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Wirtschaft: Das Benjamin-Prinzip

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag  wählt Alba-Chef Eric Schweitzer zum Präsidenten.

Berlin - Er ist schon wieder der Jüngste. Eric Schweitzer hat mit 18 Jahren sein Abitur gemacht, war mit 22 studierter Betriebswirt, mit 24 der jüngste Doktorand der Freien Universität, mit 37 der jüngste Präsident einer Industrie- und Handelskammer. Nun ist er 47 und immer noch der Benjamin: Nie war ein Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) jünger als er. „Ich habe nicht geplant, was ich werden will“, sagt Schweitzer über seinen Aufstieg.

Doch Zufall ist es nicht, dass ihn einer der mächtigsten Wirtschaftsverbände am Mittwoch zum Präsidenten gewählt hat – einstimmig. Es ist das Ergebnis von harter Arbeit und einem feinen Gespür für Macht und Mächtige. Bislang waren DIHK-Chefs stets graue Männer von bekannten Firmen – dem Weltmarktführer bei Motorsägen, einer Medizinfirma, einem Müsli-Lieferanten. Nun kommt Schweitzer, der sein Geld mit Müll verdient, mit dem, was vom Wohlstand übrig bleibt.

Dass es so einer nach ganz oben schafft, liegt auch am Zeitgeist: Verbrauchen, wegschmeißen, das will heute keiner mehr. Recyceln ist in. Auch deshalb konnte Schweitzer zusammen mit seinem Bruder Axel (43) aus dem Entsorger Alba einen Konzern mit mehr als drei Milliarden Euro Umsatz machen. „Wir sind ein Rohstofflieferant“, lobt sich Schweitzer. Alba rupft aus dem Abfall die „Wertstoffe“ und entsorgt zugleich das schlechte Gewissen der Leute – kein übles Geschäftsmodell.

1968 fing der Vater, ein Rheinländer, mit drei Lastwagen und sechs Leuten in Wedding an. Heute beschäftigen die beiden Söhne – ein dritter kam bei einem Unfall ums Leben – 9000 Menschen auf dem gesamten Globus. Aber noch immer ist Alba ein Familienbetrieb.

Schweitzers Geschäft ist laut und stinkt. Das zeigt er in seiner Sortieranlage in Mahlsdorf: Rund um die Uhr karren Lastwagen Berge von Müll heran. Tüten, Tetrapaks, Büchsen laufen dann über hunderte Meter lange Förderbänder, durch Walzen, Gebläse, Trommeln und Lichtschranken. Am Ende steht zu Quadern zusammengepresstes Material, aus dem wieder Verpackungen werden können, Parkbänke oder Rohre. Schweitzer läuft im Anzug durch die Anlage und zeigt stolz auf die Maschinen. Mit seinen dunkelblonden, krausen Haaren und der stets freundlichen Miene wirkt er wie einer aus dem mittleren Management, nicht wie ein Multimillionär.

Auf der Liste der reichsten Deutschen führt das „Manager-Magazin“ die Schweitzer-Brüder auf Rang 97 mit einem Vermögen von 950 Millionen Euro. „Ein Ferrari wäre schon drin“, hat er einmal gesagt, „aber was soll ich mit einem Ferrari?“

Trotzdem gilt er als extrem ehrgeizig. „Bei allem, was man tut, das Ende zu bedenken, das ist Nachhaltigkeit“, lautet einer seiner Leitsätze. Das kann man auf das Geschäft münzen, aber auch auf die eigene Karriere. Er kokettiert damit, unterschätzt zu werden. Gerne erzählt er, wie er nach 2004 seiner Wahl zum Berliner IHK-Chef zu einer Tagung aller Kammerpräsidenten fuhr – und in den Raum für die Chauffeure geschickt wurde.

Da hatte Schweitzer schon einen langen Weg in der Firma hinter sich: als Schüler das Taschengeld beim Schrottsammeln aufgebessert, Müllwagen gefahren, nach dem Studium bei der Expansion geholfen, dann 1998, als der Vater starb, die Leitung übernommen. „Ich bin ein sehr leistungsorientierter Mensch“, sagt er über sich.

Aber es waren nicht allein Fleiß und Fortune. Schweitzer gilt als bestens vernetzt, er kann mit vielen. In der Schüler-Union war er Landeschef, später wurde er FDP-Mitglied, die Grünen laden ihn zum Parteitag. Mit Klaus Wowereit versteht er sich blendend, selbst der einstige Wirtschaftssenator Harald Wolf von der Linkspartei bekam Schweitzers Lob ab. Die Kanzlerin berät Schweitzer in Sachen Nachhaltigkeit. „Isch bin ökologisch, sozial, liberal wie konservativ“, zitiert er im Scherz Horst Schlämmer, die Kunstfigur Hape Kerkelings. Ein bisschen Schlämmer steckt auch in Schweitzer.

Auch für Berlin ist seine Wahl ein Signal. Seit mehr als 80 Jahren kam kein DIHK-Chef mehr aus der Hauptstadt. Dass so einer auch Gegner hat, versteht sich fast von selbst. Die Gewerkschaften halten ihm vor, er bezahle sein Personal schlecht, Kleinunternehmer sagen, er könne mit Kritik an der Berliner IHK-Arbeit nicht umgehen. Auch schmeckte nicht jedem, wie er sein Amt in der Kammer zum Wohle Albas nutzte, etwa beim Streit mit der BSR um die Wertstofftonne.

Auf der großen Bühne der Politik wird er unter Beobachtung stehen. Als Präsident des DIHK spricht Schweitzer für alle 3,6 Millionen Unternehmen, die qua Gesetz Mitglied einer IHK sein müssen. Seit ein paar Monaten bereiten ihn Experten beim DIHK auf sein Amt vor. Mit einem gravierenden Kurswechsel rechnen sie dort nicht. „Der ist 20 Jahre jünger als seine Vorgänger, aber kein Querkopf“, sagt ein enger Mitarbeiter über ihn. Fachkräftemangel, der Kampf gegen Steuererhöhungen, das sind seine Themen, sagt er nach der Wahl. Und die Ressourcenknappheit, die „Green Economy“, sagt er – und hat schon wieder den Alba-Hut auf.

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