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Wirtschaft: "Das Bankgewerbe hat Imageprobleme"

IM INTERVIEW - Commerzbank-Chef Kohlhaussen: "Die Art und Weise der Steuerfahnder ist höchst bedenklich"Wie reformfähig ist die Bundesrepublik? Welche Maßstäbe gibt es für die Wirtschaft?

IM INTERVIEW - Commerzbank-Chef Kohlhaussen: "Die Art und Weise der Steuerfahnder ist höchst bedenklich"

Wie reformfähig ist die Bundesrepublik? Welche Maßstäbe gibt es für die Wirtschaft? Seit Jahren widmet sich der Bundesverband Deutscher Banken in seinen Gesellschaftspolitischen Foren grundlegenden Fragen, die Gesellschaft und Wirtschaft bewegen.Im Vorfeld des Fünften Forums heute in Berlin-Pankow sprach unser Frankfurter Korrespondent Rolf Obertreis mit dem Präsidenten des Bundesverbandes, dem Vorstandssprecher der Commerzbank, Martin Kohlhaussen, über das Image der deutschen Banken, über ihre Arbeit und den fairen Umgang mit den Kunden. TAGESSPIEGEL: Die privaten Banken erscheinen dieser Tage wieder einmal in nicht besonders vorteilhaftem Licht.Beispiele sind der Schneider-Prozeß und die Querelen bei einer der drei Großbanken in Frankfurt.Sind die Banken wirklich Schuld an den Imageproblemen oder nimmt die Öffentlichkeit manche Dinge nicht richtig wahr? KOHLHAUSSEN: Das Urteil der Öffentlichkeit über die Banken ist zwiespältig.So belegen repräsentative Meinungsumfragen bei Bankkunden, daß diese mit den Leistungen ihrer Bank zu über 80 Prozent zufrieden oder sehr zufrieden sind.Gleichzeitig steht außer Frage, daß das Bankgewerbe insgesamt mit Imageproblemen zu kämpfen hat. TAGESSPIEGEL: Was tun die Banken dagegen? KOHLHAUSSEN: Wir können etwas für unser Image tun, indem wir unsere Dienstleistungen weiter verbessern und dabei insbesondere auf den fairen und partnerschaftlichen Umgang mit den Kunden achten.Gleichzeitig müssen wir noch mehr erklären und erläutern, insbesondere wenn es um die wirtschaftliche Bedeutung und die gesellschaftliche Rolle der Banken geht.Es geht aber auch darum, die Öffentlichkeit damit vertraut zu machen, daß gute Dienstleistung ihren Preis haben muß. TAGESSPIEGEL: Die Steuerfahnder lassen nicht locker.Haben die Banken den Kunden in Sachen Steuerhinterziehung unter die Arme gegriffen? KOHLHAUSSEN: Die Art und Weise, wie Steuerfahnder in der Praxis nun schon seit Jahren massiv gegen Bankkunden und Bankmitarbeiter vorgehen, halte ich für höchst bedenklich.Anlaß für Ermittlungsmaßnahmen ist nicht ein konkreter Anfangsverdacht gegen einen einzelnen Bankkunden.Vielmehr wird ein Steuerstrafverfahren gegen einen Bankkunden regelmäßig zum Anlaß genommen, zugleich flächendeckend die steuerlichen Verhältnisse einer Vielzahl unverdächtiger Personen zu überprüfen.Ein Konto im Ausland etwa reicht hierfür schon.Offensichtlich soll so ein Kontrollsystem aufgebaut werden, mit dem ähnlich einer Rasterfahndung undifferenziert Bankkunden erfaßt werden sollen.Dabei wird vollkommen außer acht gelassen, daß es völlig legal ist, sein Geld im Ausland anzulegen.Pauschale Verdächtigungen, Banken hätten flächendeckend Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet, erweisen sich daher als ungerechtfertigt.Banken weisen ihre Kunden regelmäßig auf ihre Steuerpflicht hin, unabhängig davon, ob die Gelder im Inland oder im Ausland angelegt werden.Das eigentliche Problem ist die überzogene Abgabenbelastung in Deutschland. TAGESSPIEGEL: Die Bankenlandschaft steht derzeit in einem grundlegenden Wandel.Warum kommen selbst große Häuser derzeit nicht mehr allein zurecht? KOHLHAUSSEN: Diese Einschätzung teile ich nicht.Große Häuser wie auch die Commerzbank wachsen weiter aus eigener Kraft und hätten von einer Fusion keine Vorteile.Bei anderen Instituten mag sich die Situation anders darstellen; hier verspricht man sich im Zeitalter der Globalisierung und vor Einführung des Euro durch eine Fusion strategische Wettbewerbsvorteile. TAGESSPIEGEL: Die Steuerreform ist endgültig gescheitert und auf die Zeit nach der Bundestagswahl vertagt.Wer trägt die Schuld? Welche Konsequenzen hat das Scheitern? KOHLHAUSSEN: Der derzeitige Reformstau schädigt den Wirtschaftsstandort Deutschland in hohem Maße.Vor allem die ausbleibende Steuerreform schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.Die Blockade der Steuerreformpläne der Regierung ist unverantwortlich.Investitionen ausländischer Unternehmen in Deutschland finden kaum noch statt.Ich fordere insbesondere die Opposition nachdrücklich auf, sich sinnvollen Reformen nicht zu verweigern.Umgekehrt hat die Regierung allen Grund, ihre Reformpläne offensiv zu vertreten. TAGESSPIEGEL: Was muß jetzt passieren? KOHLHAUSSEN: Unser Land braucht einen tiefgreifenden Strukturwandel und nachhaltige Reformen, insbesondere in der Steuer- und Sozialpolitik.Das heißt auch, daß der Staat sich aus allen Bereichen zurückziehen muß, die nicht zu seinen originären Aufgaben gehören.Die Privatisierung von Telekom und Lufthansa sind große Schritte in die richtige Richtung, so muß es weitergehen. TAGESSPIEGEL: Allenthalben wird die Höhe der Lohnnebenkosten kritisiert.Wie könnten sie denn noch gedrückt werden außer durch eine Steuerreform? KOHLHAUSSEN: Das Rezept hierfür heißt: Der Staat muß sparen.Nur so schaffen wir den notwendigen Spielraum, der es erlaubt, die Lohnnebenkosten und hier eben die Sozialversicherungsbeiträge zurückzuführen. TAGESSPIEGEL: Die Bundesbank hat im September erstmals seit langer Zeit den dritten Leitzins erhöht.Geht es jetzt mit den Zinsen weiter nach oben? KOHLHAUSSEN: Die jüngste Zinserhöhung war eine vorsichtige Straffung der recht expansiven Geldpolitik.Bessere Konjunkturaussichten und der leichte Preisansteig dürften die Bundesbank dazu veranlaßt haben.Gemessen an den aktuellen Wirtschaftsdaten hält sie die Zinszügel aber nicht über Gebühr straff.Negative Folgen für die Konjunktur sind nicht zu befürchten.Im Gegenteil: Durch eine stabilitätsorientierte Geldpolitik werden Inflationsbefürchtungen im Zaum gehalten.Hiervon profitieren die langfristigen Zinsen, und die sind für die Investitionen und damit für Arbeitsplätze wichtig.

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