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Wirtschaft: Das Arbeitsamt zahlt die Streikfolgen im Westen

Kurzarbeitswoche bei BMW und VW kostet zehn Millionen Euro

Berlin (asi/uwe). Wenige Tage nach dem Beginn des Streiks in der ostdeutschen Metallindustrie werden im Bundestag erste Stimmen laut, die eine Abschaffung des Kurzarbeitergeldes für mittelbar von Streiks betroffene Unternehmen fordern. Dass das Arbeitsamt „quasi den Streik der Gewerkschafter finanziert“, sagte FDP–Vizechef Rainer Brüderle dem Tagesspiegel am Freitag, „ist nicht mehr zeitgemäß und muss beendet werden“. Steuergelder und Beitragsmittel der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA) müssten zur Vermittlung von Arbeitslosen eingesetzt werden. „Sie dürfen nicht länger streikende Gewerkschaftsfunktionäre unterstützen“, sagte Brüderle. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, der SPDParlamentarier Rainer Wendt, warnte hingegen vor einer solchen Lösung. Dies hätte für alle von Streiks betroffenen Arbeitnehmer und Unternehmen „schlimme Folgen“, sagte er dieser Zeitung

In der Tat berührt die Verpflichtung der BA, im Streikfall nur mittelbar vom Arbeitskampf betroffenen Arbeitnehmern Kurzarbeitergeld zu zahlen, eines der Kernelemente der Tarifautonomie: Demnach muss die Bundesanstalt für Unternehmen, in denen die Produktion beispielsweise wegen fehlender Zulieferungen gestoppt werden muss, das Ausfallgeld bezahlen – wenn die Beschäftigten dieser Unternehmen weder räumlich noch fachlich vom Streik betroffen sind und auch nicht selbst von einem möglichen Verhandlungsergebnis profitieren.

Getroffen wurde diese Regelung, damit den Gewerkschaften in arbeitsteiligen Industrien wie der Metallindustrie überhaupt noch Tarifauseinandersetzungen möglich sind. Würde die BA nicht zahlen, wäre selbst die mächtige IG Metall schnell am Ende ihrer Kräfte, wenn sie für den Produktionsausfall im Westen aufkommen müsste. Die Metallgewerkschaft müsste ferner für ihre Mitglieder in den Unternehmen Streikausfallgeld bezahlen, die im Streikgebiet liegen und ihre Arbeit einstellen müssen, weil ihre Lieferanten bestreikt werden. Dasselbe gilt für Unternehmen, die nicht direkt im Streikgebiet liegen, aber deren Beschäftigte von einem Abschluss auch begünstigt würden.

Den Streik für die 35-Stunden-Woche im Osten wird die Bundesanstalt für Arbeit (BA) auf jeden Fall finanzieren. Spätestens in der kommenden Woche erwartet die BA die ersten Anzeigen von westdeutschen Unternehmen über einen Arbeitsausfall. Vor allem Automobilunternehmen wie BMW in Bayern und VW in Niedersachsen hätten dies bereits angekündigt, hieß es am Freitag in der Nürnberger BA-Zentrale. Diese Branche ist von den Streiks betroffen, weil die Zulieferkette für die Fertigung in den westdeutschen Werken unterbrochen wird.

Rein formal muss zwar noch der so genannte Neutralitätsausschuss, dem neben Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern auch BA-Chef Florian Gerster angehört, der Gewährung von Kurzarbeitergeld zustimmen. Doch „in diesem Fall ist die Frage schon klar“, heißt es in Nürnberg. Der Ausschuss werde am 7. Juli tagen und die Kriterien des Paragrafen 182 Sozialgesetzbuch III prüfen. Weil die westdeutschen Automobilbauer weder räumlich mit dem Streik im Osten zu tun haben noch Vorteile aus dem Streikergebnis erwarten, gilt ein positives Votum als sicher.

Das Kurzarbeitergeld beträgt zwischen 60 und 76 Prozent des entgangenen Nettoverdienstes. Stehen die BMW-Werke in Regensburg und München und von VW in Wolfsburg auch nur eine Woche still, muss die BA rund zehn Millionen Euro auszahlen.

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