Auktionsräumen vier Stockwerke unter ihm versteigert werden. In einer Saison kommt er auf 7000 Tassen. „Die privaten nicht mitgerechnet“. Als er die Geschichte von den harten Blättern hört, legen sich Sorgenfalten auf seine Stirn. „Das bedeutet, dass ein Teil des in den Teeblättern enthaltenen ätherischen Öls, das für den Geschmack sorgt, bereits verdunstet ist.“

Er beobachtet die Veränderung des Klimas schon seit ein paar Jahren. „Heute gibt es in jedem Bungalow in Darjeeling Ventilatoren“, erzählt er. Im 19. Jahrhundert, als die Engländer den Tee in der Region anpflanzten, um den Chinesen Konkurrenz zu machen, und auch noch vor wenigen Jahren war das nicht nötig. Es wird wärmer. „Es würde mich nicht wundern, wenn es bald Klimaanlagen gibt“, sagt er. Wenn es so weit komme, dann habe Darjeeling ein ernstes Problem. Das Aroma sei schließlich das Kapital der Teebauern und das speise sich direkt aus den geografischen und meteorologischen Bedingungen.

Der Anbau in Höhen von bis zu 3000 Metern hat nämlich zur Folge, dass die Teebäume besonders kleine Blätter tragen. In diesen ist das Aroma komprimierter als in großen. Darüber hinaus soll jeder Hang, ähnlich wie beim Wein, nochmal eigene Eigenschaften besitzen. Das liegt am kalten Wind, der vom Himalaya herüberweht. Nordhänge, die direkt von ihm getroffen werden, entwickeln aromatischere Blätter als die anderen. Hinzu kommt eine einmalige Zusammensetzung des Bodens, die sich ebenfalls auf den Geschmack auswirkt. Wenn sich die Anbaubedingungen dauerhaft ändern, ist das schlecht für den Tee, sagt Choudhury. Dann könnte es in Zukunft nicht nur weniger, sondern auch weniger aromatischen Darjeeling geben.

Noch wissen die Teebauern nicht, was langfristig die richtige Strategie ist, um mit dem Klimawandel umzugehen. Weiter wachsen, um Ernteausfälle auszugleichen, können sie nicht. Jeder Quadratmeter in Darjeeling, der sich zum Teeanbau eignet, wird bewirtschaftet. Manche setzten auf den Tourismus und vermieten Zimmer in den Bungalows auf den Plantagen, andere vertrauen auf den biologischen Anbau. 46 der derzeit 87 Teegärten sind bereits als ökologisch arbeitende Betriebe zertifiziert. Durch den Verzicht auf Pestizide sinkt zwar der Ertrag, allerdings können für den Tee rund 20 Prozent höhere Preise verlangt werden. Betroffen von der Dürre sind aber auch die Ökobauern. Die Mehrzahl der Betreiber hofft einfach, dass die Trockenheit nur eine Phase ist, die sich von selbst wieder korrigiert.

So auch der selbst ernannte Rajah Banerjee. Trotzig stapft er durch die Sträucher in seinem Garten. Trotz der erwarteten Ernteausfälle wehrt er sich gegen Schwarzmalerei. „Wenn man geschlagen wird, dann steht man auf“, sagt er. Selbst wenn es die Natur ist, die einen schlägt. Außerdem habe er guten Grund zur Annahme, dass es schon bald regnen wird. Vor ein paar Tagen hat er in seinem Garten eine Python gesehen, dick wie sein Oberarm. Das sei das sicherste Omen für einen Wetterumschwung.

Ein paar Tage später fällt tatsächlich etwas Regen. Der König hofft, dass es reicht.

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